DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-12-2021 18:01
SXEU31 DWAV 281800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 28.12.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Unaufhaltsamer Vormarsch des Atlantikregimes und damit weitere Milderung mit
stark frühlingshafter Komponente. Vor allem in der kommenden Nacht im Nordosten
aber noch mal Glatteisgefahr! In den Alpen einsetzendes Tauwetter.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... erleben weite Teile Deutschlands die Passage eines recht gut
situierten KW-Trogs. Vorderseitig eines sich über dem nahen Atlantik
aufwölbenden Höhenrückens schwenkt er ost-südostwärts über den Vorhersageraum
hinweg, wobei es vorübergehend zu einer Labilisierung der nach wie vor von der
Biskaya einfließenden milden bis sehr milden Luftmasse kommt. Reste der
weihnachtlichen Kaltluft halten sich nur noch - das aber äußerst tapfer - in MV
und in Teilen BBs sowie lokal in den östlichen und südöstlichen Mittelgebirgen.
Gebietsweise konnte auch heute die Frostmarke gehalten werden (Tmax lokal um
-3°C), während im Westen und Südwesten nicht selten 10 bis 13°C gemessen wurden.


In den nächsten Stunden schwenkt aber nicht nur der Trog über uns hinweg, auch
das korrespondierende Bodentief - es hört auf den Namen RONALD - sowie das
zugehörige okkludierte Frontensystem zieht es gen Osten. Das Tief verlagert sich
entlang der niederländisch-deutschen Nordseeküste bis nach MV, wobei es sich um
rund 10 hPa ausgehend von 990 hPa auffüllt. Mit der südwestlichen Grundströmung
ziehen schauerartig verstärkte Regenfälle ost-nordostwärts über uns hinweg, was
prinzipiell erst mal kein großes Problem darstellt. Erst wenn der Regen auf die
Frostluft trifft bzw. die Gebiete erreicht, wo die Böden noch gefroren sind (im
Nordosten z.T. noch bis rund 20 cm Tiefe leichter Frost), wird´s kritisch wegen
Glatteis. Am gefährdetsten sind die Regionen zwischen MV und der Lausitz (dort
läuft eine Vorabinformation "Unwetter Glatteis") sowie punktuell die zähen
Kaltluftreste in den o.e. Mittelgebirgen, auch wenn die Regenmengen nicht
besonders hoch sind (0,x-3,x l/m² innert 12 h, nur im Bayerischen Wald z.T.
deutlich mehr). Der meiste Regen fällt übrigens in einem vom
Rothaargebirge/Westerwald bis nach Südostbayern reichenden Korridor mit
gebietsweise 10 bis 15 l/m², in exponierten Staulagen um 20 l/m². Ganz oben
(oberhalb etwa 1000 bis 1300 m) geht der Regen durch die trogbedingte
niedertroposphärische Abkühlung in Schnee über. Außerdem kann im Süden und
Südwesten anfangs auch noch ein Gewitter mit Böen 8-9 Bft am Start sein.

Neben dem Niederschlag ist auch der Wind prominent vertreten. Ein leidlich
ausgeprägter Gradient auf der Südflanke des Tiefs sowie die vor allem anfangs
noch ausgeprägte konvektive Komponente sorgen insbesondere im Süden und
Südwesten sowie allgemein im Bergland für einen lebhaften, auf Südwest bis West
drehenden Wind. Dabei treten Böen 7-8 Bft, bei kräftigen Schauern sowie in
höheren Lagen 9 Bft, exponiert 10 bis 11 Bft auf, Tendenz bis zum Morgen von
Westen her langsam nachlassend.

Mittwoch ... gelangen wir auf der Vorderseite des sich über dem nahen Atlantik
noch etwas aufwölbenden Höhenrückens unter eine nordwestliche Höhenströmung.
Diese ist zwar leicht antizyklonal konturiert, wird aber von WLA überlaufen, die
sich im Tagesverlauf noch verstärkt. Damit wird das nächste Frontensystem, genau
genommen die nächste Warmfront angekündigt, die sich von UK/Irland her
Deutschland nähert. "Absender" ist das kleine Sturmtief SEBASTIAN, das um 12 UTC
mit etwas unter 970 hPa im Kern kurz davor steht, 20° West zu überqueren und das
Seegebiet zwischen Island und Irland anzusteuern. Derweil verschwindet sein
Vorgänger RONALD über der Ostsee, wo er den Kampf ums Überleben am Ende wohl
verlieren wird.

Wettertechnisch fällt am Morgen und am Vormittag im Süden und in der Mitte noch
gebietsweise Regen, Tendenz nachlassend. Auch im Osten und Nordosten kann
vereinzelt etwas Nieselregen nicht ausgeschlossen werden, wobei anfangs noch
lokale Glättegefahr besteht. Im Tagesverlauf nimmt die Glätteproblematik mit
fortschreitender Milderung aber rasch ab. Im Westen und Südwesten kennt man
diese Probleme nicht, weshalb man dort den neuen, noch im Laufe des Vormittags
übergreifenden stratiformen Warmfrontregen vergleichsweise emotionslos empfangen
kann. Bis zum Abend kämpft sich dieser bis Weser und Werra sowie ins westliche
Oberbayern voran, wobei der Schwerpunkt staubedingt eindeutig zwischen
Schwarzwald und Alpenrand zu finden ist. Akkumuliert bis Donnerstagfrüh kommen
20 bis 40 l/m², im Allgäu stellenweise um oder etwas über 50 l/m² Niederschlags
zusammen. Da gleichzeitig die Schneefallgrenze auf deutlich über 2000 m steigt
(Anstieg T850 auf 5 bis 8°C), kommen zusätzlich starke Schneeschmelze und
Tauwetter ins Spiel. Am Alpenrand könnte das sogenannte Niederschlagsdargebot
auf 100 l/m² oder mehr anwachsen (=> Unwetter Tauwetter), wohingegen im
Schwarzwald aufgrund der dünneren, vor allem auf die Hochlagen beschränkte
Schneedecke evtl. eine markante Dauerregenwarnung genügt, wenn überhaupt.

Der am Nachmittag auf südliche Richtungen rückdrehende Wind legt tagsüber
zumindest aus warntechnischer Perspektive eine Pause ein. Einzig in höheren
Lagen bleibt er flott unterwegs mit Böen 7-8 Bft, in exponierten Kamm- und
Gipfellagen 9 Bft, zum Abend im Hochschwarzwald wieder 10 Bft. Die Temperatur
steigt nordöstlich der Elbe weiter an, wenn auch mit angezogener Handbremse, 1
bis 6°C. Sonst geht´s hoch auf 6 bis 12°C, am Rhein und seinen Nebenflüssen
lokal bis zu 14°C - wohlbemerkt, wir reden von Ende Dezember.

In der Nacht zum Donnerstag ändert sich nur wenig an der Potenzialverteilung
respektive der Höhenströmung. Dafür macht die Warmfront mit dem zugehörigen
Regen Boden nach Osten hin gut und führt dabei sehr milde und feuchte (PPW im
Südwesten um oder über 25 mm) Biskayaluft heran. Entsprechend bleibt die übliche
nächtliche Abkühlung aus, im Gegenteil, die Temperatur steigt bis zum Morgen
landesweit eher etwas an. So sollten wir uns nicht wundern, wenn zwischen
Mannheim und Freiburg Frühwerte von 14 oder 15°C auf der Anzeige erscheinen.
Der meiste Regen fällt wie bereits erwähnt im Schwarzwald, vor allem aber am
Alpenrand sowie etwas nordwärts bis ins südliche Vorland ausgreifend. Im großen
Rest des Landes liegen die 12h-Mengen meist unter, lokal um 5 l/m². Da der Frost
nun endgültig aus dem Nordosten vertrieben wird, sollte Glätte kein Thema mehr
sein. Trotzdem, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste und so sollte man
sich bei Ankunft des Regens die Temperaturprofile (Boden, Luft) nochmals genau
anschauen. Die Kaltfront des weiter ostwärts vorankommenden SEBASTIANS dringt
kurzzeitig in die nordwestlichen Landesteile ein (ohne dabei eine nennenswerte
Abkühlung zu bringen), wird dort aber schnell wieder rückläufig bzw. geht in die
Warmfront einer flachen Welle bei Irland/UK über.
Der von Süd auf Südwest bis West drehende Wind frischt vornehmlich in der
Südwesthälfte auf mit Böen 7 Bft, in höheren Lagen 8 bis 9 Bft, exponiert 10
Bft. Auch über der Nordsee lebt der Wind insbesondere bei Frontpassage
vorübergehend auf mit Böen 7 Bft, lässt bis zum Morgen aber wieder nach.

Donnerstag ... verlagert sich der Höhenrücken immer weiter nach Osten, bis er am
Tagesende quasi den gesamten Vorhersageraum überdeckt. Dabei stützt er ein Hoch
(CHRISTINE), das sich von der Iberischen Halbinsel bis nach Frankreich ausweitet
und einen Keil bis in den Alpenraum ausstreckt. Nord-nordöstlich des Hochs wird
mit mäßiger Südwestströmung weiterhin milde bis sehr milde Luft advehiert (T850
um +6°C), die sich dank sehr solider Durchmischung auch in den unteren
Luftschichten durchsetzt. Unter dem Strich bedeutet das verbreitet zweistellige
Tageshöchstwerte zwischen 10 und 15°C, am Rhein und seinen Nebenflüssen sogar
bis zu 16 oder 17°C (mehr zu den hohen Temperaturen im heutigen "Thema des
Tages" auf der DWD-Homepage). Einzig der Nordosten, groß die Gebiete nordöstlich
von Elbe und Havel, hinken noch etwas hinterher, präsentieren sich mit 6 bis
11°C aber alles andere als kalt.

Und was macht das Wetter? - Nun, mit der andauernden WLA bleibt es größtenteils
bedeckt mit zeitweiligen Regenfällen, die sich im Tagesverlauf nordostwärts
verlagern, den äußersten Norden wahrscheinlich aber nicht erreichen. An den
Alpen könnte es durchaus noch mal für 10 bis 15 l/m² reichen, bevor es von
Frankreich und der Schweiz her mit steigendem Luftdruck allmählich beginnt
abzutrocknen. Vielleicht reicht es am Nachmittag im äußersten Süden und
Südwesten sogar noch für ein paar Aufhellungen oder Auflockerungen. Der Wind
weht mäßig im Bergland auch frisch, dort in Böen 7-8 Bft, in exponierten Kamm-
und Gipfellagen 9-10 Bft.

Die Nacht zum Freitag wird sehr mild, in der breiten Mitte, teils aber auch in
Norddeutschland sinkt die Temperatur nicht unter 10°C. Über Frost müssen wir uns
gar nicht erst unterhalten. Die Warmfront, die das o.e. Hochdruckgebiet
umspannt, kommt im Norden ins Schleifen, was dort, aber auch in den östlichen
Landesteilen Regenfälle zur Folge hat. Aufsummiert über 12 h können gebietsweise
5 bis 10 l/m² in die Töpfe fallen, was der bisher eher bescheidenen
Winterhalbjahresbilanz nicht schadet. Nach Süden und Südwesten hin bleibt es
unter Hochdruckeinfluss weitgehend trocken und z.T. reißt die Wolkendecke sogar
auf; stellenweise bildet sich Nebel. Der Südwestwind nimmt an und über der
Nordsee zu mit Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft. Auch im Binnenland (Mitte/Norden)
ist die eine oder andere steife Böe nicht ausgeschlossen. In exponierten
Hochlagen bleibt es stürmisch.

Freitag ... geht ein in meteorologischer Hinsicht ereignisreiches Jahr zu Ende.
Am abwechslungsreichsten sicherlich der Februar mit diversen Glatteislagen,
fetten Schneefällen in der Mitte und im Norden und anschließend rasend schneller
Milderung bis hin zu Temperaturen über 20°C. Es folgte ein zu kühles Frühjahr
(vor allem April/Mai), im Sommer dann einige kräftige Superzellengewitter,
insbesondere in Süddeutschland. Trauriger und mit Abstand negativer Höhepunkt
dann sicherlich die Hochwasserkatastrophe im Juli im Westen des Landes. Im zu
trockenen Herbst traten dann ein paar Stürme auf den Plan (YOGI, HENDRIK/IGNATZ,
CHRISTIAN, DANIEL). Und jetzt befinden wir uns schon seit knapp einem Monat im
Winter, der zumindest regional (vor allem im Allgäu, zu Weihnachten aber auch im
Nordosten) ein paar Akzente setzen konnte. Den Jahreswechsel allerdings verpatzt
er so was von, dass man ihn gar nicht mehr beim Namen nennen und durch das Wort
"Frühling" ersetzen möchte.

Also, in aller Kürze das Wetter an Silvester, an dem der Höhenrücken von einem
KW-Trog überlaufen wird, wodurch dieser leicht retrograd wird. Gekoppelt ist der
Trog mit einem flachen Wellentief, das die Nordsee ostwärts überquert. Dabei
spannt es einen breiten Warmsektor über Norddeutschland auf, der am Nachmittag
durch die von der Nordsee und Benelux übergreifende schwache Kaltfront
"zerstört" wird. So oder so bleibt es im Norden weitgehend bedeckt und windig,
an der See in Böen auch stürmisch, zeitweise regnet es.
Ganz anders die Lage im Süden, wo das Hoch CHRISTINE (sie wird sich bis ins neue
Jahr retten, in dem die Namen wieder wechseln) für einen trockenen, teils heiter
bis wolkigen, in Bayern und BW teils sogar sonnigen Jahresausklang sorgt. Die
Temperaturspanne reicht von rund 10°C an der See bis zu lokalen 16 oder 17°C im
Westen und Süden. Naja, spart wenigstens Heizkosten...


Modellvergleich und -einschätzung
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Die grundsätzliche Entwicklung ist unstrittig. Unschärfen betreffen u.a. noch
die Glatteislage der nächsten Stunden im Nordosten, wo sehr wahrscheinlich aber
die rote Karte gezogen werden muss. Auch die Regenfälle der nächsten Tage weisen
noch einen gewissen Spread auf, gegenüber gestern ist ICON aber schon mit den
Frühläufen zurückgerudert. Von daher ist noch nicht sicher, ob es im Schwarzwald
überhaupt eine Warnung braucht. Anders sieht es mit dem Tauwetter an den Alpen
aus, wo sicherlich morgen früh eine Warnung ausgegeben wird. Gut möglich, dass
diese als ausgereizte markante Warnung aufs Tableau kommt. Am ehesten besteht
noch im Allgäu Unwettergefahr.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann