DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

31-12-2021 12:01
SXEU31 DWAV 310800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 31.12.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wa (West antizyklonal)

Milder, fast frühlingshafter Jahreswechsel, im Norden zyklonal, im Süden
antizyklonal.


**** Allen Leserinnen und Lesern der Synoptischen Übersicht Kurzfrist einen
guten Rutsch und alles Gute für das Jahr 2022 ****

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... der letzte Tag des Jahres 2021, da sollte man doch meinen, wir seien
im Winter. Von wegen, alles Illusion. Statt über Handschuhe und lange
Unterwäsche nachzudenken sollten eher kurze Hosen und - mit etwas Mut - T-Shirt
aus dem Schrank gekramt werden. Und wer glaubt, er könne den obligatorischen
Jahreswechsel-Anstoß-Sekt draußen auf der Terrasse kühlen (gilt auch für Bier
oder andere Kaltgetränke), sollte besser den Kühlschrank nutzen, wenn er/sie
nicht eine mildtemperierte Plörre "genießen" möchte. Okay, ein paar Ausnahmen
gibt es freilich, doch der Reihe nach.

Der kurze Blick zum Schichtwechsel um kurz nach sechs auf die deutschlandweite
Temperaturverteilung zeigt schnell, in welcher Liga wir derzeit spielen.
Zweistellige Werte bis zu 15°C wo das Auge hinschaut, nur im Süden, in einigen
Mittelgebirgen sowie ganz oben im Norden ist es auf unter 10°C abgekühlt. Frost?
Fehlanzeige, wenn man vielleicht mal von ein paar wenigen versteckten, mit
Restschnee bedeckten Alpentälern absieht. Milde bis sehr milde Luftmassen, die
den weiten Weg vom südlichen Nordatlantik via Biskaya zu uns gefunden haben,
geben den Ton an und es braucht noch ein paar Tage, bis sich daran signifikant
etwas ändert. Von daher seien an dieser Stelle auch schon die Höchsttemperaturen
des heutigen Tages vorweggenommen, die zwischen rund 10°C unmittelbar an der
Küste und bis zu 16°C im Süden und Südwesten liegen.

Wetter- und bewölkungsmäßig präsentiert sich der heutige Tag bei uns zwei- bis
dreigeteilt: der Norden zyklonal, der Süden antizyklonal und dazwischen eine
gemischte Übergangszone. Überlagert wird das Ganze von einem breit aufgespannten
Höhenrücken, der weite Teile West-, Mittel- und Südwesteuropas abdeckt. Im
Tagesverlauf wird der Rücken von einem flachen KW-Trog überlaufen, der den
Rücken scheinbar retrograd werden lässt. Zum Datumswechsel jedenfalls reicht
seine Hauptachse vom westlichen Mittelmeer via UK/Irland bis nach Island, was
dem Vorhersageraum eine weitgehend indifferente nordwestliche Höhenströmung
beschert. Wichtiger als das ist aber die Tatsache, dass der Rücken ein
umfangreiches Hochdruckgebiet mit Zentrum über dem westlichen Mittelmeer stützt
(CHRISTINE). Von dort streckt die gute CHRISTINE ihre Fühler bis nach
Süddeutschland aus, wo ihr Wirken heute zu spüren sein wird. Nicht nur dass die
um 00 UTC auf 800 hPa gemessene Inversion durch kontinuierliches Absinken in den
nächsten Stunden immer weiter nach unten gedrückt wird, auch die heute früh noch
vorhandenen Nebel- und Hochnebelfelder werden am Ende insbesondere in Bayern und
BW in den meisten Fällen klein beigeben müssen.

Zur Mitte hin ist die Sache nicht ganz so eindeutig, fällt doch erstens das
Absinken schwächer aus als im Süden und werden zweitens hohe und mittelhohe
Wolken durchgeschleust, die der um den Rücken herumlaufenden WLA geschuldet
sind. Wie gesagt, Übergangszone mit mehr oder weniger dichten Wolken, einigen
Lücken oder auch sonnigen Fenstern und quasi keinen Regen.
Den gibt es dafür in Norddeutschland, das ganz einfach dichter an den die
Jahresendrallye gestaltenden Tiefdruckgebieten liegt. Während der noch weit
westlich von Irland positionierte ÜMIT (noch) keinen unmittelbaren Einfluss auf
unser Wetter ausübt (mal abgesehen davon, dass er ordentlich beim
Warmluftschaufeln mithilft), ist es eher der fennoskandische, aus mehreren
Kernen bestehende SEBASTIAN, der hier seine Duftmarken setzt. Zum einen hält er
auf seiner Südflanke einen leidlichen Gradienten aufrecht (an dem natürlich auch
CHRISTINE Anteile besitzt), zum anderen steuert er heute eine extrem flache und
stabile Welle (TOBIAS) von der Nord- zur Ostsee. Ihr Entwicklungspotenzial ist
gleich null, weil sie so gar nicht mit dem o.e. KW-Trog harmonieren will.
Gleichwohl setzt sie insofern einen Akzent, indem sie gegen Mittag eine
zugegeben äußerst maue Kaltfront (niedertroposphärisch nur 1-2 Grad Rückgang)
von der Nordsee und den Niederlanden übergreifen lässt. Aktuell befindet sich
der Norden noch in einem breiten Warmsektor mit etwas "Gefussel" im
Küstenbereich. Ab dem späten Vormittag breitet sich von Nordwesten her leichter
Regen ost-südostwärts aus, wobei es im Nordseeumfeld und in SH auch mal etwas
stärker regnen kann (> 5 l/m² innert 6 h, sonst meist darunter). Während der
Regen zwar für die Wetter-, nicht aber für die Warnlageberichte eine Rolle
spielt, sieht das beim Wind anders aus. Schon jetzt weht er aus Südwesten
kommend an der See, in SH sowie im nördlichen NDS lebhaft mit Böen 7-8 Bft.
Später wird sich das "Starkwindfeld" (für den Norden ist das nix Besonderes,
eher übliche Handelsware) mit Annäherung der Kaltfront noch etwas weiter nach
Süden ausweiten, wobei in der Mitte und im Süden im Wesentlichen das Bergland
sowie die Leelagen einiger Mittelgebirge betroffen sind (7-8 Bft, exponierte
Kamm- und Gipfellagen 9-10 Bft, Brocken 11 oder sogar eine "kleine" 12 Bft).

In der Nacht zum Samstag (Neujahrsnacht) dürfte sich die Feinstaubbelastung in
Grenzen halten, was mit dem Wetter aber nur mittelbar zu tun hat. Die Kaltfront
versucht noch bis in die mittleren Landesteile voranzukommen, wo sie sich aber
zunehmendem Druckanstieg von Südwesten her erwehren muss. - Am Ende
wahrscheinlich vergebens, kann man doch guten Gewissens davon ausgehen, dass der
diensthabende Analysist auch ohne silvestrige Umnebelung Schwierigkeiten
bekommen wird, die Front auf den Wetterkarten zu detektieren. Der Regen zieht
größtenteils noch im Laufe der ersten Nachhälfte über den Osten und Nordosten
gen Polen ab, trotzdem kann es zum Jahreswechsel in der Nordhälfte an der einen
oder anderen Stelle noch ein paar Tropfen im Nachgang geben.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass der Gradient beginnt aufzufächern ergo
der Wind von Westen her schwächer zu werden. Am längsten dauert das naturgemäß
in den Kammlagen des Berglands, wo selbst am Morgen noch ein paar Böen 8-9 Bft
je nach Exposition möglich sind. Im Süden, wo weiterhin CHRISTINE ihre Hand
draufhält, bildet sich unter klarem Himmel das eine oder andere Nebelfeld. Im
Norden und teilweise auch in der Mitte verharrt die Temperatur im zweistelligen
Bereich, wenn auch nicht ganz so mild wie in der vergangenen Nacht. Am
frischesten wird es im äußersten Süden, wo sich durch Ausstrahlung eine flache
Grundschicht entkoppeln kann, in der die Temperatur z.T. auf unter 5°C absinkt
(südliches BW/Bayern, hier also Getränke raus). In einigen Alpentälern ist sogar
leichter Frost möglich.

Samstag... schiebt sich der Rücken, der inzwischen zwar an Wellenlänge
eingebüßt, dafür aber an Amplitude gewonnen hat, von West- nach Mitteleuropa
vor. Besonders gut gefällt das CHRISTINE, die damit ihre latenten
Expansionsgelüste ausleben und sich über Deutschland hinweg bis nach
Skandinavien ausweiten kann, wo sie einen schmalen Keil setzt. Trotz
Druckanstiegs, die große Offenbarung ist im Norden und Osten des Landes damit
nicht verbunden. Anders ausgedrückt, das Absinken ist zu schwach, um die eine
nachhaltige Abtrocknung von oben zu gewährleisten. Vielmehr hält sich eine bis
maximal auf 800 hPa reichende feuchte Grundschicht, die über weite Strecken des
Tages reichlich tiefen Gewölk garantiert, aus der - immerhin das - aber nur
wenig Regen fällt. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass die externen
Modelle gerade im Nordosten noch längere Zeit leichten Regen simulieren.
Außerdem schwebt über der Nordsee bereits die Warmfront des o.e. ÜMIT, der sich
südwestlich von Island zu einem echten Neujahrknaller mit etwa 960 hPa
aufschaukelt. Auch hier kann es im Vorfeld etwas regnen oder nieseln.

Ansonsten ist die Neujahrsgeschichte rasch erzählt. Nach Auflösung lokaler
Nebelfelder scheint im äußersten Süden den ganzen Tag die Sonne. Aber auch sonst
bekommt die Sonne im Süden und zunehmend auch im Westen die Chance, sich trotz
einiger Wolken am Himmel zu zeigen und den Jahresstart etwas heller zu gestalten
als im Nordosten. Der Wind spielt keine große Geige, zumindest nicht aus der
Warnperspektive. In einigen Kamm- und Gipfellagen Böen 8-9 Bft aus Südwesten,
das war´s. Zwar steigt T850 bis zum Abend merklich an (im Südwesten bis zu
12°C!), trotzdem wird es nicht wärmer als heute, was auch einen Grund hat.
Gerade dort, wo die niedertroposphärische Erwärmung am stärksten ausfällt,
mangelt es an ausreichend Durchmischung. Aber seien wir ehrlich, eine Spanne von
8/9°C auf Fehmarn und Rügen bis zu 15/16°C im Süden und Westen ist auch mehr als
genug für einen ersten Januar.

In der Nacht zum Sonntag wandert der Rücken langsam gen Osten, was den
Vorhersageraum zunehmend auf die Vorderseite eines flachen, dafür sehr breit
angelegten Troges über dem nahen Atlantik bringt. Dabei bleibt die südwestliche
Höhenströmung, die sich bei uns einstellt, zunächst noch leicht antizyklonal
konturiert. Derweil bildet sich an der Okklusion des Sturmtiefs ÜMIT ein kleines
Teiltief, das zur Norwegischen zieht. Die Warmfront überquert Norddeutschland
ohne große Wetterwirkung, die dafür der nachfolgenden schleifenden Kaltfront
vorbehalten ist. Diese greift stark strömungsparallel exponiert von der
Deutschen Bucht auf den Nordwesten über, was mit leichten bis mäßigen
Regenfällen verbunden ist (an der Nordsee und in SH gebietsweise um 10 l/m²
innert 12 h).

Im Süden beginnt der Luftdruck zwar auch zu fallen, trotzdem kann sich das
allmählich ostwärts wandernde Hoch noch behaupten. Bei z.T. aufgelockertem oder
klarem Himmel bilden sich einige Nebelfelder. Außerdem kühlt es im äußersten
Süden auf Werte um oder etwas unter dem Gefrierpunkt ab, was Anfang Januar aber
eigentlich keiner besonderen Erwähnung bedarf.

Sonntag... nimmt die Höhenströmung nicht nur stetig zu, sie wird auch zusehends
zyklonaler. Am Ende des Tages greift dann sogar die Vorderseite des veritabel
ausgeprägten Jets von Frankreich her auf Süddeutschland über. Zuvor macht die
schleifende, ja sogar zur Wellenbildung neigende Kaltfront zwar nur schleppend,
aber doch erkennbar Boden nach Südosten hin gut. Die Temperatur auf 850 hPa
sinkt in der rückseitig einfließenden subpolaren Meeresluft etwas ab auf 0 bis
+3°C, eine Abkühlung im 2m-Niveau ist damit aufgrund des weiterhin aus Südwest
wehenden Windes und guter Durchmischung aber nicht verbunden. So wird auch der
zweite Tag des Jahres im Norden mit 8 bis 13°C ziemlich mild über die Bühne
gehen. Ansonsten fällt im Norden, später aber auch im Westen und in der Mitte
des Landes Regen, der im Zuge zunehmender Labilisierung (es wird etwas
Höhenkaltluft eingespült) vermehrt schauerartigen Charakter annimmt. Dabei kann
auch ein Gewitter nicht kategorisch ausgeschlossen werden, auch wenn es für
Details noch etwas zu früh ist. Immerhin läuft vor der Kaltfront ein
Low-Level-Starkwindband durch (bis 55 Kt auf 850 hPa, bis 40 Kt auf 925 hPa), so
dass zumindest von stürmischen Böen 8 Bft als begleitendes Element auszugehen
ist. Im Süden bleibt es bis zum Abend noch weitgehend trocken und zumindest
gebietsweise für längere Zeit aufgelockert, wenn sich der Nebel aufgelöst hat
(Höchstwerte zwischen 7°C bei zähem Nebel und bis zu 15°C bei Sonne + hohem
Startwert).

Noch mal zum Wind, der auch gänzlich unabhängig von irgendwelchen konvektiven
Launen peu a peu zulegt, seinen Höhepunkt aber erst in der Nacht zum Montag
erreichen wird. Grund ist eine kontinuierliche Gradientverschärfung, die im
Wesentlichen Druckfall im Norden geschuldet ist. Im Süden bleibt der Luftdruck
weitgehend konstant, weil das scheidende Hoch CHRISTINE durch ein neues Hoch
über Südwesteuropa ersetzt wird. Während tagsüber warnwürdige Böen 7-8 Bft,
exponiert 9+ Bft auf das höhere Bergland sowie einige Leelagen beschränkt
bleiben (Windrichtung Südwest), muss in der Nacht in der Mitte und im Süden
verbreitet mit steifen bis stürmischen Böen 7-8 Bft gerechnet werden (in höheren
Lagen 9-12 Bft). Dabei weiten sich die konvektiv geprägten Regenfälle (nach wie
vor einzelne Gewitter möglich) nun auch zunehmend auf die südlichen Landesteile
aus.

Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen sind die Modelle zum Jahresausklang gutmütig gestimmt, was
sich in kongruenten Basisfeldern widerspiegelt. Beim Regen ist man sich nicht
ganz so einig, was zunächst aber keine warntechnische Relevanz besitzt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann