DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-12-2021 09:30
SXEU31 DWAV 260800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 26.12.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HNa zu Ww
Schubweise Erwärmung von West nach Ost. Dabei regional Gefahr von Glatteisregen,
Unwetter nicht ausgeschlossen. Im Nordosten kommende Nacht nochmal strenger
Frost, danach Frostabschwächung. Berge zunehmend stürmisch.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... liegt Deutschland weiterhin zwischen den Stühlen, heißt: zwischen
einer umfangreichen Zyklone über Nordwestrussland und einer kräftigen Zyklone
über dem nordöstlichen Atlantik. Dazwischen dominiert aktuell noch ein Keil, der
jedoch bezüglich seiner Intensität nur mäßiger Natur ist und z.B. im Abgleich
mit dem Modellklima bzgl. des Geopotenzials nicht weiter auffällt.
Heute tagsüber überquert eine Kurzwelle (K1) Frankreich ostwärts, verliert
jedoch gleichzeitig an Amplitude, da stromauf über dem offenen Atlantik eine
weitere, kräftigere Welle (K2) Kurs in Richtung Biskaya nimmt. (Um ganz genau zu
sein wird K1 von einem weiteren Impuls begleitet, der für die ersten
Niederschläge im Westen momentan verantwortlich ist. Da beide jedoch zeitnah
miteinander verschmelze und um alles nicht noch komplexer zu machen, verzichte
ich darauf diesen Impuls weiter herauszuarbeiten.) Daher erwartet uns im Verlauf
der Nacht die Passage von K1, deren Hebung recht diffus ausfällt. Es fallen zwei
Bereiche auf, wo die Modelle etwas fokussierter Hebung andeuten - im Süden bis
zur Mitte ausgreifend und über Benelux zur Deutschen Bucht ziehend. Im Zuge der
Kurzwellenpassage erhält die Luftmassengrenze, die sich momentan (in der Früh)
grob vom Saarland bis nach Niederbayern erstreckt, einen Schub nach Nordosten.
Das Aufgleiten entlang der Front bzw. der Hebungsimpuls der Kurzwelle
entscheiden letztendlich im Zusammenspiel mit der Orografie, wo die
vergleichsweise kräftigsten Niederschläge fallen werden.

Wieso die Niederschlagsintensität von Bedeutung ist ergibt sich bereits beim
Blick auf die aktuellen morgendlichen Frühwerte. Diese liegen im Nordosten bei
klaren Verhältnissen im strengen Frostbereich von -10 bis lokal -17 Grad (noch
keine Minimumwerte) und im Südwesten auf der warmen Seite der Front unter
dichter (teils hochnebelartige) Bewölkung bei rund +4 oder +5 Grad.

An dieser Zweiteilung wird sich im weiteren Tagesverlauf nicht viel ändern. Im
Norden und Nordosten bleibt es ganztags sonnig und trocken. Die Höchstwerte
verharren jedoch im leichten Dauerfrostbereich von -1 bis -4 Grad, regional im
Norden Brandenburgs und im südlichen Vorpommern auch im mäßigen
Dauerfrostbereich von -6 Grad.

Ansonsten bleibt der Himmel bedeckt und von West nach Ost ziehen immer wieder
Niederschlagsgebiete durch und es stellt sich die Frage, wo dieser Niederschlag
auf gefrorenen Boden treffen wird.

Die Luftfrostgrenze erstreckt sich grob über der Mitte bis zum Bayerischen Wald,
allerdings hier nur mit Werten von etwas unter 0 Grad. Bereits in Richtung
Nordhessen wird aktuell (08 UTC) teils mäßiger Luftfrost gemeldet. Schaut man
sich die erwarteten Nachmittagswerte an, so verharrt diese Grenze mit Dauerfrost
mehr oder weniger vor Ort, einzig in weiten Bereichen von NRW und
Rheinland-Pfalz sickert von Westen mildere Luft ein. Schaut man sich den Boden
an, so vermelden die Regionen östlich einer Linie Rothaargebirge-Rhön bis zum
Bayerischen Wald frostige Werte, wobei diese Grenze jedoch sehr schwammig
verläuft (teils finden sich noch Orte mit positivem Bodenwärmestrom in Thüringen
und negative Werte im Spessart). Grob gesagt muss jedoch dieser Bereich als
Übergangsbereich für die Phase "gefrierender Niederschlag" angesehen werden.

Die Numerik streut beim Niederschlag leider weiterhin recht kräftig dank der
diffusen Hebungsbedingungen. IFS ist recht aggressiv und bringt den Niederschlag
bis zum Abend bis ins nördliche Hessen, während ICON-EU Hessen kaum erfasst.
ICON-D2 bevorzugt die Schiene Spessart - Thüringer Wald und steht im Einklang
mit Euro4.
Vergleicht man den Ist-Zustand (08 UTC) mit der Numerik, so haben Euro4 und
ICON-D2 ein recht gutes Händchen, während IFS zu weit nördlich ausgreift und
ICON-EU zu trocken ausfällt. Daher wird nun vorerst auch die Schiene der besser
aufgelösten Modelle für die heutige Abschätzung verwendet.

Es verwundert nicht, dass heute tagsüber das Augenmerk vor allem über den
zentralen Mittelgebirgen liegt, wo in geschützten Lagen sowie oberhalb von 400
bis 500 m regional mit gefrierendem Niederschlag gerechnet werden muss. Aktuell
liegen die Stundensummen des Niederschlags bei 0,1 bis 0,5 l/m² und nur lokal
bei 1-2 l/m². Diese Mengen sollten sich etwas abschwächen, da von Euro4 und
ICON-D2 6-std. Niederschlagsmengen von 1 bis 3 l/m² gezeigt werden - 12-std.
Mengen bis heute Abend ebenfalls in dem Bereich. Somit gehen wir tagsüber eher
von der Ausgabe von markanten Warnungen aus.
Ähnlich sieht es im östlichen Oberbayern bis nach Niederbayern aus, wobei hier
jedoch sowohl der Boden wie auch die Lufttemperaturwerte etwas milder ausfallen
sollten. Dennoch besteht auch hier ein ähnliches "markantes" Potenzial.

Abgesehen davon regnet es im Südwesten zeitweise, im Stau des Schwarzwaldes auch
mit 12-std. Mengen von rund 10 l/m².

Die Höchstwerte liegen von Südwest nach Nordost zwischen +8 und -6 Grad. Der
südöstliche Wind weht über der Deutschen Bucht stark böig, zeitweise auch
stürmisch, und im Binnenland meist nur schwach bis mäßig aus östlicher bis
südöstlicher Richtung.


In der Nacht zum Montag bleiben weiterhin die Unsicherheiten groß, wo und
wieviel Niederschlag erwartet werden kann. Aus aktueller Sicht deutet sich ein
Streifen vom nördlichen Hessen über Thüringen bis ins Vogtland und ins südliche
Sachsen-Anhalt an, wo die vergleichsweise höchsten 12-std. Mengen angedeutet
werden - wenigstens wenn man nach Euro4 gehen würde. ICON-D2 bleibt dort recht
zurückhaltend und steht im Einklang mit GFS, während IFS eher in Richtung Euro4
tendiert. Entsprechend offensiv sehen die Wahrscheinlichkeiten bei IFS für
gefrierenden Niederschlag aus, die mit Wahrscheinlichkeiten von 25 bis regional
über 50% eine Region von Niedersachsen bis zum Bayerischen Wald erfassen.
Demgegenüber hat das von ICON und IFS angetriebene WarnMOS mehr die Mitte
Deutschlands bis zur Oberpfalz in den Fokus gerückt (teils mit
Wahrscheinlichkeiten von mehr als 60% für gefrierenden Niederschlag). Letzteres
sieht mit Blick auf die Modellkonsistenz sowie beim Blick auf die
unterschiedlichen EPS-Verfahren recht realistisch aus, sodass für diese Regionen
im Verlauf des Vormittags auch eine Vorabinformation herausgegeben wurde.
Allerdings muss man bei dieser sehr schwer vorhersagbaren Lage mit weiteren
Anpassungen dieser Vorabinformation rechnen (z.B. Ausdehnung in Richtung
Bayerischer Wald) bzw. könnte im günstigsten Fall die Lage bis morgen früh auch
überwiegend mit markanten Warnungen durchkommen - das Nowcast wird es zeigen.

Abgesehen davon verläuft die Nacht im Nordosten klar und trocken mit
Tiefstwerten von -6 bis -13 Grad (die tiefsten Werte im Grenzbereich zu Polen),
während im Südwesten bei gelegentlichen Regenfällen Tiefstwerte von +5 bis +2
Grad erwartet werden. Im Süden und Westen bildet sich gebietsweise Nebel.



Montag... ändert sich an der synoptischen Ausgangslage wenig, sodass weiterhin
die diffuse Kurzwellen- und die Warmfrontpassage im Fokus stehen und mit ihr die
Frage, inwieweit Niederschlag fällt und wo mögliche Niederschlagsschwerpunkte
entstehen können. Insgesamt sollte jedoch die Niederschlagsneigung entlang der
Warmfront im Nordosten immer weiter zurückgehen. Die Gegensätze innerhalb der
Numerik bleiben bestehen, sodass aus Gründen der Persistenz zunächst ein
Schwerpunkt der Niederschläge aus der Nacht heraus in Thüringen bis ins Vogtland
und in Richtung Harz angedeutet wird. Die 6-std. Mengen schwanken je nach Modell
und orografischer Auflösung innerhalb des Modells zwischen 0,x und 3 l/m².
Insgesamt könnte somit meist "markant" gewarnt werden, jedoch regional weiterhin
mit der Option, dass die Ausgabe einer Unwetterwarnung notwendig erscheint (vor
allem, wo über mehrere Stunden gefrierender Regen der leichten Intensität fällt,
wie z.B. in südwest-gerichteten Staulagen). Inwieweit Niederschläge auch
Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Brandenburg betreffen ist noch sehr
unsicher. Hier könnte es jedoch auf lokalen Schneegriesel oder gefrierenden
Sprühregen mit regional markanter Glätte hinauslaufen. Im Umfeld der Oder ziehen
zwar zunehmend ausgedehnte Wolkenfelder durch, es sollte jedoch hier trocken
bleiben. Auch ergeben sich in Richtung Schleswig-Holstein vor allem von IFS
angetriebenen Modellen Anzeichen für etwas kräftigeren gefrierenden Regen, doch
steht diese Option noch zu isoliert im Raum, als dass näher darauf eingegangen
wird.

Im Süden beginnt der Tag recht freundlich und trocken, bevor hier im Verlauf der
zweiten Tageshälfte anhaltender Niederschlag von Frankreich aufzieht und je nach
Modell den Schwarzwald bzw. ganz Baden-Württemberg erfasst. Mit nur wenigen
Litern auf den Quadratmeter fallen die Mengen nicht warnrelevant aus.


In der Nacht zum Dienstag zieht die eine Kurzwelle unter Auflösungserscheinungen
nach Polen und Tschechien ab, während im Verlauf der Nacht von Westen ein neuer,
markanter Trog auf den Westen übergreift. Allerdings ergeben sich noch
erhebliche Diskrepanzen, wie schnell die Welle ostwärts vorankommt. Während sie
bei GFS am Dienstag 06 UTC über England liegt wird sie bei IFS über Irland und
bei ICON noch weiter stromauf berechnet.

Ohne auf Detailfragen einzugehen bleibt unter dem Strich, dass ein
Niederschlagsgebiet vom Südwesten ausgehend in Richtung Mitte und Bayerischer
Wald geführt wird und dass an dessen Ostrand erneut gefrierender Niederschlag
möglich ist (grob Vogtland bis zum Bayerischen Wald). Ausgangs der Nacht erfolgt
dann der nächste Schwall feuchter Luft von Frankreich, der dem Südwesten
kräftigeren Regen bescheren könnte - allerdings ist noch unsicher, ob der
Niederschlag bis 06 UTC Südwestdeutschland erreicht.

Die Tiefstwerte liegen im gesamten Osten bei 0 bis -4 Grad, im Nordosten bis -8
Grad und verbleiben im Westen bei vergleichsweise milden 2 bis 7 Grad. Im
Hochschwarzwald treten zunehmend Sturmböen aus Südwest auf.


Dienstag... steht dann ganz im Zeichen der nächsten Trogpassage, wobei
deutschlandweit aus stark bewölktem bis bedecktem Himmel Regen fällt. Die
Schneefallgrenze liegt bei etwas über 1000 m und natürlich stellt sich für den
Osten erneut die Frage: gefrierender Niederschlag, ja oder nein? Das Timing
spielt hier eine Rolle, denn einige Modelle bringen den Niederschlag zum
Nachmittag in den Nordosten, während andere eher den Abend im Visier haben.
Grundsätzlich erscheint mir dieser Zeitraum (zum Abend) aus heutiger Sicht recht
prädestiniert für gefrierenden Niederschlag in Vorpommern und im Umfeld der Oder
zu sein (gefrorener Boden, kräftige Niederschläge, zähe Kaltluft). Abgesehen
davon fällt deutschlandweit rund 4 bis 8 l/m² Niederschlag, in Staulagen auch
etwas mehr. Es setzt im Bergland Tauwetter ein, doch die kräftigeren
Niederschläge treten erst jenseits der Kurzfrist auf.

Die Höchstwerte liegen im Bereich Uckermark um 0 Grad und klettern den Rhein
entlang auf 10 bis 12 Grad. Der Wind frischt aus südwestlicher Richtung auf mit
Sturmböen im Bergland und teils schweren Sturmböen auf dem Brocken bzw. dem
Feldberg.


Modellvergleich und -einschätzung
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Zwar wird die grundsätzliche synoptische Entwicklung recht gut erfasst:
wiederholt ziehen von Westen Kurzwellen nach Deutschland. Leider ergeben sich
bereits von Beginn an Unsicherheiten über deren exakte Amplitude und
Platzierung, was entscheidend ist bei der Frage, wie weit nach Osten die
Niederschläge ausgreifen und welche Intensitäten beim Niederschlag zu erwarten
sind.

Bis zum Dienstag nehmen die Diskrepanzen bei der Verlagerung der Kurzwellen
immer deutlicher zu, sodass hier noch erhebliche Unsicherheiten herrschen. Auch
innerhalb der jeweiligen Läufe sind noch Verschiebungstendenzen der Druckgebilde
nicht abgeschlossen (z.B. GFS mit einer verzögerten Verlagerung der Kurzwelle
zum Dienstag hin). Solange auch noch solche internen Anpassungen nicht
abgeschlossen sind, fällt eine genaue Vorhersage sehr schwer.

Abgesehen davon zeigen aber alle Modelle ein schubweise Verdrängen der Kaltluft
gen Osten.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy