DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-01-2022 09:01
SXEU31 DWAV 020800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 02.01.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Wa

Verbreitet Windböen, teils Sturmböen, exponierte Gipfel orkanartige Böen. Ab der
kommenden Nacht gebietsweise Gewitter mit Sturmböen. Ab Dienstag deutlich
kälter, dabei in der Südwesthälfte verbreitet regnerisch, in Staulagen
Dauerregen.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... befindet sich Deutschland rückseitig eines Langwellentroges in 500
hPa, wobei die Höhenströmung anfangs noch eine südwestliche ist, später aber
zunehmend auf West bis Südwest dreht. Schuld daran ist ein Langwellentrog über
dem Nordwestatlantik mit zwei Zentren, dem schwächeren nordwestlich der
Britischen Inseln und dem stärkeren östlich bzw. nordöstlich von Island. Da die
Haupttrogachse noch weit draußen auf dem Atlantik liegt, glättet die
Höhenströmung im Laufe des Tages zunehmend durch. Dabei wird kältere Luft
herangeführt, die -25°C-Isotherme kommt bis zum Abend etwa bis zur Eifel und zur
Altmark voran. Im Bodendruckfeld korrespondieren mit den beiden Höhentiefs zwei
Tiefkerne, die das Zentrum bzw. die Zentren eines großräumigen Tiefkomplexes
über dem Nordatlantik bilden. An der Südflanke dieses Komplexes gelangt
Deutschland zunehmend in den Bereich einer lebhaften südwestlichen Strömung.
Somit frischt der Wind im Tagesverlauf von Westen her auf, im Norden und in der
Mitte reicht es bis ins Flachland herunter für steife Böen Bft 7, Sturmböen Bft
8-9 werden vor allem in exponierten Lagen, im Nordwesten aber auch bis ins
Flachland zu erwarten sein. Im Süden sind nur die Hochlagen von Wind- und
Sturmböen betroffen. Das Temperaturniveau sinkt allmählich, während die 850er
Temperaturen aktuell noch in einer Spanne von 4 bis 11°C liegen, bewegen sie
sich am Abend zwischen null und 7°C, jeweils von Nord nach Süd betrachtet. Das
sollte für Höchstwerte zwischen 9 und 15°C reichen, im Voralpenland ist bei
leicht föhniger Überströmung der Alpen (und Sturmböen auf den Alpengipfeln
vielleicht noch etwas mehr drin. Dazu fällt im Norden an einer schleifenden
Front etwas Regen, der durch einen flachen Bodentrog vorübergehend etwas
intensiviert wird. Durch die einfließende Höhenkaltluft und die damit
einhergehende Labilisierung der Schichtung nimmt der Regen im Tagesverlauf mehr
und mehr Schauercharakter an, auch im Westen und Nordwesten kommt es im
Tagesverlauf zu Schauern (Gewitter nicht gänzlich ausgeschlossen, aber
unwahrscheinlich), die beim beschriebenen Temperaturniveau aber durchweg als
Regen fallen.

In der Nacht zum Montag bleibt die Grundkonstellation der westlichen bis
west-südwestlichen Strömung erhalten, was sowohl für die Höhe (500 hPa) als auch
für die niedere Troposphäre gilt. Markant innerhalb dieser Strömung ist ein
eingelagerter Kurzwellentrog. Seine Achse erreicht in der Höhe zum Datumswechsel
den äußersten Westen, am Boden hat er zu diesem Zeitpunkt schon auf den Westen
unseres Landes übergegriffen. Zum Morgen zieht der Kurzwellentrog dann schon
wieder nach Polen ab. Der vertikale Temperaturgradient im Bereich des Troges ist
mit etwa 1°C in 850 hPa und bis zu -28°C in 500 hPa beachtlich (Lapse Rates
kleiner -0,7 K/100m), dazu kommt Hebung aus der Konvergenz der Strömung. In der
Folge reicht es am Trog für einzelne Gewitter, die in der Nacht von West nach
Ost über die Mitte ziehen, was aber nicht heißt, dass nicht auch im Norden
einzelne Gewitter auftreten können. Da im Bereich des Troges die Höhenwinde eine
Größenordnung von 50 kt erreichen, sind in eventuellen kräftigen Schauern und
Gewittern auch Sturmböen zu erwarten, einzelne Schwere Sturmböen können nicht
ausgeschlossen werden. Aber durch den scharfen Gradienten auch der Grundwind hat
durchaus einiges zu bieten. Von Westen und Südwesten greift ein Starkwindfeld in
die Mitte und später in den Osten aus. Mit diesem sind verbreitet Wind- und
einzelne stürmische Böen (Bft 7-8) bis in tiefe Lagen möglich, außerdem in den
Kamm- und Gipfellagen Sturm- und schwere Sturmböen bis 10 Bft, auf dem Brocken
wird es auch noch etwas mehr sein. Verglichen damit verhält sich der mäßige Wind
im Südosten, der nur einzelne steife Böen vorzuweisen hat, moderat, auch im
Norden kommt es zu einer vorübergehenden Windabschwächung, wobei anfangs an der
Ostsee noch Böen Bft 7 bis 8 das Maß der Dinge sind; zum Morgen nimmt der Wind
dann an der Nordsee wieder etwas zu. Zwar sinken die 850er Temperaturen in der
Nacht im Norden und in der Mitte unter null °C, und im Süden halten sie sich mit
null bis 2°C auch nur knapp im positiven Bereich, aber die kräftige
Durchmischung lässt Nachtfröste allenfalls noch in geschützten Alpentälern zu.
Ansonsten bewegen sich die Minima zwischen 10 und 3 Grad.

Montag... bleibt die Achse des Langwellentroges weiterhin auf dem Atlantik, auch
wenn sie sich etwas nach Osten bewegt. Zwischen ihr und dem nunmehr über
Osteuropa befindlichen Kurzwellentrog schiebt sich ein sehr flacher Rücken von
Westen her nach Deutschland herein, der einerseits ob seiner Strömung für etwas
Stabilität sorgt, der andererseits aber einen Schub Höhenkaltluft mit sich
führt. So zieht im Tagesverlauf über den Norden ein Kaltluftkörper mit unter
-30°C in 500 hPa, was natürlich die Labilität wieder erhöht. Ganz vereinzelt
wird etwas CAPE gerechnet, letztendlich sind einzelne Gewitter im Norden und der
Mitte nicht auszuschließen. Da der Wind in 850 hPa mit Geschwindigkeiten um 45
kt aber etwas moderater auftritt als noch am Vortag, sollte bei den Schauer- und
Gewitterböen bei Bft 9 Schluss sein. Bei alldem kann sich der Tiefkomplex vom
Nordatlantik her etwas nähern, was den Gradienten grundsätzlich auf einem
erhöhten Niveau hält. So ist der Vormittag in der Nordhälfte noch verbreitet für
Böen Bft 7 gut, Böen Bft 8 oder 9 gibt es noch auf den Bergen, an exponierten
Nordseeecken und anfangs im Osten. Auf exponierten Gipfeln (z.B. Brocken) ist
auch noch mehr drin. Der Nachmittag ist dann von einer Windabnahme geprägt, was
einem leichten Auffächern des Gradienten geschuldet ist. Dann ziehen sich die
Wind- und Sturmböen auf die Berge zurück.

In der Nacht zum Dienstag bekommt ein kleinräumiges Tief innerhalb des
Tiefkomplexes zunehmend Bedeutung, welches sich zu Beginn der Nacht an der
Westspitze der Bretagne aufhält und im Laufe der Nacht laut ICON nach
Westdeutschland zieht (IFS sieht es ausgangs der Nacht noch über
Nordfrankreich). Zwar verliert es im Laufe dieser Verlagerung laut ICON (nicht
aber nach IFS) seine Kernisobare und ist dann folglich nur noch ein Bodentrog,
allerding behält es seinen Wellencharakter. Das bedeutet kräftige Niederschläge,
die im Laufe der Nacht von Westen und Südwesten auf die Mitte und den Süden
ausgreifen. Dann ist Dauerregen in den Hochlagen der Südwesthälfte (und bis in
den Harz) ein Thema, entsprechende Signale finden sich nicht nur in der
Deterministik, sondern auch in den Ensembles, beispielsweise von ICON, IFS oder
auch bei COSMO-Leps. Aktuell drängt sich dabei ein etwa 24-stündiger Zeitraum
von der Nacht zum Dienstag bis zur Nacht zum Mittwoch auf, je nach Region und
exakter Entwicklung zukünftiger Modellläufe können aber auch andere Zeiträume
das Mittel der Wahl bei den Dauerregenwarnungen sein. Neben den Niederschlägen
stehen an der Welle bzw. an dem Tief auch wieder die Windböen im Fokus. Von
Südwesten zieht in der Nacht der Gradient an und entsprechend frischt der Wind
auf, so dass in höheren Lagen erneut Böen Bft 7-8 auftreten, vereinzelt auch
Böen Bft 9 auftreten. Auf den Schwarzwaldgipfeln kann es sogar für Bft 10-11
reichen - laut ICON deterministisch, aber auch nach MOSMIX. Etwas verhaltener
präsentiert sich IFS, was aber auch der bei diesem Modell langsameren
Verlagerung des Tiefs und damit dem verzögerten Eintreffen der Maximalböen
geschuldet ist. Mit der Welle steigen auch die 850er Temperaturen wieder, an den
Alpen erreichen sie ausgangs der Nacht Werte bis 7 Grad.

Dienstag... ist die Prognose noch von größeren Modellunsicherheiten geprägt.
Deutschland befindet sich aber weiterhin auf der Südflanke des nunmehr über
Skandinavien liegenden Tiefkomplexes und auf der Vorderseite des
Westeuropäischen Langwellentroges. Im Laufe des Tages wird die Kaltfront der
Welle bis zu den Alpen geführt, auf ihrer Rückseite folgt mit einem Bodentrog
ein weiterer Schwall Kaltluft, der bis zum Abend in den Nordwesten, in der Nacht
zum Mittwoch dann sogar bis in den Süden und Osten vorankommt. Da auf der
Nordflanke der Welle der Gradient weit aufgefächert ist, weht über dem Norden
der Wind am Tage schwach bis mäßig, erst in der Nacht zum Mittwoch frischt er
auch dort wieder auf, as ausgangs der Nacht an den Küsten Sturmböen bedeutet. Im
Süden ist die Frage, auf welches Pferd (ICON oder IFS - oder eines der anderen)
man setzt. Laut ICON springen bezüglich des Windes am Tage vor allem die
Hochlagen des Südens mit Wind- und Sturmböen (Schwarzwaldgipfel orkanartige
Böen) an (oder sind aus der Nacht zum Dienstag heraus schon angesprungen), in
der Nacht zum Mittwoch soll mit dem zweiten Kaltluftschub noch eine
Druckanstiegswelle durchlaufen, die aber erneut vor allem den Bergen Wind- und
Sturmböen bringt. Laut IFS dagegen frischt, durch das abgeschlossenen
kleinräumige Tief und den entsprechend scharfen Gradienten, der Wind von
Südwesten her großflächig und bis in die Tallagen auf, der dann als
großflächiges Windfeld nach Osten geführt wird. Mit dem Temperaturrückgang sinkt
auch die Schneefallgrenze. Da über den Mittelgebirgen mit Sinken der
Schneefallgrenze aber auch die Niederschläge nachlassen, reicht es in der Nacht
zum Mittwoch dort nach ICON allenfalls für ein paar Flocken. Im Süden
akkumuliert sich etwas mehr Schnee, im Schwarzwald bis 5cm, an den Alpen bis
10cm und in Staulagen des Allgäus bis 15cm. Das ist in etwa auch die Sichtweise
von GFS, wobei dieses Modell den Mittelgebirgen (u.a. Eifel, Rothaargebirge,
Erzgebirge) etwas mehr Schnee zubilligt als ICON. Vor dem Schnee gibt es aber
noch reichlich Regen - die Dauerregenthematik wurde aber schon am Vortag
vertieft. Mit der einsickernden Kaltluft ist auch Frost wieder ein Thema, in den
Hochlagen der Mittelgebirge kann es lokal leichten Frost oder Bodenfrost geben.
Das kann mit entsprechender Glätte verbunden sein, die natürlich auch in
Verbindung mit Schnee ein Thema ist.

Modellvergleich und -einschätzung
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Bis zum Montag simulieren die Modelle die Abläufe recht ähnlich, mit
Detailunterschieden in den Niederschlagsmustern oder in den Windfeldern. Ab
Dienstag laufen die Modelle dann deutlicher auseinander.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas