DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

13-01-2022 08:30
SXEU31 DWAV 130800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 13.01.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: NWa (Nordwest antizyklonal)

Hochdruckgeprägtes und vergleichsweise ereignisarmes Winterwetter ohne echten
Winter. Im Nordosten vorübergehend windig bis leicht stürmisch, nichts
Dramatisches. Ansonsten viel Grenzschichtgefummel.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... ist die großräumige Potenzialverteilung nach wie vor von einem
bulligen Höhenrücken mit Schwerpunkt über UK geprägt, der im Norden
(Europäisches Nordmeer) von einer sehr prominent aufgestellten Frontalzone
begrenzt wird. Im Laufe des Tages verlagert sich das Zentrum des Rückens langsam
nach Belgien, wobei die zonal nach Osten ausgerichtete Hauptachse etwas im
Uhrzeigersinn kippt. Die Divergenzachse der korrespondierenden, von UK/Irland
bis zum Schwarzen Meer reichenden Bodenhochdruckzone CARLOS (teils über 1040
hPa) weist bereits heute früh eine von Nordwest nach Südost exponierte
Ausrichtung auf. Sie verläuft quasistationär genau über die Südwesthälfte des
Vorhersageraums, wo sie die Funktion einer atmosphärischen Demarkationslinie
einnimmt. Im Verbund mit der inzwischen schon stark gealterten, ursprünglich
polaren Meeresluft sorgt sie im Süden und Westen sowie in Teilen der Mitte für
die klassischen winterlichen Grenzschichtprozesse: Nebel/Hochnebel auf der
einen, Sonnenschein auf der anderen Seite. Auch in der vergangenen Nacht hat
sich vielerorts Nebel und Hochnebel gebildet, den es heute erst mal
wegzuarbeiten gilt. Die Chancen dafür stehen gar nicht mal so schlecht, was an
der durch permanentes Absinken mittlerweile sehr weit unten positionierten
Absinkinversion liegt. Das bedeutet nämlich im Umkehrschluss, dass die
Grundschicht, in der gewöhnlich ja die Feuchtigkeit "gefangen" ist, nur eine
geringe vertikale Mächtigkeit aufweist. Kurzum, nicht nur auf den Bergen scheint
heute die Sonne, auch die Niederungen kommen zumindest teilweise in den Genuss
einiger Sonnenstunden. Überall wird es aber nicht reichen bzw. erst spät
aufgehen, so z.B. in Teilen Frankens oder auch luvseitig im zentralen
Mittelgebirgsraum. Die Temperatur erreicht Spitzen von 0 bis +6°C, bei ganz
zähem Nebel/Hochnebel vereinzelt leichter Dauerfrost.

Im Norden und Osten läuft der Hase etwas anders als weiter südwestlich.
Hochrandlage heißt hier das Stichwort, was im Winter - sofern man sich als
Anhänger sonnigen Wetters bezeichnet - nicht die besten Voraussetzungen bietet.
In der Nacht ist eine inaktive Warmfront durchgezogen, hinter der sich milde,
aber eben auch wolkenreiche Nordseeluft ausgebreitet hat. Ganz im Norden liegen
die Frühwerte um 6°C und bei guter Durchmischung sowie fortdauernder WLA (T850
steigt auf 7-10°C!) sind verbreitet Höchstwerte von 6 bis 9°C zu erwarten.
Einige Aufhellungen oder Auflockerungen treten am ehesten im westlichen
Niedersachsen sowie unweit der Deutschen Bucht auf. Gute Karten auf mehrere
Sonnenstunden haben auch die leeseitigen Regionen der zentralen und nördlichen
Mittelgebirge, wo der etwas auflebende Wind seine Finger am Hebel hat
(Leeeffekte). Bereits heute früh zeigt sich nördlich des Thüringer Walds ein
größeres, bis in den Süden Sachsen-Anhalts sowie in Teile Sachsens reichendes
Wolkenloch.
Apropos Wind, der weht heute aus westlichen Richtungen kommend im Norden und
Nordosten mäßig bis frisch. Von SH bis hinüber nach Vorpommern treten
insbesondere an der Küste, z.T. aber auch im küstennahen Binnenland steife Böen
7 Bft, vom Darß bis hinüber nach Rügen auch stürmische Böen 8 Bft auf. In
exponierten Hochlagen einiger Mittelgebirge - im Grunde sind es die üblichen
Verdächtigen (Brocken, Fichtelberg, Feldberg) - stehen Böen 8-9 auf der Karte.

In der Nacht zum Freitag tut sich nicht besonders viel an der Großwetterlage.
Zwar schwächt sich die Hochdruckzone etwas ab, bleibt aber präsent. Da der
leichte Druckfall im Südwesten durch stärkeren Druckfall über Südskandinavien
(dort Passage einer flachen Welle) überkompensiert wird, verschärft sich der
Gradient im Nordosten etwas. Folglich nimmt auch der Wind zu noch etwas zu. Böen
7 Bft sind dann auch an der nordfriesischen Küste sowie bis hinunter zur
Uckermark zu erwarten, während an der Ostseeküste Böen 8 Bft zahlreicher werden.
Am stürmischsten weiterhin der Darß bis hinüber nach Rügen, wo nun auch "echte"
Sturmböen 9 Bft auftreten können. Dass es auf den genannten Bergen stürmisch
bleibt, ist evident.

Wettermäßig setzt sich im Norden und Nordosten die Zufuhr milder Nordseeluft
fort, was eine weitgehend bedeckte, aber frostfreie Nacht garantiert. Hier und
da nieselt es etwas, meist bleibt es aber trocken. Zur Mitte und nach Süden hin
kommt es zur klassischen "Teils-teils-Verteilung": Teils bleibt es klar, teils
breiten sich Nebel und Hochnebel aus bzw. bilden sich neu. Dabei sinkt die
Temperatur auf +1 bis -8 Grad, wobei mäßiger Frost weitgehend den Regionen
entlang sowie südlich der Donau vorbehalten bleibt. Strenger Frost um oder etwas
unter -10°C ist - wenn überhaupt - nur noch vereinzelt am Alpenrand anzutreffen.
In den klaren Gebieten kann es stellenweise glatt werden durch Reif, in den
Nebelgebieten durch gefrierende Nässe.

Freitag... verlagert das weiterhin elliptisch konturierte Höhenhoch sein Zentrum
in Richtung Schweiz. Die Hauptachse dreht sich dabei noch etwas weiter im
Uhrzeigersinn, am Mittag verläuft sie von England bis zur Adria. Nordöstlich des
Rückens läuft von Skandinavien her ein flacher, aber relativ breiter Trog
südostwärts ab, der den über dem nahen Osteuropa liegenden Trog regeneriert.
Entsprechend dreht bei uns im Norden und Osten die nordwestliche Höhenströmung
etwas nach rechts, was im Grunde auch für den Bodenwind gilt. Dort, also im
bodennahen Niveau bleibt im Prinzip alles beim Alten: im Südwesten die
Hochdruckzone zwischen UK und Balkan, im Nordosten tiefer Luftdruck mit
Zentraltief über der Barentssee (ELSA). Neu ins Spiel kommt ein Teiltief knapp
östlich von Karelien (FAMKE), dessen Kaltfront von der Ostsee her ein kleines
Stück in das nordostdeutsche Binnenland eindringt. Wetter ist nur wenig dran
(etwas Nieseln im Osten), dichte Bewölkung schon. Allerdings ist die postfrontal
einfließende Polarluft (T850 runter auf 0 bis -4°C) durch Überströmung der
norwegischen Gebirge deutlich trockener als die präfrontale Nordseeluft, so dass
die Wolkendecke von Dänemark und der Ostsee her auflockert und insbesondere der
Küste sonnige Abschnitte bringt. Leichter Druckfall im Südwesten, leichter
Druckanstieg im Nordosten lässt den Gradienten immer weiter aufweichen, so dass
der anfänglich noch lebhafte, an der vorpommerschen Küste stürmische West- bis
Nordwestwind am Nachmittag und Abend merklich an Substanz verliert.

Zur Mitte und nach Süden hin gestaltet sich der Tagesablauf einmal mehr
undynamisch und grenzschichtgeprägt, wobei die Chancen gutstehen, dass sich
Nebel und Hochnebel vielerorts auflösen. Einschränkungen gibt es im zentralen
Mittelgebirgsraum, wo kein oder nur sehr wenig Wind ist. Im und Südwesten ist
zwar auch kaum Wind vorhanden, dort ist die Grenzschicht aber häufig so flach,
dass sich der Nebel von wenigen lokalen Ausnahmen abgesehen auflösen kann. Die
Temperatur erreicht Höchstwerte zwischen 2°C in einigen Niederungen
Süddeutschlands und bis zu 9°C im Norden. Ähnlich mild wird es aber auch in den
Höhenlagen Bayerns und BWs, die voll in der Inversion liegen (oberhalb etwa 700
m bis teils über 1000 m).

Die Nacht zum Samstag bringt im Nordosten eine weitere Gradientauffächerung,
weil sich die Bodenhochdruckzone von Süden her immer weiter nach Norden
ausdehnt. Der Kaltfront schmeckt der Druckanstieg überhaupt nicht, sie wird sich
zumindest in unserem Bereich auflösen. Es bleiben allerdings Reste tiefer
frontaler Bewölkung zurück, die sich von Nordwestdeutschland bis zur östlichen
Mitte bzw. nach Franken zieht. Vornehmlich im Erzgebirge kann orografisch sogar
etwas Nieselregen ausgelöst werden. Im Nordosten hingegen lockert oder klart es
in der frisch eingeflossenen Polarluft auf und die Temperatur geht auf Werte um
oder etwas unter den Gefrierpunkt zurück. Leichter Frost zwischen 0 und -5°C
(Alpen lokal etwas kälter) auch von der südlichen Mitte bis hinunter zu den
Alpen respektive zur deutsch-schweizer Grenze, wo die Nacht entweder klar oder
neblig bzw. bedeckt durch Hochnebel geprägt ist. In mittleren und höheren Lagen
(in der Inversion) sowie bei länger bedeckten Verhältnissen geht die Temperatur
allerdings nicht in den negativen Bereich zurück.

Samstag... verabschiedet sich das Zentrum des Höhenhochs gen Italien, von wo aus
es aber weiterhin über einen mächtigen Wirkungsradius verfügt. Für uns relevant
ist dabei ein bis zum Nordmeer bzw. nach Skandinavien reichender Rücken, der
eine umfangreiche Bodenhochdruckzone über Mitteleuropa stützt. Der Schwerpunkt
verlagert sich mehr und mehr in Richtung Balkan, so dass die (schwache) Strömung
ab dem Abend im Norden und Nordwesten bereits wieder beginnt zu zonalisieren.
Zunächst mal gilt es aber den Tag abzuarbeiten, der wettermäßig nicht viel
hergibt. Auch wenn im Norden die Zufuhr von Nordseeluft vorübergehend gekappt
wird, bleibt es doch in weiten Teilen stark bewölkt bis bedeckt aber weitgehend
trocken (nur vereinzelt etwas Nieselregen). Nach Osten hin könnte die
Wolkendecke an der einen oder anderen Stelle auch mal auflockern.

In der Mitte und im Süden bleibt der Wetterablauf weitgehend binär aufgestellt:
"0" heißt zäher Nebel oder Hochnebel (vor allem in den Niederungen und
Flusstälern), "1" heißt Sonnenschein (vor allem in Hochlagen sowie im
Südwesten). Die Temperatur erreicht 2 bis 8°C mit den höchsten Werten im Westen
sowie in einigen Inversionslagen Süddeutschlands. Im Dauer (Hoch)Nebel reicht es
nur zu -2 bis +2°C.

Kurz noch ein Ausblick auf die Nacht zum Sonntag im Staccato: im Norden meist
stark bewölkt, kaum Regen, frostfrei, an der See auffrischender West- bis
Südwestwind (Böen 6-7 Bft). Sonst Nebel/Hochnebel, teils klar, +1 bis -5°C.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Entwicklung als solche ist unstrittig. Dagegen wird die Verteilung, Bildung
und Auflösung von Nebel/Hochnebel von Modell zu Modell etwas anders gesehen, was
aufgrund unterschiedlicher Grenzschichtparametrisierung auch logisch ist.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann