DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-09-2016 23:00
SXEU31 DWAV 151800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 15.09.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nachts von Südwesten einzelne Schauer und Gewitter, dabei Starkregen möglich. Am
Freitag ostwärts ausweitend, ab abends im Südosten Dauerregen, dabei Unwetter
wahrscheinlich, extremes Unwetter möglich.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... befinden sich weite Teile Deutschlands noch im Einflussbereich eines
Höhenrückens, der sich vom Balkan über Polen bis nach Südnorwegen erstreckt und
sich im Laufe der Nacht kaum nach Osten verlagert, stattdessen ein wenig
nordwärts aufwölbt.
Im Südwesten flankiert wird dieser Rücken von einem Höhentief über der
Südwestbiskaya, das im Laufe der Nacht ein wenig nach Osten, bis nach
Zentralfrankreich vorankommt.
Somit nimmt das Geopotenzialfeld über dem Vorhersagegebiet unter langsamen
Potenzialabfall eine zunehmend zyklonale Struktur an. Ein nur sehr flach
ausgeprägter kurzwelliger Randtrog verlagert sich dabei im Laufe der Nacht über
die Westhälfte und die Mitte des Landes hinweg nordwärts. Die trogvorderseitige
Hebung fällt allerdings nicht allzu üppig aus.
Im Bodenfeld erstreckt sich eine flache Tiefdruckrinne - ausgehend von
Südengland - über Belgien, Westdeutschland bis nach Südostbayern. In ihr
befindet sich eine potenziell instabile Luftmasse, innerhalb derer es mangels
Hebung bisher kaum zur Auslöse gelangt hat.
Einen markanteren Hebungsantrieb liefert allerdings der oben beschriebene
Kurzwellentrog, der am Boden mit der Kaltfront eines Richtung Südengland
ziehenden Bodentiefs korrespondiert. Unmittelbar vorderseitig der Kaltfront hat
sich ein schmales Regenband entwickelt, das in der kommenden Nacht den Westen
und Südwesten Deutschlands nordostwärts überquert und etwa bis zu einer Linie
Emsland - Thüringer Becken - Alpenrand vorankommt. Konvektive Einlagerungen sind
mangels Labilität dabei nur ganz vereinzelt zu erwarten, wenngleich nicht
ausgeschlossen. Bei PPW-Werten über 30 mm kann es dabei lokal eng begrenzt
markanten Starkregen (um 20 mm/h) geben. Rückseitig des Regengebietes lockern
die Wolken im Südwesten wieder auf, dabei kann sich stellenweise Nebel bilden,
vor allem dort, wo es vorher geregnet hat.
Im Nordosten und Osten dominiert dagegen noch der Einfluss des Bodenhochs über
Weißrussland, das sich aber zunehmend abschwächt. Dort steht eine ruhige Nacht
ins Haus. Die Nebelneigung bleibt aufgrund des kontinentalen Charakters der
Luftmasse eher gering.

Freitag ... wird das Höhentief vorübergehend Bestandteil eines vom
Nordostatlantik nach Westeuropa vorstoßenden Langwellentroges. Aufgrund der
Blockadewirkung des sich nach wie vor vom Balkan über Polen bis nach
Nordskandinavien erstreckenden Höhenrückens kommt dieser aber nur wenig nach
Osten voran und neigt erneut dazu, über dem Ärmelkanal und abends auch über dem
Westalpenraum auszutropfen.
Im Bodenfeld verlagert sich die Tiefdruckrinne allmählich weiter nordostwärts
und verläuft am Abend in etwa von Ostholstein bis zur Neiße, verliert aber mehr
und mehr an Kontur. Die "Hauptmusik" spielt aufgrund der präfrontalen Hebung
weiterhin eher zwischen Rinne und Kaltfront, die ihr unmittelbar folgt. Die
simulierte ML-Cape beträgt allerdings meist weniger als 500 J/kg, lediglich das
WRF 4 km hat etwas höhere Werte auf der Karte, das alles bei nach wie vor hohen
PPW-Werten bis über 30 mm. Somit sind von Schleswig-Holstein bis zum Vogtland
bzw. zum Erzgebirge sowie im Osten Bayerns erneut Schauer und Gewitter denkbar,
die vor allem mit fortschreitender Tageszeit auch wieder von Starkregen,
kleinkörnigem Hagel und stürmischen Böen begleitet werden können. Unwetterartige
Entwicklungen sind mangels Cape und Hebung eher unwahrscheinlich. ICON-EU
simuliert die höchsten Mengen - ähnlich wie ECMWF von 00 UTC - im Vogtland mit
knapp über 10 mm in 12 Stunden, COSMO_EU hat deutlich geringere Mengen in petto.

Der äußerste Osten und Nordosten verbleiben noch im Einflussbereich der von
Osten einströmenden trockenen Festlandsluft. Dort bleibt es trocken und häufig
scheint auch die Sonne.
Rückseitig der Kaltfront gelangt subpolare Meeresluft in den Westen und
Südwesten des Landes, die bis in etwa 600 bis 500 hPa leicht labil geschichtet
ist. Schauer oder kurze Gewitter dürften sich nur vereinzelt bilden, markante
Entwicklungen sind dabei höchstens ganz vereinzelt zu erwarten.
Mit dem beginnenden Abtropfprozess über dem Westalpenraum und der damit
einhergehenden Zyklogenese über Oberitalien wird ab den späten Nachmittags- und
Abendstunden im Süden Bayerns verstärkt Hebung simuliert. Somit ist dort im
Nachmittagsverlauf mit einer Zunahme der Schauer- und Gewittertätigkeit zu
rechnen. Bis zum Abend werden vor allem im Allgäu gebietsweise auch mehr als 10
mm in sechs Stunden simuliert.
Die Sonne zeigt sich am längsten noch im Nordosten, dort können auch noch einmal
Höchstwerte zwischen 23 und 27 Grad erreicht werden. Ansonsten steigen die
Temperaturen in der einströmenden erwärmten Meeresluft auf 18 bis 24 Grad.

In der Nacht zum Samstag zieht das Cut-Off-Tief vom Ärmelkanal südwärts, wobei
sich ein Dipol ausbildet mit Drehzentren über Belgien und dem Zentralmassiv. Das
weitere Cut-Off-Tief über dem Westalpenraum verlagert sich bis Samstagfrüh nach
Ostbayern. An dessen Nord- und Westflanke führen PVA in Verbindung mit
herumgeholter Warmluft zu markanter Hebung.
Im Bodenfeld kommt es dadurch zu einer kräftigen Zyklogenese im Lee der Alpen
über Tschechien und Ostbayern. ICON-Nest und COSMO_EU simulieren am Samstag, 06
UTC ein Bodentief über dem ostbayerischen Mittelgebirgsraum mit einem Kerndruck
von etwa 1006 hPa. An dessen Westflanke kommt es zu ergiebigen, teils konvektiv
durchsetzten Niederschlägen. Beide Modelle simulieren im Zeitraum 18 bis 06 UTC
im Süden und Osten Bayerns verbreitet Mengen über 50 mm (Unwetter), gebietsweise
sogar zwischen 70 und 110 mm (extremes Unwetter), COSMO_EU lässt die ergiebigen
Regenfälle auch noch auf Thüringen übergreifen. Auch die probabilistischen
Verfahren springen mehr und mehr auf die Unwetterschiene. COSMO-LEPS von 00 UTC
hat ebenfalls vor allem in Mittelbayern und im Allgäu recht hohe
Wahrscheinlichkeiten für mehr als 40 mm/12 h und punktuell sogar 25 bis 30 % für
mehr als 70 mm auf der Karte, ECMWF-EPS zeigt die höchsten Wahrscheinlichkeiten
für Unwetter am Alpenrand.
Mit Annäherung des Bodentiefs verschärft sich der Druckgradient über
Süddeutschland deutlich. COSMO_EU simuliert in Bayern bis in die Niederungen
starke bis stürmische Böen (Bft. 7 bis 8) aus Nordwest bis West, auf den Gipfeln
der Mittelgebirge und der Alpen kann es auch Sturm- oder gar schwere Sturmböen
geben (Bft. 9 bis 10).
Der neue GFS-Lauf von 12 UTC simuliert eher eine VB-Tiefentwicklung und lässt
das Bodentief bis Samstag, 06 UTC nach Südostösterreich ziehen. Somit werden die
höchsten Mengen nach GFS - ähnlich wie beim ECMWF-EPS - am Alpenrand und im
Vorland simuliert - ebenfalls mit Mengen bis über die Unwetterschwelle hinaus.
Die Tiefdruckrinne über dem Nordosten Deutschlands ist als solche zwar kaum mehr
erkennbar, dennoch bleibt das konvergente Windfeld erhalten. Mit der
Westverlagerung des Bodentiefs kommt sie ebenfalls ein wenig nach Westen voran.
In ihrem Einflussbereich bzw. an ihrem Südwestrand gibt es nach wie vor
schauerartige Regenfälle, die sich aufgrund der von Süden her verstärkten Hebung
noch etwas intensivieren. ICON-EU und GFS simulieren Mengen zwischen 5 und 10
mm, gebietsweise darüber, COSMO_EU allgemein weniger. Vereinzelt können kurze
Gewitter darin eingelagert sein.
Außen vor von dieser Entwicklung bleiben der äußerste Nordosten und Osten, wohin
immer noch trockene Festlandsluft gelangt, und auch der Westen, der sich
zwischen den beiden Cut-Off-Tiefs im synoptischen "Niemandsland" befindet. Dort
lockern die Wolken auf und stellenweise kann sich Nebel bilden.

Samstag ... bleiben die beiden Cut-Off-Tiefs als neuer Dipol erhalten, wobei
eine Rotation einsetzt, deren Drehpunkt in etwa über den Schweizer Alpen liegt.
Zum 18 UTC- Termin befindet sich der westliche Dipol über Südfrankreich, der
östliche über dem Westen Tschechiens. Nach wie vor kommt es an dessen Nord- und
Westflanke zu markanten Hebungs- und Aufgleitprozessen, die sich über Nordbayern
noch nach Westen ausweiten.
Das Bodentief verlagert sich nur wenig nordnordostwärts und beginnt sich am
Nachmittag allmählich abzuschwächen. Der scharfe Druckgradient in seinem
Einflussbereich bleibt noch erhalten, so dass es in der Südhälfte bis in die
mittleren Landesteile starke, in freien Lagen auch stürmische Böen geben kann,
auch an der Nordflanke des Tiefs frischt der Wind mit starken Böen aus Ost bis
Nordost im Ostseeumfeld auf. Auf exponierten Gipfeln sind nach wie vor
Sturmböen, im ostbayerischen Bergland auch schwere Sturmböen geben. Erst zum
Abend hin schwächt sich der Wind allmählich ab.
Die nach wie vor ergiebigen und teils auch schauerartig verstärkten
Niederschläge an der Westflanke des Tiefs weiten sich vor allem über Nordbayern
allmählich westwärts und auch ein wenig nach Norden aus und lassen zumindest im
südwestlichen Bayern im Tagesverlauf zögernd nach. COSMO_EU und ICON-Nest
simulieren nach wie vor verbreitet unwetterartige Mengen über 40 mm in 12
Stunden, vor allem in Ober- und Unterfranken auch mehr als 70 mm in 12 Stunden
(extremes Unwetter). Vor allem COSMO_EU lässt die unwetterartigen Regenfälle
sogar bis nach Südhessen und ins östliche Rheinland-Pfalz ausweiten, nach beiden
Modellen wäre auch - wie beim ECMWF-Lauf von 00 UTC - Thüringen betroffen.
Nach wie vor hat GFS eine leicht abweichende Lösung auf der Karte, nach der das
Tief weiter östlich bleibt und sich die stärkste Niederschlagstätigkeit mit
Mengen, die ebenfalls in den Unwetterbereich reichen, über Ost- und Südostbayern
abspielt.
COSMO-LEPS zeigt die höchsten Wahrscheinlichkeiten für mehr als 40 mm/12 h über
Mittelfranken und der Oberpfalz sowie am östlichen Alpenrand, basiert allerdings
noch auf die 00 UTC-Läufe, die durchwegs noch eine östlichere Lösung
präferierten.
In der Nordhälfte bleibt es überwiegend trocken du vor allem an den Küsten
scheint auch mal die Sonne. Auch im Südwesten und äußersten Westen sollte sich
die Schauer- und Gewittertätigkeit mangels Labilität in Grenzen halten.
Die Höchstwerte im Norden - je nach Sonne - zwischen 20 und 25 Grad, sonst
zwischen 17 und 22 Grad, bei Dauerregen werden kaum 15 Grad erreicht.

In der Nacht zum Sonntag verlagert sich der südwestliche Dipol nur noch wenig
Richtung Löwengolf, der Dipol über Tschechien bleibt fast quasistationär.
Insgesamt schwächt sich das System ein wenig ab und ist nicht mehr so scharf
zyklonal konturiert, so dass auch die Hebungsprozesse abklingen.
Das Bodentief füllt sich über dem Osten Tschechiens bzw. über Nordostbayern
allmählich etwas auf. Die Intensität der Niederschläge lässt nach Lesart aller
vorliegenden Modelle deutlich nach, wobei sie sich gleichzeitig noch etwas nach
Südwesten ausweiten. Lediglich punktuell werden noch markante Mengen simuliert
(ICON-Nest im Rhein-Maingebiet, COSMO_EU an der Neiße, GFS in Südbayern und
SE-Baden-Württemberg).
Der Wind lässt ebenfalls nach, anfangs gibt es im Süden und an der Ostsee noch
starke Böen, auf den Bergen vereinzelt Sturmböen.
In der Nordhälfte verläuft die Nacht ansonsten ruhig und warnfrei, nur ganz
vereinzelt kann sich Nebel bilden.

Sonntag ... schwächt sich der nördliche Dipol des Höhentiefkomplexes über
Südostdeutschland weiter ab. Das Bodentief bleibt quasistationär in etwa über
Nordostbayern und zeigt kaum eine Intensitätsänderung. An dessen Nord- und
Westflanke kommt es weiterhin zu Aufgleitprozessen, die sich im Großen und
Ganzen aber weiter abschwächen. Insgesamt weiten sich die Niederschläge
zumindest nach Lesart von COSMO-EU und ICON-Nest, im Gegensatz zum GFS, noch ein
wenig nach Norden aus, markante Regenmengen werden aber keine mehr simuliert
(maximal 10 bis 20 mm, nach ICON in Hessen und Rheinland-Pfalz sowie in
Südbayern, Nach COSMO-EU eher in Baden-Württemberg).
Der Wind weht vor allem an der Nordflanke des Tiefs noch lebhaft aus Ost bis
Nordost. Dabei können im Ostseeumfeld starke Böen (Bft. 7) auftreten.
Ansonsten steht ein warntechnisch ruhiger Tag ins Haus. Die Sonne dürfte sich am
häufigsten in der Nordhälfte zeigen. Die Höchstwerte liegen zwischen 17 und 22
Grad, bei Dauerregen bleibt es kühler.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle weisen bis Freitag eine ähnliche Wetterentwicklung auf,
prognoserelevante Unterschiede sind nur wenige auszumachen.
Leicht unterschiedliche Lösungen ergeben sich dann bzgl. des Abtropfprozesses
und der Tiefdruckentwicklung über Tschechien in der Nacht zum und am Samstag.
Auf diese Unterschiede wurde im Text bereits eingegangen.
Da sämtliche vorliegende Modelle für weite Teile Ost- und Südbayerns ab
Freitagabend unwetterartige Regenmengen simulieren und auch die Probabilistik
inzwischen darauf anspringt, wurde für diese Regionen bereits eine
Vorabinformation vor Dauerregen ausgegeben.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff