DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-01-2022 09:01
SXEU31 DWAV 160800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 16.01.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Mischung aus NWa und NWz.
Ab heute Nachmittag im Norden und Osten zunehmender Wind. Vor allem kommende
Nacht und Montag teils stürmisch. An den Küsten Sturmböen (Bft 9 bis 10), im
östlichen und südöstlichen Bergland teils Orkanböen (Bft 11, 12). Heute und in
der kommenden Nacht örtlich gefrierender Sprühregen.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... greift ein KW-Trog von Westen auf Deutschland über. Er kommt nur
langsam voran und erreicht bis zum Abend die östlichen und südöstlichen
Landesteile. Vorderseitige PVA wird durch KLA teilkompensiert, sodass sich die
Hebungsimpulse in Grenzen hält. Dennoch reichen diese aus, um die in weiten
Teilen des Landes vorhandene dichte Bewölkung anzuheben und somit für die
Bildung leichter Niederschläge zu sorgen. Schaut man sich Prognosesoundings an,
so ist zu erkennen, dass die Niederschlagsbildende Schicht oberhalb von -10°C
liegt. Somit überwiegen unterkühlte Wassertröpfchen, sodass es sich bei dem
Niederschlag um Sprühregen handeln sollte. Dort, wo der Sprühregen auf
gefrorenen Boden fällt, muss örtlich mit Glatteis gerechnet werden. Das kann
heute Vormittag teilweise bis in tiefe Lagen der Fall sein, sollte sich aber im
Tagesverlauf insbesondere auf den Mittelgebirgsraum beschränken. Erste Meldungen
zu gefrierendem Sprühregen sind bereits vorhanden.
Durch Anheben der kälteren Grundschicht mit Übergreifen des Troges geht die
Temperatur in 850 hPa deutlich zurück von aktuellen Plusgraden auf Werte
zwischen -2 und -7 Grad bis zum Abend. Auch die gesättigte Schicht reicht am
Abend zumindest im Bereich der östlichen/südöstlichen Mittelgebirge allmählich
in den Bereich unter -10°C, sodass sich dort oberhalb von etwa 400 bis 600 m
allmählich auch Schnee unter den Niederschlag mischen kann. Meist bleibt es aber
noch bei der flüssigen Phase.
Der äußerste Süden profitiert heute zumindest teilweise noch vom Einfluss einer
Hochdruckzone über Südwest- und Westeuropa bestehend aus den Hochs CARLOS II und
DIETER. Davon ausgehend ist ein Keil in Richtung Süd- und Südwestdeutschland
gerichtet. Somit sollte sich insbesondere an den Alpen nochmals teils längere
Zeit die Sonne zeigen. Sonst haben sich im äußersten Süden abseits der Alpen
wieder dichte Hochnebelfelder gebildet, die es erstmal gilt aus dem Weg zu
räumen. Das wird wohl in den meisten Fällen nicht gelingen. Um Sonne zu tanken,
muss man sich also in höhere Gefilde begeben.
Nach Passage des ersten Troges nähert sich von Dänemark und der Nordsee ein
weiterer, nur sehr flach ausgeprägter KW-Trog, der am Abend auf den äußersten
Norden übergreift. Daran gekoppelt ist die Kaltfront eines Sturmtiefs (GERHILD)
mit Kern über dem Norden Skandinaviens. Aufgrund der kaum vorhandenen
Baroklinität zeigt sie sich nur wenig wetterwirksam. Sie erreicht am Abend etwa
eine Linie Ostfriesland-Fehmarn. Hier und da fällt etwas Regen, nennenswerte
Mengen sind nicht zu erwarten.
Zwischen der Hochdruckzone und dem Sturmtief nimmt der Druckgradient im
Tagesverlauf allmählich zu. Auf dem Brocken, dem Fichtelberg, in höheren Lagen
des Bayerwaldes sowie auf einigen Alpengipfeln muss bereits ab dem späten
Vormittag mit Sturmböen Bft 9 aus West gerechnet werden. An den Küsten zieht der
Wind erst im Laufe des Nachmittags an. Dann sind Windböen Bft 7, in exponierten
Lagen erste stürmische Böen Bft 8 aus West bis Nordwest zu erwarten.
Die Temperatur steigt auf 1 bis 7°C mit den höchsten Werten im Nordwesten sowie
punktuell im Alpenvorland. Bei zähem Nebel sowie im Bergland liegen die
Höchstwerte um oder etwas unter dem Gefrierpunkt.

In der Nacht zum Montag zieht der erste KW-Trog südostwärts ab. Die an den
zweiten KW-Trog gekoppelte Kaltfront kommt weiter südwärts voran und erreicht
bis in die Frühstunden auch den Süden des Landes. Die Niederschlagstätigkeit
hält sich weiterhin in Grenzen, zumal im Westen und Südwesten der Luftdruck noch
ein wenig ansteigt. Lokal reicht es Mal für Mengen zwischen 0,5 und 2 mm. Wie
bereits weiter oben angedeutet, kühlt die Oberkante der gesättigten Schicht
zumindest im Osten, Südosten und äußersten Süden teils auf Werte unter -10°C ab.
Somit fällt dort der Niederschlag teils als Schnee. Oberhalb von etwa 400 m, an
den Alpen von 800 m könnte es dann für 1 bis 3 cm, an den Alpen lokal um 5 cm
Neuschnee reichen.
Richtung Westen/Nordwesten dominiert weiterhin die flüssige Phase. Bei negativen
Belagstemperaturen muss also weiterhin insbesondere in den Mittelgebirgen
örtlich mit Glatteis gerechnet werden.
Postfrontal lockert die Bewölkung im Norden vorübergehend mal etwas auf, bevor
im Laufe der zweiten Nachthälfte neue dichte Wolken aufziehen. Sie werden von
einer weiteren, auf den Norden und Nordosten zusteuernden Kaltfront generiert.
Sie gehört zu einem Randtief von GERHILD, das sich Montagfrüh über dem Süden
Finnlands befindet. Die Front greift in der Frühe auf den äußersten Norden und
Nordosten mit leichtem Regen über.

Durch die Bildung des Randtiefs und die weitere Kräftigung des Hochs nimmt der
Druckgradient insbesondere über dem Norden und Osten weiter zu. Von den Küsten
bis nach Sachsen treten dann Böen bis Bft 8, in exponierten Küstenlagen Bft 9
auf. Vom Darß bis nach Rügen gibt es auch schwere Sturmböen Bft 10 aus West bis
Nordwest. Auf dem Brocken und Fichtelberg treten orkanartige Böen Bft 11. Auch
auf einigen Alpengipfeln und in Hochlagen des Bayerwaldes gibt es Sturmböen (Bft
9 bis 10).

In der Nordhälfte bleibt es in der gut durchmischten Luftmasse frostfrei. In den
Mittelgebirgen und im Süden gibt es leichten Frost zwischen -1 und -4 Grad, in
einigen Alpentälern auch darunter.

Montag... kann sich ein Höhenrücken über Westeuropa weiter kräftigen. Das
Bodenhoch rückt mit seinem Schwerpunkt ein wenig weiter ostwärts und liegt
schließlich am Abend über Belgien. Im Zusammenspiel mit dem hochreichenden
Tiefkomplex über Nordost- und Osteuropa ergibt sich über Deutschland eine
nordwestliche Strömung. Dabei nimmt der Gradient vor allem mit Passage der
Kaltfront über dem äußersten Norden und im Osten vorübergehend nochmal deutlich
zu, sodass dort verbreitet mit stürmischen Böen Bft 8 gerechnet werden muss. An
den Küsten gibt es Sturmböen Bft 9, exponiert auch einzelne schwere Sturmböen
Bft 10. In Gipfellagen der östlichen und südöstlichen Mittelgebirge sowie der
Alpen muss auch mit Orkanböen (Bft 11, 12) gerechnet werden. Nach Frontpassage
nimmt der Wind am Nachmittag wieder ab, Windböen Bft 7 können aber weiterhin
auftreten.
Die Front kommt über dem Osten südwärts voran, wird aber über dem Nordwesten
Deutschlands rückläufig. Somit fällt in einem Streifen vom Nordwesten bis zu den
südöstlichen Mittelgebirgen sowie nordöstlich davon zeitweise Regen (1 bis 3
mm/6h), in Lagen oberhalb von 600 m auch Schnee. In einigen Staulagen sind bis 5
cm Neuschnee möglich.
Auch an den Alpen, wo quasi noch Reste der vorherigen Kaltfront liegen, fällt
noch etwas Niederschlag, die Mengen sind aber nur gering.
Postfrontal lockert die Bewölkung im Nordosten auf. Sonst bleibt es eher dicht
bewölkt. Die Temperatur steigt auf 2 bis 9 Grad an, mit den höchsten Werten im
Nordwesten.

In der Nacht zum Dienstag wandert der Höhenrücken ein wenig weiter ostwärts und
auch das Bodenhoch verlagert seinen Schwerpunkt Richtung West- und
Süddeutschland. Der Druckgradient fächert deutlich auf, so dass der Wind weiter
nachlässt. In einigen Gipfellagen sind aber noch Sturmböen Bft 9 bis 10 aus
Nordwest zu erwarten. Die Front kommt über dem Südosten noch etwas weiter
südwärts voran, insgesamt wird die Frontalzone aber alsbald nach Osten
abgedrängt. Entsprechend lassen auch die Niederschläge nach, vom zentralen
Mittelgebirgsraum bis zum östlichen Alpenrand fallen nochmal 1 bis 3 mm. Die
Schneefallgrenze liegt bei etwa 600 bis 800 m. Richtung Westen auch noch
darüber, denn mit Abdrängen der Frontalzone gelangt mitteltroposphärisch wieder
etwas mildere Luft zu uns.
Im Osten, wo es längere Zeit klar ist, sinkt die Temperatur in den leichten
Frostbereich. Sonst bleibt es abgesehen von den Mittelgebirgen und dem Alpenrand
frostfrei.

Dienstag... gelangt Deutschland zunehmend in den Einflussbereich des
Höhenrückens. Das Hoch reicht am Abend von Benelux über Deutschland hinweg bis
nach Südpolen und Serbien. Somit kommt es zu einer Wetterberuhigung. Letzte
Niederschläge im Osten und Südosten in Form von Regen oder Sprühregen lassen
nach bzw. kommen zum Erliegen. Von Westen kann die Bewölkung etwas auflockern.
Allerdings bildet sich auf etwa 900 hPa erneut eine Absinkinversion aus, sodass
auch zäher Hochnebel hier und da wieder auf der Karte stehen könnte. Die Zufuhr
milderer Luft setzt sich weiter fort. Es werden Höchstwerte zwischen 5 und 8
Grad erreicht. Bei zähem Nebel bleibt es kälter. Warnwürdige Wettererscheinungen
werden nicht erwartet.
Erst in der Nacht zum Mittwoch nimmt der Druckgradient im Küstenbereich wieder
zu mit Böen Bft 7 bis 8 aus Südwest. Sonst verläuft die Nacht unter
Hochdruckeinfluss aber noch weitgehend ruhig. In den Mittelgebirgen und im Süden
gibt es bei teils aufgelockerter Bewölkung leichten, an den Alpen teils mäßigen
Frost. Sonst bleibt es frostfrei.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Entwicklung der Wetterlage wird von den betrachteten Modellen übereinstimmen
gezeigt.

Bei der Wetterinterpretation des ICON-EU überwiegt für heute und die kommende
Nacht im Mittelgebirgsraum und im Süden die Schneephase. Dies scheint aufgrund
der oben beschriebenen Temperaturverhältnisse unwahrscheinlich. ICON-D2 zeigt
diesbezüglich häufiger die gefrierende Phase, was aus jetziger Sicht
realistischer ist. Dennoch wird man meist nur kurzfristig Glatteiswarnungen
ausgeben können.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Johanna Anger