DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

07-01-2022 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 07.01.2022 um 10.30 UTC



Nach unbeständigem Wochenende Wetterberuhigung und vorübergehend BM (Brücke
Mitteleuropa. Zum Ende hin Übergang in NWa/z (Nordwest antizyklonal bis
zyklonal)
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Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 14.01.2022


Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Montag befindet
sich Deutschland im Übergangsbereich eines umfangreichen Höhenrückens, der sich
von Südwesteuropa bis zum Nordpolarmeer erstreckt. Auf der anderen Seite reicht
ein abgetropfter Höhentrog von Nordwestrussland bis hinunter zum zentralen
Mittelmeer, wo sich ein hochreichendes Tief befindet. Dieses ist Bestandteil
eines lupenreinen Viererdruckfelds, das frontolytisch aufgestellt ist. So findet
sich der Antipode zum Mittelmeertief über der Irminger See bzw. der
Dänemarkstraße (kernige 960 hPa oder weniger im Kern), während die beiden Hochs
ihre Zentren über dem Bottnischen Meerbusen sowie unweit der Iberischen
Halbinsel haben. Kontinuierlicher Druckanstieg zeigt, in welche Richtung bei uns
der Hase läuft. So baut sich eine robuste Brücke auf, die die beiden Hochzentren
verbindet und in der die zuvor eingeflossene subpolare Meeresluft (T850 um -5°C)
zur Ruhe kommt.

Bis zur Wochenmitte wandert der nördliche Teil des Rückens ostwärts bis nach
Russland. Das gibt der Frontalzone die Chance, sich vom mittleren Nordatlantik
bis nach Fennoskandien auszuweiten. Gleichzeitig kommt sie, wenn auch nur in
infinitesimal kleinen Schritten, etwas nach Süden voran. Das wird - zunächst
zumindest - aber nicht reichen, die Blockade über Mitteleuropa zu brechen.
Einzig der äußerste Norden und Nordwesten werden im Laufe des Dienstags von
einem okkludierenden Frontensystem mit etwas Regen gestört. Bereits am Mittwoch
löst sich das System auf seinem beschwerlichen Weg nach Süd-Südost auf, noch
bevor es den zentralen Mittelgebirgsraum erreicht hat.

Ab Donnerstag beginnt die Hochdruckzone sich in seinem Ostteil allmählich
abzubauen. Das südwestliche, hochreichende "Mutterhoch" hat sich mittlerweile
mit etwas über 1040 hPa knapp südwestlich von UK/Irland positioniert, von wo aus
ein veritabler Keil (Boden und Höhe) zonal bis zum östlichen Mitteleuropa
gerichtet ist. Dieser wird nun zunehmend von der Frontalzone attackiert, die
sich von Skandinavien her immer weiter südostwärts ausdehnt. Dadurch beginnt die
Achse des Keils nicht nur im Uhrzeigersinn langsam zu kippen, sie wird außerdem
peu a peu nach Südwesten abgedrängt. Deutschland gelangt somit in eine recht
lebhafte, anfangs noch leicht antizyklonale, später eher zyklonale
West-Nordwestströmung. Mit ihr wird zunächst recht milde Meeresluft ohne
nennenswerten Niederschlag advehiert (T850 am Donnerstag 24 UTC +3 bis +6°C).
Das könnte sich aber ab Freitag ändern, wenn die Strömung deutlich rechtdreht
und eine Kaltfront von Skandinavien übergreift, die ein frischen Schwall
Polarluft heranführt (T850 am Freitag 24 UTC -2 bis -6°C). Ob sich die neue
Luftmasse am Wochenende (Achtung, erweiterte Mittelfrist) in Deutschland
zyklonal mit Schnee vielleicht bis in tiefe Lagen bemerkbar macht oder das
weiterhin bei UK/Irland liegende Hoch verstärkte Einflussnahme anmeldet, bleibt
abzuwarten.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Zu Beginn der Mittelfrist am kommenden Montag sieht die Konsistenz des IFS
(ECMF) noch gut aus. Das ändert sich allerdings bereits zum Dienstag/Mittwoch.
Während in den gestrigen Läufen noch ein okkludierendes Frontensystem mit Regen-
und Schneefällen von Nordwest nach Südost durchgerutscht ist wie das heiße
Messer durch die Butter, zeigt die heutige 00-UTC-Version wie oben beschrieben
eine Blockierung (markante Hochdruckzone über Mitteleuropa) respektive ein
Auflösen der Fronten über Nord-Nordwestdeutschland. Neben deutlich weniger
Niederschlag und weniger Wind dürften durch den ausbleibenden Luftmassenwechsel
auch die Temperaturen etwas niedriger bleiben (alternde Meereskaltluft).
In der zweiten Wochenhälfte nähern sich die Modellläufe wieder an, wobei der
Großwetterlagentypus NWa/z (Mittelding von Nordwest antizyklonal zu zyklonal)
angesteuert wird. Ob dabei zum nächsten Wochenende hin noch mal eine "echte"
Kaltfrontpassage von Nordeuropa herausspringt, ist möglich aber keinesfalls
sicher.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Im Großen und Ganzen tendieren die bekannten Globalmodelle (ICON, GFS, GEM,
UKMO) in die gleiche Richtung wie IFS, zumindest was die Grundmuster angeht. Das
bedeutet umgekehrt aber nicht, dass die Vorhersagen kongruent und somit sicher
sind. Zwei Dinge fallen auf:

ICON von 00 UTC ist der einzige Lauf, der das Frontensystem und Niederschlag am
Dienstag/Mittwoch noch südostwärts durchgehen lässt, wenn auch unter permanenter
Abschwächung. Der taufrisch erschienene 06-UTC-Lauf bremst diese Entwicklung aus
und passt sich den externen Lösungen an, die somit auch die wahrscheinlichste
Variante darstellen (wenig oder kein Niederschlag im äußersten
Norden/Nordwesten, sonst unter Hochdruckeinfluss meist trocken).

GFS und UKMO setzen auf eine besonders kräftig ausgeprägte Hochdruckzone
(-brücke) mit starker Blockadewirkung (zeitweise um 1045 hPa), die bis Freitag
oder noch darüber hinaus andauern könnte. ICON und GEM sind eher auf der Schiene
von IFS.

FAZIT: Eine komplette Frontpassage von Nordwest nach Südost am Dienstag/Mittwoch
scheint auf Basis deterministischer Prognosen unwahrscheinlich. Unsicher derzeit
noch die Entwicklung in der zweiten Wochenhälfte.

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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Schließt sich die Frage an, wie die deterministischen Vorhersagen von ihren
Ensembles gestützt werden oder eben auch nicht. GFS-EPS weist diesbezüglich eine
hohe Modelltreue auf (Ensemblemittel dicht bei Modelllösung, relativ geringe
Streuung), was für eine starke Hochdruckzone spricht.

Bei IFS-EPS geht der Blick zunächst auf die Rauchfahnen verschiedener deutscher
Städte. Da lässt sich konstatieren, dass die Ensembles mehrheitlich die
"Nicht-Passage" des Frontensystems am Dienstag/Mittwoch gut finden, nur wenige
Mitglieder halten noch am alten Szenario fest (schwache RR-Signale, leicht nach
unten abweichendes Potenzial 500 hPa). Hinsichtlich der weiteren Entwicklung ab
Donnerstag fällt auf, dass es der Haupt- und Kontrolllauf besonders eilig haben
mit Potenzialabbau und Temperaturrückgang. Der bis Samstag durchaus erkennbare
Median verläuft jedenfalls weniger steil nach unten, aber eben nach unten. Das
spricht dafür, dass die Hochdruckzone langsamer nach Südwesten zurückweicht als
vom Modell gerechnet, was quasi ein Mittelweg zwischen GFS und IFS darstellt.

CLUSTER:
Für den Zeitraum von Mittwoch bis Freitag (T+120...168h) werden vier verschiedene
Cluster angeboten, die sich inhomogen in den zwei Klimaszenarien "Blockierung"
bzw. "Atlantischer Rücken" bewegen. Letztlich ist aber bei allen Clustern das
Muster über Mitteleuropa ähnlich (kräftiger zonaler Höhenkeil mit
korrespondierender Bodenhochdruckzone). Wie schon aus der Interpretation der
Rauchfahnen zu erahnen ist, erfolgt der Abbau zum Ende des Prognosezeitraums
unterschiedlich schnell. Am progressivsten ist CL 2 aufgestellt (17 Fälle + KL),
während CL 4 (nur 7 Mitglieder) die resistenteste Variante anbietet. Der HL ist
CL 1 (19 Fälle) zugeordnet, der den Abbau etwas langsamer und auch nicht ganz so
zyklonal simuliert wie CL 2. Letztlich zeigt das aber nur, dass diesbezüglich
die Messen noch nicht final gelesen sind.
Das trifft übrigens auch für den weiteren Werdegang von Samstag bis Montag zu
(T+192...240h), wo sich die Clusteranzahl auf drei reduziert. Alle setzen auf das
Regime "Atlantischer Rücken", das allerdings in unterschiedlicher Ausprägung.

CL 1 (25 Fälle + HL/KL): Indifferente nordwestliche Höhenströmung mit
antizyklonalem Einschlag im Südwesten.

CL 2 (17 Fälle): Schwach ausgeprägter Rücken => stärkere Zonalisierung bei uns.

CL 3 (9 Fälle): Ausweitung des Höhentrogs von Osten her => insgesamt
zyklonaleres Strömungsregime im Vorhersageraum als in CL 1.

FAZIT: Auch probabilistisch spricht nur noch wenig für die Frontpassage am
Dienstag/Mittwoch. Der Abbau der mitteleuropäischen Hochdruckzone danach könnte
verzögerter erfolgen als vom Hauptlauf avisiert.

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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Allzu viel Markantes lässt sich aus den beschriebenen Abläufen nicht
herausholen. Ab Montag stehen für mehrere Tage keine nennenswerten
Niederschlagsprozesse auf der Karte und auch der Wind dürfte vergleichsweise
gesittet übers Land wehen. Zwar nimmt der Gradient ab Mittwoch von der See her
kontinuierlich zu (auch wenn wir noch nicht wissen, wie schnell), stürmischen
Böen 8 Bft und mit geringer Wahrscheinlichkeit auch Sturmböen 9 Bft aus
westlichen Richtungen dürften sich im Wesentlichen auf den Küstenraum sowie
einige exponierte Hochlagen beschränken.
Dass die nächtliche Temperatur in der Hochdruckzone im äußersten Süden mal auf
-10°C oder darunter sinkt (insbesondere über Schnee) und damit den Tatbestand
des strengen Frostes erfüllt, geschenkt. Immerhin haben wir Januar...
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS und Modellmix.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann