DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

08-01-2022 19:01
SXEU31 DWAV 081800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 08.01.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Anfangs noch unbeständig mit Schnee- und Regenfällen. Ab Montag merklicher
Druckanstieg und Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... fällt der Luftdruck, was - ob man will oder nicht - ein untrügliches
Zeichen für den nächsten zyklonalen Angriff ist. Wem das nicht so recht
schmecken will, dem sei als alternativer Appetizer die Aussicht auf unmittelbar
bevorstehenden Hochdruckeinfluss gereicht, der aber erst ab Montag so richtig
beginnt zu greifen. Etwas Hoch gab es auch heute schon, allerdings mit dem
Zusatz "Zwischen". Es hat sich zwischen das nach Osten abziehende Wellentief
DOREEN II (das vergangene Nacht und heute Morgen vor allem einem schmalen
Streifen in der Mitte als Schneekanone gedient hatte) und dem nachfolgenden
Frontensystem von DOREEN I (fettes Sturmtief südlich von Island) geschoben.
Obwohl es von einem leidlich proportionierten Höhenrücken überlagert ist, zeigt
es im Bodendruckfeld nur eine schwache Aufwölbung, weshalb die FU Berlin hier
auch keinen Namen spendiert hat. Wie auch immer, schon bald ist das namenlose
Zwischenhoch Geschichte und wir dürfen bzw. müssen uns dem von Westen auf uns
zukommenden Geschehen widmen.

Ausgehend vom o.e. hochreichenden Zentraltief DOREEN I weitet sich ein negativ
ausgerichteter Trog nach Südosten aus. Diese Amplifizierung geht freilich auf
Kosten seiner Progression gen Osten, die nur in homöopathisch anmutenden Dosen
vonstattengeht. Etwas forscher präsentiert sich das dem Trog vorgeschaltete
Frontensystem, das heute Mittag westlich von uns noch mit einem veritablen
Warmsektor ausgestattet war. Dieser wird nun aber in den nächsten Stunden immer
weiter zusammengestaucht, so dass die in der Nacht zum Sonntag anstehende
Passage weitgehend als Okklusion erfolgt. Einzig im äußersten Süden bleibt
zunächst noch ein schmaler Sektor übrig, wo T850 vorübergehend auf 1-2°C+
ansteigt. Ansonsten dürften die 0°C-Marke nicht oder nur ganz kurz und ganz
wenig überschritten werden. Und warum erzählt der Hoffmann uns das alles? - Nun,
die thermische Entwicklung in der unteren Troposphäre bestimmt in hohem Maße den
Verlauf der Schneefallgrenze. Die wird - nachdem es anfangs zumindest teilweise
noch bis weit runter schneit - in der Nacht bei allgemein solider Durchmischung
vorübergehend auf 400 bis 800 m, ganz im Süden sogar auf rund 1000 m ansteigen.
Im Laufe der zweiten Nachthälfte sinkt sie mit finaler Tilgung der Warmluft
sowie dem Einfließen subpolarer Meeresluft (Rückgang T850 im Westen auf rund
-4°C) wieder auf 500 bis 300 m ab.

Stellt sich nun also die Frage, wie viel Schnee denn von heute Nacht bis morgen
Mittag so abgeladen wird. Spitzenreiter dürften die Süd- und Westsaulagen der
Mittelgebirge sein, die in einem vom Rothaargebirge bis hinüber nach Oberfranken
verlaufenden Korridor liegen. Konkret wären das (auf dem Zeitstrahl von links
nach rechts) das Sauerland, der Vogelsberg, die Rhön, der Thüringer Wald und
dann eher schon zum Sonntag hin das Fichtelgebirge mit Teilen der Fränkischen
Alb. Hier können oberhalb rund 600 m durchaus 10 bis 15 cm, lokal vielleicht
sogar bis zu 20 cm runterkommen. Ähnliche Größenordnungen dürfen im Schwarzwald
erwartet werden, dort allerdings wohl nur in Lagen oberhalb rund 1000 m.
Ansonsten stehen je nach Höhenlage Neuschneemengen von 1 bis 5 cm bzw. 5 bis 10
cm auf dem Zettel, wobei die geringen Schneefälle z.T. nur mit einer
Glättewarnung gewürdigt werden müssen (Schneematsch und gefrierende Nässe
inklusive).

Die zweite Baustelle neben dem Schneefall betrifft den Parameter Wind, der
insbesondere im Süden und Südwesten, mit Abstrichen aber auch in der Mitte
anzieht. Der anfangs aus Süd-Südost kommende, mit Frontdurchgang auf westliche
Richtungen drehende Wind erreicht in tiefen Lagen Spitzen der Stärke 7-8 Bft, in
freien und höheren Lagen teils 9 Bft, exponiert sogar 10 bis 12 Bft (wohl aber
nur im Hochschwarzwald sowie auf dem Blocksberg im Harz). Neben der
Gradientzunahme zeichnet auch eine Labilisierung der Luftmasse verantwortlich
für die Windzunahme, wobei besonders ein Low-Level-Jet im Süden und Südwesten
(wickelt sich um den Trog) ins Auge fällt. Auf 925 hPa stehen bis zu 40 Kt, auf
850 hPa bis zu 50 Kt in den Prognosen.
Im Norden konzentriert sich die warnwürdige Windzunahme auf den unmittelbaren
Küstensaum sowie das küstennahe Binnenland, wobei die Nord- gegenüber der Ostsee
klar in der Vorhand ist. Dort stehen Böen 7-8 Bft, auf Helgoland gar 9 Bft auf
dem Programm, während die Ostsee im Wesentlichen nur mit einigen steifen Böen 7
Bft vertreten ist (vor allem nach Westen hin).
Schnee und Wind/Sturm, wie sieht es da mit Verwehungen aus? Da der Schnee bis
z.T. in höhere Lagen in nasser respektive feuchter Form fällt, ist dieses Thema
nicht ganz so schwergewichtig. Trotzdem kann es in den höchsten Lagen oberhalb
etwa 800 bis 1000 m hier und da zu Behinderungen auf hochgelegenen Straßen
kommen.

Bliebe abschließend eigentlich nur noch die Temperatur, die im Süden und im
Osten sowie in der Mitte (Bergland) verbreitet in den Frostbereich absinkt (=>
Gefahr gefrierender Nässe), während es nach Westen und Nordwesten zu frostfrei
bleibt.

Sonntag ... schwenkt die Okklusion langsam ostwärts, wo sie in klassischer
Winkelwest-Manier gegen das russische Monumentalhoch ALEX anläuft. Während das
Zentraltief DOREEN I unter erheblichem Substanzverlust Schottland erreicht,
übernimmt das bereits in der Nacht über der Nordsee geborene Teiltief DOREEN III
die "Mutterrolle" (vom Baby zur Mutter binnen weniger Stunden - unmenschlich).
Zumindest in puncto Wind wird der große Wurf aber nicht mehr gelingen, weil
erstens das Tief zu schwach ist und zweitens kontinuierlicher Druckanstieg den
Gradienten immer mehr auffächern lässt. Kurzum, der anfangs gebietsweise noch
forsche und böige westliche Wind nimmt immer weiter ab, so dass ab dem
Nachmittag nur noch in einigen Hochlagen (östliche Mittelgebirge, Oberharz) Böen
7-8 Bft auf der Rechnung stehen.

Ansonsten sieht die Sache so aus, dass sich der o.e. Höhentrog von Westeuropa
her bis zum zentralen Mittelmeer ausdehnt, wo der Kontakt zu einem schon
bestehenden, von der Barentssee bis hinunter nach Libyen reichenden LW-Trog
aufnimmt. Deutschland gelangt mehr und mehr in den Innenbereich des gesamten
Trogkomplexes, in dem die Temperatur in der Höhe zwar immer weiter sinkt (T500
außer im Nordosten auf -30 bis -35°C), in dem aber auch nicht viel los ist mit
synoptischer Dynamik. Und da die postfrontal einfließende subpolare Meeresluft
(T850 um -5°C) ziemlich trocken ist (PPW unter 10 mm, spez. Grundschichtfeuchte
unter 5g/kg), nutzt auch die durchaus vorhandene Labilität nur bedingt was,
sprich, es entwickeln sich nur wenige, meist unergiebige Schnee- oder
Regenschauer.

Die Hauptniederschlagsaktivität bleibt somit auf die frontnahen Bereiche
konzentriert. Die entsprechenden Schnee- und Regenfälle verlagern sich ganz
langsam in den Osten und Südosten, wobei sich die Schneefallgrenze bei rund 400
m einpendelt. Vor allem am Morgen sowie später bei Südostwind auch im Osten kann
es weiter runter schneien, ohne dass daraus aber eine nennenswerte
Neuschneedecke resultiert (ganz dünn oder nur Matsch oder "bleibt nicht
liegen"). In höheren Lagen kommen über den Tag 1 bis 5 cm, in den östlichen und
südöstlichen Mittelgebirgen auch 5 bis 10 cm zusammen, die in den laufenden
Schneefallwarnungen aber meist schon eingepreist sind.

Die Temperatur erreicht rund +1°C in Vorpommern sowie am Fuße der östlichen und
südöstlichen Mittelgebirge und bis zu +7°C im Rheintal, an der Ems und in
Ostfriesland. Oberhalb 600 bis 800 m herrscht leichter Dauerfrost.

In der Nacht zum Montag steigt der Luftdruck weiter an und es entsteht eine
zunächst noch schwache Brücke, die ein Hoch knapp westlich der Iberischen
Halbinsel mit dem Hoch über Russland, noch mehr aber mit einem weiteren, sich
über Skandinavien etablierenden Hoch verbindet. Über dem Nordosten des
Vorhersageraums allerdings bleibt zunächst noch eine von der Nordsee bis nach
Polen reichende Rinne übrig, in der die alternde Okklusion wie ein Schluck
Wasser in der Kurve hängt. Sie kann weder vor noch zurück, also lädt sie ihren
Restniederschlag vor Ort ab, was grob in den Regionen zwischen Ostsee und
Erzgebirge der Fall ist. Je nach genauer Exposition der Rinne (und davon
abhängig der Windrichtung) kann die Schneefallgrenze variieren. Auf der
Vorderseite kann es bei Ost-Südostwind durchaus bis ganz runter schneien,
während sonst rund 400 m anzusetzen sind. Die apostrophierte Neuschneemenge
dürfte zwischen 1 und 5 cm liegen.
Etwas Schnee fällt auch noch am Alpenrand (meist unter 5 cm), während sonst die
ohnehin nicht überambitionierte Schaueraktivität nachlässt.

Darüber hinaus kann sich im Falle etwas längeren Aufklarens in der Mitte und im
Südwesten Nebel bilden. Die Temperatur sinkt verbreitet auf Werte zwischen 0 und
-5°C, lediglich im Norden und Osten bleibt es unter starker Bewölkung frostfrei.
Dort, wo noch Restnässe vom Tag vorhanden ist, muss mit gefrierender Nässe
gerechnet werden.

Montag ... schiebt sich von Westen her ein ausladender Höhenrücken dichter an
den Vorhersageraum heran. Am Mittag reicht seine Achse auf 500 hPa von Portugal
über Skandinavien hinweg bis hoch nach Spitzbergen. Auf seiner Vorderseite nimmt
das Absinken zu, was von oben her zu einer beginnenden Abtrocknung der maritimen
Luftmasse führt. Außerdem steigt der Luftdruck weiter an, was der Kräftigung der
Hochdruckbrücke sehr förderlich ist. Reduziert auf NN geht´s hoch auf etwas über
1020 hPa und das bedeutet, dass wir uns klar auf Wetterberuhigungskurs befinden.


Wettertechnisch bedeutet das für weite Landesteile einen niederschlagsfreien
Wochenstart. Insbesondere im Westen steigen dabei die Chancen für Auflockerungen
oder sogar sonnige Abschnitte. Und auch der äußerste Nordosten könnte von dem
sich etwas südwärts ausdehnenden Hoch in Form einiger Auflockerungen
profitieren. Die Krux dabei: Noch immer hängen in Teilen Nord- und
Ostdeutschlands die Reste der o.e. Okklusion rum, deren Wetterwirksamkeit zwar
weiter abnimmt, die aber immer noch für dichte Wolken gut ist. Wo diese sich
genau ausbreiten, ist nicht sicher. Auf alle Fälle können aus diesen Wolken ein
paar Flocken oder etwas Nieselregen fallen und im Erzgebirge reicht es
vielleicht sogar für 1 bis 5 weitere Zentimeter Schnee. Gleiches gilt für die
ost-südostbayerischen Mittelgebirge sowie den (östlichen) Alpenrand, wo zum
einen ein Randtrog des Cut-Off-Tiefs über dem zentralen Mittelmeer leichte
Wirkung zeigt und zum anderen etwas Stau im Spiel ist. In der alternden
subpolaren Meeresluft werden Tageshöchsttemperaturen zwischen 0 und 6°C mit den
höchsten Werten am Niederrhein erreicht.

In der Nacht zum Dienstag kippt der Rücken von Nordwesten im Uhrzeigersinn zu
uns rein. Der Luftdruck steigt und steigt, bis am Morgen verbreitet über 1030
hPa auf dem Barometer stehen. Im Südosten fallen noch ein paar Flocken
(Erzgebirge, Thüringer Wald, fränkische und ostbayerische Mittelgebirge
östlicher Alpenrand), sonst herrscht Ebbe beim Niederschlag. Teilweise lockert
die Wolkendecke auf, gebietsweise bildet sich Nebel. Vom direkten Nordseeumfeld
abgesehen (etwas über 0°C) kühlt es auf 0 bis -6°C, im Süden bei Aufklaren und
vorhandener Schneedecke auf rund -10°C ab. Die Glättegefahr nimmt gegenüber den
Vornächten ab, gleichwohl heiße es aufgepasst, denn auch Reif oder gefrierende
Nässe können tückisch sein.

Dienstag ... bestimmt weiterhin die von Südwesteuropa respektive der Biskaya bis
hoch nach NW-Russland reichende Hochdruckzone das Geschehen vor Ort. Zwar nähert
sich vom NO-Atlantik die Frontalzone etwas an, ein vorgeschaltetes
okkludierendes Frontensystem bekommt aber keinen Zugriff auf den Vorhersageraum.
Lediglich die Nordsee und das angrenzende küstennahe Binnenland werden von
mehrschichtiger Bewölkung traktiert, Niederschlag fällt aber nicht oder nur
marginal.

Ansonsten ist das Wetter grenzschichtbestimmt, meint, teilweise hält sich
ganztägig hochnebelartige Bewölkung bzw. bleibt es über weite Strecken neblig
trüb. Teilweise zeigt sich aber auch die Sonne, wobei Stand heute NRW und der
Osten (Sachsen bis Vorpommern) die besten Karten auf die höchste Ausbeute haben.
Allerdings ist bei Nebel- und Hochnebellotterien schon so manch optimistische
Prognose zerschreddert worden, also ist noch etwas Vorsicht geboten. Fakt ist,
dass weder der Wind noch der Niederschlag sonderlich auf sich aufmerksam machen
werden. Die Höchsttemperatur liegt zwischen 1 und 6°C, bei zähem Nebel und im
höheren Bergland leichter Dauerfrost.


Modellvergleich und -einschätzung
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Es ist alles gesagt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann