DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-12-2021 18:30
SXEU31 DWAV 271800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 27.12.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Schubweise Milderung von Südwesten her in klassischer Winkelwest-Manier (nicht
Wildwest-Manier). Dabei im Nordosten sowie in einigen Mittelgebirgen
(Osten/Südosten) zunächst noch Glatteisgefahr.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der kalten Seite der Frontalzone, die
über Mitteleuropa allerdings stark auseinanderfächert. Dabei kippt ein schwacher
Ast in Richtung westliches Mittelmeer ab, während sich bei uns ein unruhiges
Muster mit wechselnden kurzwelligen Trog-Keil-Strukturen einstellt. Neben den
damit einhergehenden PVA/NVA-Maxima ist auch immer wieder WLA wirksam, die ganz
klar die Richtung für die letzten Tage des Jahres vorgibt: Winter ade, Frühling
bienvenue. Bevor es allerdings überall soweit ist, gilt es erst noch die Reste
der gealterten skandinavischen Kaltluft im Norden und Osten zu verscheuchen,
wozu es mehrerer Anläufe bedarf. So lagen die Temperaturen heute Nachmittag in
Teilen Vorpommerns und der Uckermark noch bei rund -5°C, während im Südwesten
stellenweise die +10°C aufblinkte.

Das an den Weihnachtsfeiertagen im Norden und Osten noch wetterbestimmende Hoch
BELINDA hat sich inzwischen schon in den Westen Russlands zurückgezogen, womit
schon mal ein wesentlicher Schritt zur Wetterumstellung vollzogen wurde. Zudem
hat im Tagesverlauf eine erste Warmfront den Nordosten erreicht (sie gehört zu
dem unscheinbaren Tief PER zwischen Schottland und Island), wo sie aber rasch an
ihre Grenzen gestoßen ist. Zwar hat die Front ´ne Menge Bewölkung
herantransportiert, ihre Wetterwirksamkeit hat aber merklich gelitten. Wurde in
der letzten Nacht sowie heute Vormittag stromauf noch verbreitet gefrierender
Regen mit Glatteis bis in den Unwetterbereich generiert, sind inzwischen nur
noch wenige Tropfen (allerdings weiterhin mit Glatteisgefahr) übrig. Außerdem
konnte sich die Atlantikluft - wie o.e. - nicht überall am Boden durchsetzen
(sondern sich nur über die kalte Grundschicht schieben), wozu auch der
andauernde Südostwind seinen Beitrag geleistet hat. Aber nun, was nicht ist,
kann ja noch werden...

... und da steht im Westen und Südwesten bereits das nächste Exemplar bereit, das
sich bemüßigt fühlt, die Milderung voranzutreiben. Konkret handelt es sich um
eine Okklusion mit Warmfrontcharakter, die zum Tief RONALD unweit von Irland
gehört und die von einem KW-Trog sowie einem PVA-Maximum supportet wird. Mit
anderen Worten, es kommt zu leichten Regenfällen, die sich in den nächsten
Stunden langsam nordostwärts vorarbeiten. Dabei schwächen sich die Niederschläge
allmählich ab, weil Front und KW-Trog nicht mehr so gut miteinander harmonieren
(die Front will nach Nordosten, der Trog nach Osten). Trotzdem, beim Erreichen
der Frostluft (leichter bis mäßiger Nachtfrost im Norden und Osten sowie im
östlichen und südöstlichen Bayern) respektive der Regionen mit gefrorenen Böden
muss erneut mit Glatteis gerechnet werden. Am gefährdetsten ist ein Streifen,
der vom südlichen und östlichen Niedersachsen über Sachsen-Anhalt, Thüringen und
Westsachsen bis zu den östlichen Mittelgebirgen, der unteren Donau und dem Inn
reicht. Allerdings kann es auch weiter nordöstlich vereinzelt etwas regnen (mit
Glätte), wenn die tiefe Bewölkung etwas gehoben wird.

Tja, und das wahrscheinlich auch RONALD und seine Okklusion nicht ausreichen
werden, die Kaltluft im Nordosten komplett zu tilgen, meldet sich in den frühen
Morgenstunden noch ein weiteres System im Südwesten der Republik an. Dabei
handelt es sich um eine Warmfrontwelle, die - wenn man so will - als ganz weit
vorauseilender Bote des nächsten Tiefs SEBASTIAN agiert, sich im Laufe des
Dienstags aber dem zur westlichen Nordsee ziehenden RONALD anschließt. Wichtiger
als die Zugehörigkeit ist die Tatsache, dass ein weiteres Regengebiet auf West-
und Südwestdeutschland übergreift und dort gleichzeitig den südlichen Wind
aufleben lässt. Vornehmlich in den Mittelgebirgslagen muss mit den ersten Böen 7
Bft, in exponierten Kamm- und Gipfellagen 8-9 Bft gerechnet werden. Windig
bleibt es auch vor der vorpommerschen Küste, was Rügen und Usedom noch einige
Böen 7 Bft aus Südost bringt.

Dienstag ... beginnt sich über dem nahen Atlantik ein breiter Höhenrücken
aufzuwölben. Noch ist seine Amplitude flach, so dass bei uns die Höhenströmung
zunächst auf West bleibt. Allerdings ist das nicht von langer Dauer, weil im
Tagesverlauf ein recht markanter KW-Trog den Weg zu uns findet. Er korreliert
mit dem o.e. RONALD, der tagsüber die Nordsee von West nach Ost kreuzt und in
den Abendstunden in SH oder im Bereich der Elbmündung an Land geht.

Bevor der Landgang erfolgt, werden am Vormittag erstmal die kärglichen Reste der
Okklusion in den Nordosten gedrückt, wo sie sich schlussendlich auflöst. Nur
hier und da fällt im Osten und Nordosten sowie im östlichen Mittelgebirgsraum
noch etwas Regen/Nieselregen mit Glatteis, Tendenz nachlassend. Es dauert
allerdings nicht lange, bis am Nachmittag von Südwesten her die nächsten, wieder
etwas stärkeren Regenfälle auf den Norden und Osten übergreifen. Sie werden
trogvorderseitig induziert und gehören zur ehemaligen, inzwischen
teilokkludierten Warmfrontwelle. Da sich mittlerweile die Frostgrenze weiter
nordostwärts verschoben hat (Werte um oder etwas unter 0°C noch am längsten von
Vorpommern über die Uckermark bis zum Barnim sowie einige Kaltluftreste im
Erzgebirge und bedingt im Bayerischen Wald/Fichtelgebirge) und auch die
Bodenbeläge tagesgangbedingt häufig positiv temperiert sind, reduziert sich die
Glatteigefahr auf die Gebiete zwischen Vorpommern und Erzgebirge sowie
vereinzelt im Bayerischen Wald und dem Fichtelgebirge). In höheren Lagen ist zum
Abend hin mit Einströmen niedertroposphärisch etwas kälterer Luft sogar
Schneefall möglich.

Ansonsten gilt es noch festzuhalten, dass mit Übergreifen des KW-Troges die
Niederschläge von Westen her zunehmend konvektiven Charakter annehmen. Dabei
wird im Westen und Südwesten in gut geschertem Umfeld sogar etwas CAPE
generiert, was die Wahrscheinlichkeit einzelner Gewitter ansteigen lässt. Bei
Höhenwinden, die auf 925 hPa bis zu 45 Kt und auf 850 hPa bis zu 55 KT betragen,
muss bei TS mit Böen 8-9 Bft gerechnet werden. Übrigens, akkumuliert über 12 h
kommen in der Südhälfte gebietsweise 5 bis 10 l/m², in Staulagen z.T. noch etwas
mehr zusammen, was angesichts der hohen Schneefallgrenze von über 1500 m und vor
dem Hintergrund weiterer Regenfälle in den nächsten Tagen insbesondere im
Allgäu, bedingt aber auch im Schwarzwald das Thema "Tauwetter" auf die Agenda
bringt.

Zurück noch mal zum Wind, der nicht nur bei Gewittern aufmuckt, sondern
grundsätzlich stärker in die Schlagzeilen gerät. Vor allem im Westen und
Südwesten inkl. des westlichen Alpenvorlands sowie allgemein auf den Bergen
frischt der Südwest- bis Westwind sowohl gradient- als auch konvektivbedingt so
weit auf, dass er in Böen Stärke 7 Bft, in freien und höheren Lagen 8-9 Bft und
in exponierten Kamm- und Gipfellagen (Südschwarzwald, Brocken) gar 10-11 Bft
erreicht. In Ostsachsen tritt zudem noch "Böhmischer Wind light" mit einigen
Böen 7 Bft aus Südost auf. Während die Temperatur im Nordosten, im Grenzbereich
zu Polen sowie im östlichen und südöstlichen Mittelgebirgsraum nur schleppend
auf -1 bis +4°C "hochquält", geht es im Westen und Südwesten auf 10 bis 13°C
hoch.

In der Nacht zum Mittwoch schwenkt der KW-Trog über den Vorhersageraum hinweg
südostwärts. Dahinter dreht die Höhenströmung vor dem breiten Höhenrücken auf
Nordwest. Es setzt erneut WLA ein, die die Hebungsprozesse aufrecht hält und
weitere, vor allem anfangs noch konvektiv durchsetzte Niederschläge garantiert
(die meisten in einem Streifen zwischen Westerwald/Rothaargebirge und
Bayerischer Wald sowie an den Alpen, wo gebietsweise 10 bis 20 l/m² innert 12 h
zusammenkommen können). Dabei ist die Glatteiskarte im äußersten Osten und
Nordosten immer noch nicht ganz vom Tisch (unterschätze nie den Frost im Boden,
der sich in der kurzen Frostphase der vergangenen Tage und Nächte recht weit
nach unten auf bis zu 20 cm oder noch etwas darunter vorgearbeitet hat),
allerdings sollte die allmähliche Winddrehung auf Südwest die Milderung weiter
forcieren. Mit Trogpassage ist im höheren Bergland vorübergehend die Schneephase
möglich, was angesichts der weiteren Entwicklung aber Perlen vor die Säue ist.
Im Norden bildet sich gebietsweise Nebel.

Auf der Südflanke des von der Nord- zur Ostsee ziehenden Tiefs RONALD bleibt der
Südwest- bis Westwind in der Südhälfte flott unterwegs mit Böen 7 bis 8 Bft, in
höheren Lagen je nach Exposition 9 bis 11 Bft.

Mittwoch ... wölbt sich der Höhenrücken etwas auf, wobei er westlich von uns
verbleibt. Folgerichtig verbringen wir den Tag unter einer nordwestlichen
Höhenströmung, mit der die nächste Warmfront herangesteuert wird. Sie ist
Bestandteil eines Frontensystems, das wiederum zum o.e. Tief SEBASTIAN gehört.
Dieser nähert sich wenn auch langsam dem Seegebiet zwischen Schottland und
Island an. Die anfänglich in der Osthälfte und der Mitte gebietsweise noch
auftretenden Niederschläge lassen im Laufe des Tages nach, gleichzeitig setzt
vor der Warmfront im Südwesten und Westen neuer Regen ein. Bei andauernder
kräftiger WLA - T850 steigt bis zum Abend auf 5 bis 8°C - steigt die
Schneefallgrenze auf über 2000 m. Für den Schwarzwald und das Allgäu werden 10
bis 20, im Stau lokal um 25 l/m² prognostiziert, was spätestens jetzt das Thema
"Tauwetter/Dauerregen" akut werden lässt.

Am wenigsten Regen fällt im Norden und Osten, wo dafür die Milderung mit maximal
3 bis 7°C hinter dem Südwesten (bis zu 13°C) hinterherhinkt. Das Thema "Glätte"
sollte nun endgültig von der Tagesordnung gestrichen werden. Anders die
Situation beim Wind, der vor allem in höheren Lagen lebhaft weht mit Böen 7-8
Bft, exponiert 9 Bft aus westlichen, zum Abend hin eher südlichen Richtungen.

In der Nacht zum Donnerstag schwenkt die Warmfront nach Osten durch, wobei es
verbreitet regnet. Der meiste Regen fällt mit orografischer Unterstützung im
Stau der Alpen und des Schwarzwalds, wobei die Modelle hinsichtlich der
Intensität noch stark divergieren. ICON simuliert am Alpenrand 30 bis 50 l/m²
innert 12 h, im Allgäu sogar noch mehr, während IFS (von 00 UTC) und GFS meist
unter 30 l/m² liegen.

Der Wind lebt im Warmsektor auf, wobei er von Süd auf Südwest bis West dreht. In
der Südwesthälfte muss mit einigen Böen 7 Bft, im Bergland 8-9 Bft, exponiert
sogar 10 oder 11 Bft gerechnet werden. Aufgrund der guten Durchmischung steigt
die Temperatur landesweit eher an, als dass sie fällt. So sollte es uns nicht
wundern, wenn am frühen Morgen im Rheintal hier und da +14°C angezeigt werden,
während es in Vorpommern rund 10 Grad weniger sind. Frost ist jedenfalls kein
Thema mehr.

Donnerstag ... kommt nicht etwa die Kaltfront des o.e. Frontensystems zu uns
rein. Nein, die wird durch Wellenbildung zurückgehalten bzw. geht in die
Warmfront der über UK ostwärts ziehenden Welle über. Im Endeffekt gelangt in den
Zustrom milder bis sehr milder Biskayaluft (T850 4 bis 8°C), die bei weiterhin
passabler Durchmischung verbreitet zweistellige Temperaturen garantiert. Im
Rheintal geht´s hoch auf bis zu 16, lokal vielleicht 17°C, und nur nordöstlich
von Elbe und Havel hält sich noch etwas weniger warme Luft mit 6 bis 10°C.

Ansonsten kommt es verbreitet zu Regenfällen, weil der langsam ostwärts
wandernde Höhenrücken in klassischer Manier von WLA überlaufen wird. Vor allem
am Alpenrand soll es nach ICON noch mal ordentlich schütten (bis zu 50 l/m² im
Berchtesgadener Land), externe Modelle allerdings sind deutlich defensiver. Es
bleibt relativ windig, auf den Bergen stürmisch.


Modellvergleich und -einschätzung
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An der weiter nach Nordosten durchgreifenden Milderung bestehen
modellübergreifend keine Zweifel. Unsicher ist wie so oft bei vergleichbaren
Lagen, wo genau wie viel Regen auf noch gefrorene Böden fällt. Hier weichen
Modellparametrisierungen mitunter von den natürlichen Verhältnissen ab, so dass
entweder mit Wahrscheinlichkeiten (auf deren Basis die Vorabinformation
herausgegeben wurde) und/oder mit dem Kurzfristbesteck hantiert werden muss.
Ein zweiter Punkt betrifft die Regenfälle der nächsten Tage, die - wie im Text
angesprochen - vor allem hinsichtlich ihrer Intensität noch stark schwanken.
Trotzdem muss das Thema "Tauwetter/Dauerregen" morgen früh auf die Tagesordnung.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann