DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-01-2022 09:01
SXEU31 DWAV 120800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 12.01.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang von BM (Brücke Mitteleuropa) zu NWa (Nordwest antizyklonal)

Überwiegend Hochdruckeinfluss (CARLOS) mit schwachen Störfeuern im Norden und
Osten. Am Donnerstag vor allem an der Ostsee windig.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... zeigt die großräumige Potenzialverteilung eine glatte und sehr gut
definierte Frontalzone (Jetmaximum mit bis zu 200 Kt verläuft genau über
Island), die sich über den Nordostatlantik bis nach Nordeuropa erstreckt. Dort
schwächt sie sich merklich ab und beginnt zu divergieren, wobei ein Ast nach
Nordosten, der andere nach Süden abbiegt. Letzterer umkreist dabei ein
hochreichendes, elliptisch konfiguriertes Hoch ("Don" CARLOS), das mit seinem
Zentrum unweit von Irland positioniert ist und dabei über 1040 hPa auf die
barische Waage bringt. Das Hoch bestimmt mit seinem weit nach Osten reichenden
Keil (im Osten steckt da noch etwas BERNHARD drin, der seine Karriere über
Skandinavien begonnen hatte) bis auf Weiteres das Wetter in Deutschland. Daran
ändert auch die Tatsache nichts, dass am heutigen Mitte kleinere Störattacken am
Laufen sind, die ein Hoch dieses Formats aber nicht wirklich aus dem
Gleichgewicht bringen können.

Erster Störenfried auf der Wetterkarte ist die Okklusion eines Nordmeertiefs
(ELSA), die mit ihren hohen und mittelhohen Wolken bereits die Mitte erreicht
bzw. schon weitgehend überquert hat. Während die Wolken in den nächsten Stunden
wenn auch unter Substanzverlust, unbeirrt ihren Weg nach Süden fortsetzen, wird
es für die Bodenfront immer schwerer, sich in frontolytischem Umfeld - sie läuft
genau auf die Divergenzachse des Keils zu - zu behaupten. Man muss kein großer
Prophet sein um vorherzusagen, dass der gestrenge Analysator des Tages die Front
irgendwann streicht oder zumindest von Westen her erodieren lässt. Abgesehen von
den Wolkenfeldern generiert die Front mit Unterstützung von WLA sowie eines
unscheinbaren, um den Höhenrücken herumlaufenden KW-Trogs etwas Niederschlag,
der z.T. aber in der trockenen Grundschicht verdunstet (siehe Nachtaufstiege von
Bergen und Greifswald). Erst im hinteren, frontnahen Teil, wo die Grundschicht
deutlich feuchter ist (es dafür aber weiter oben schon wieder abtrocknet), kommt
unten etwas Nieselregen an, wenn auch mit geringer Intensität (aktuell maximal
0,2 l/m²/h). Während das Ganze im Nordwesten aufgrund positiver Boden- und
Lufttemperatur kein Problem darstellte, könnte es im Osten und Nordosten sowie
am Nordrand der Mittelgebirge bis in den Vormittag hinein zumindest gebietsweise
Glatteis durch gefrierenden Nieselregen geben. Da nicht davon auszugehen ist,
dass sich die Niederschlagsintensität erhöht, dürften - wie heute früh schon
geschehen - regionsweise herausgegebene markante Glatteiswarnungen reichen, die
Situation widerzuspiegeln. Am Nachmittag und Abend ist der Spuk dann ohnehin
vorbei sein, einzig wenn noch etwas Nieselregen den Thüringer Wald und das
Erzgebirge erreichen sollte (was keinesfalls sicher ist), könnte es auch dort
lokal glatt werden.

Und sonst so? - Bereits jetzt ist erkennbar, dass es in der postfrontal
einfließenden subpolaren Meeresluft (Anstieg T850 auf 0 bis +4°C) mitunter
auflockert, wenn sich Dunst und Nebel aufgelöst haben. Später tauchen
vorderseitig einer sich von der Nordsee nähernden Warmfront neue hohe und
mittelhohe Wolkenfelder auf. In den mittleren Landesteilen macht sich nach
vielfach freundlichem Beginn die frontale Bewölkung bemerkbar, auch wenn diese
kaum noch Niederschlag absondert. Im Süden scheint trotz der o.e. reindriftenden
Wolkenfelder zumindest teilweise die Sonne, insbesondere oberhalb der zwischen
900 und 950 hPa verorteten Absinkinversion. Also rauf auf die Berge oder an den
Alpenrand, während in unteren Gefilden vielfach (nicht überall) erst einmal
mühsam der zähe Hochnebel getilgt werden muss (echter Nebel trat heute früh
erstaunlich wenig auf). Entlang und südlich der Donau sowie bei zähem Hochnebel
verbleibt die Temperatur häufig unter dem Gefrierpunkt, ansonsten stehen 1 bis
6°C, auf Helgoland sogar 8-9°C auf der Karte.

In der Nacht zum Donnerstag kippt die Divergenzachse des sich noch verstärkenden
Hochkeils etwas in südöstliche Richtung. Damit wird im Norden und Nordosten der
Weg für die Warmfront einer über Skandinavien ostwärts ziehenden Welle frei.
Viel hat die Front nicht auf den Rippen, meint, es bleibt niederschlagsfrei.
Allerdings breitet sich in der einfließenden Nordseeluft (Anstieg T850 auf rund
6°C) dichter Stratus unterhalb etwa 950 bis 900 hPa ost-südostwärts aus,
überlagert von einigen hohen oder mittelhohen Wolkenschlieren. Erst gegen Morgen
könnte es sich an der Nordsee eine Lücke auftun. Anders als heute früh ist dort
die Bildung von Nebel aber nicht sehr wahrscheinlich, was am auffrischenden
westlichen Wind liegt. Dieser legt an der Ostsee noch etwas mehr zu als an der
Nordsee, so dass gegen Morgen zumindest zwischen Fischland-Darß und Rügen sowie
auf Fehmarn die ersten 7er-Böen auf den Plan treten.

Der große Rest des Landes verbleibt unter der Ägide der Hochdruckzone, was
nichts anderes als Grenzschichtmeteorologie bedeutet. Dabei fällt erneut die
prognostizierte geringe Nebelwahrscheinlichkeit im Süden auf, gleichwohl wird es
wohl für das eine oder andere Nebelfeld in den Flussniederungen reichen. Die
höchste Nebelwahrscheinlichkeit wird für die westliche Mitte simuliert, wobei es
sich meist aber um aufliegende Wolken in den Hochlagen der Mittelgebirge handeln
dürfte. Fakt ist auf alle Fälle, dass die Temperatur im Gegensatz zum
frostfreien Norden und Nordosten in den leichten, im Süden häufig sogar mäßigen
Frostbereich zurückgeht. Vor allem in den Alpentälern ist über Schnee auch
strenger Frost unter -10°C zu erwarten. An der einen oder anderen Stelle kann es
glatt werden durch Reif.

Donnerstag... verlagert das Höhenhoch seinen Schwerpunkt langsam aber sicher via
England in Richtung Benelux. Gleichzeitig kippt die Divergenzachse der weiterhin
sehr prominent aufgestellten Bodenhochdruckzone (über 1040 hPa im Zentrum) noch
etwas im Uhrzeigersinn. Sie verläuft am morgigen Donnerstag genau über die
Südwesthälfte, wo die Inversion geringfügig nach unten gedrückt wird. Damit wird
die Grundschicht weiter gestaucht, was die Chancen auf Auflösung des Hochnebels
steigen lässt. So dürfen sich nicht nur die Hochlagen, sondern vielfach auch die
Niederungen berechtigte Hoffnung auf Sonnenschein machen. Einschränkungen gibt
es vor allem in Franken, wo sich das graue Grundschichtgewölk als zähe Materie
entpuppen könnte.

In der Nordosthälfte nimmt der Gradient zwischen dem Hoch und tiefem Luftdruck
über Nordeuropa (federführendes Tief am Mittag unweit von Spitzbergen) noch
etwas zu. Folglich frischt der westliche Wind soweit auf, dass an der Ostsee,
bedingt auch im nordostdeutschen Binnenland steife Böen 7 Bft auftreten.
Exponiert (insbesondere Rügen) sind auch ein paar stürmische Böen 8 Bft am
Start. Okay, der Brocken und der Fichtelberg springen auch an (8-9 Bft), aber
nun. Das Gute am Wind ist, dass er am Ost- und Nordostrand der zentralen und
nördlichen Mittelgebirge die tiefe Stratusbewölkung knackt (Leeeffekte), während
die Chancen dafür in den Weiten des nordostdeutschen Binnenlands nicht besonders
gutstehen. Wenn Auflockerungen und etwas Sonne im Norden, dann am ehesten im
westlichen Niedersachsen und bei den Ostfriesen.

Während der Norden und Osten in der einfließenden Nordseeluft (T850 um 7°C) auf
5 bis 8°C Tageshöchsttemperatur kommen, stehen in den übrigen Regionen in der
weiter vor sich hin alternden Kaltluft (wirkliche Kaltluft sieht freilich ganz
anders aus) 0 bis 6°C auf dem Zettel stehen.

In der Nacht zum Freitag erreicht der Schwerpunkt des Höhenhochs Belgien, von wo
aus sich die Hauptkeilachse bis zum Balkan erstreckt. Die korrespondierende
Bodenhochdruckzone schwächt sich geringfügig ab, bleibt aber über der
Südwesthälfte des Vorhersageraums liegen. Für den Süden und die Mitte bedeutet
das Nebel- und Hochnebelfelder, vielfach aber auch klare Bedingungen. Der Frost
schwächt sich aufgrund des fortschreitenden Alterungsprozesses der Luftmasse
gegenüber der Vornacht etwas ab, unter -5°C kalt dürfte es wohl nur südlich der
Donau werden (wahrscheinlich aber kein strenger Frost mehr). Auffallend ist der
von METRO verbreitet simulierte Reif, den es morgen noch mal etwas genauer zu
beleuchten gilt.
Reif wird es nördlich der Mittelgebirgsschwelle mit Sicherheit nicht geben. Dort
sorgen wolkenreiche Nordseeluft und ein schwacher bis mäßiger, an der Ostsee
nebst angrenzendem Binnenland in Böen steifer bis stürmischer Südwest- bis
Westwind (evtl. markante Warnung für die vorpommersche Küste) für eine positiv
temperierte Nacht.

Freitag... steuert das Zentrum des Höhenhochs die Schweiz an. Auf der
Nordostabdachung der weiterhin elliptisch konturierten Antizyklone deutet sich
von Skandinavien her eine Austrogung an, die sich über das östliche Mitteleuropa
bis zum nahen Osteuropa fortsetzt. Wir verbleiben auf der warmen Seite der
Frontalzone, die Trog und Höhenhoch voneinander trennt. Es stellt sich eine
hochreichende, leicht antizyklonale bis indifferente nordwestliche Strömung ein,
in die eine schwache Kaltfront eingelagert ist. Sie gehört zu einem Teiltief,
das sich knapp östlich von Karelien bildet. Die Front tangiert im Tagesverlauf
von der Ostsee her die nordöstlichen Landesteile, kommt auch etwas ins
Landesinnere voran, eine nachhaltige Passage ist aufgrund ihrer
strömungsparallelen Exposition aber nicht zu erwarten. Es reicht aber, um weiten
Teilen Nord- und Ostdeutschlands dichte Bewölkung zu kredenzen. Dabei fällt
gebietsweise etwas Nieselregen (homöopathische Mengen), sei es an der Front
direkt oder aus dem etwas weiter südwestlich liegenden Hochnebel. In Vorpommern
könnte es in der postfrontal einfließenden Polarluft (T850 etwas unter 0°C) im
Tagesverlauf auflockern. Auflockern oder besser Auffächern tut auch der
Gradient, so dass der anfänglich noch lebhafte, an der Ostsee (Vorpommern) teils
stürmische Südwest- bis Westwind an Substanz verliert.

Gänzlich unbeeindruckt vom Geschehen im Nordosten zeigen sich der Süden und
weite Teile der Mitte, wo abseits einiger weniger zäher Nebel- oder
Hochnebelfelder (Flussniederungen) häufig die Sonne scheint. Landesweit steigt
die Temperatur auf 2 bis 8°C, im Norden lokal sogar etwas darüber.

Die Nacht zum Samstag bringt dem Norden und Osten an der ums Überleben
kämpfenden Kaltfront weiterhin viele Wolken, aber kaum Regen. Der Wind geht
weitgehend in die Knie, die Temperatur bleibt im Positiven. Nach Süden und
Westen hin bringt die zwar schwächelnde, aber weiterhin präsente Hochdruckzone
die typischen Grenzschichtparameter auf die Karte: Nebel/Hochnebel, aber auch
klare Regionen, dazu meist leichter Frost (im Westen allerdings teils
frostfrei).

Modellvergleich und -einschätzung
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Abseits der üblichen Unschärfen bei der Grenzschichtparametrisierung ziehen die
Modelle an einem Strang.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann