DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-12-2021 09:01
SXEU31 DWAV 250800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 25.12.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
HNa

Über der Mitte heute noch etwas Schnee, im Nordosten Dauerfrost, im Südosten
lokal etwas gefrierender Regen nicht ausgeschlossen. In der Nacht zum Sonntag im
Nordosten wieder strenger Frost. Im Südwesten und Süden Regen, in Ostbayern und
im Westen geringe Gefahr für gefrierenden Regen. Ab dem morgigen Sonntag,
insbesondere aber in der Nacht zum Montag und am Montag mit Übergreifen der
Warmluft aus dem Südwesten in Richtung Nordosten verbreiteter Gefahr von
gefrierendem Regen (Unwetter möglich).

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... liegt in 500 hPa ein Langwellentrog mit massivem Kaltluftkörper über
Skandinavien (Kern über Finnland), wobei der Trog mit seiner zyklonalen Strömung
etwa bis zum nördlichen Balkan, der Kaltluftkörper etwa bis zur deutschen
Ostseeküste und nach Zentralpolen reicht. Diesem steht über Nordwesteuropa und
dem Nordatlantik ein Höhenrücken gegenüber, der in seinem südlichen Teil über
Großbritannien abgeschnürt wird. Im Tagesverlauf verschieben sich der
Kaltluftkörper sowie der Trog leicht nach Südosten, der Rücken bleibt als
schmale Geopotentialbrücke erhalten, die sich von der südlichen Nordsee bis nach
Grönland erstreckt. Über Frankreich ist dieser Rücken den ganzen Tag über nur
als schwache, antizyklonale Kontur im Geopotentialfeld zu erkennen, die nach
Süden in eine weitere Trogstruktur übergeht. Im Bodendruckfeld korrespondiert
mit dem Langwellentrog ein 983er Tief, das zögerlich nach Osten vorankommt und
dabei einen sehr moderaten Druckanstieg auf gut 985 hPa zu verzeichnen hat. An
dieses schließt sich im Süden und Westen eine Hochdruckbrücke an, die in einem
weiten Bogen von Island über den Nordosten Deutschlands bis zur Ukraine
verläuft. Dabei zeigen sich in der aktuellen Bodenanalyse von 03 UTC noch zwei
Frontenzüge, wovon der markantere einen gut erkennbaren Windsprung aufweist und
von der Eifel bis nach Ostbayern orientiert ist. Die zweite, etwas weiter
nördlich verlaufende Kaltfront trennt die sehr kalt Polarluft über dem Nordosten
von milderer Luft im übrigen Teil des Landes. Die Kaltluft kann man mit ihren
Taupunkten von -7°C bis -10°C und 850er Temperaturen bis -10°C recht gut
charakterisieren, was in der Nordosthälfte trotz viel Sonne Dauerfrost bedeutet.
Im Süden dagegen liegen die 850er Temperaturen bei bis zu 3°C, die Taupunkte
bringen es auf 3°C bis 6°C, dabei ist bei dichter Bewölkung verbreitet Regen
angesagt. Im Übergangsbereich von Kalt- zu Warmluft, insbesondere vor bzw. an
der allmählich mit der Hauptfront verschmelzenden Kaltfront, fallt etwas Schnee.
Somit ist davon vor allem ein Streifen betroffen, der vom Sauer- und Siegerland
sowie dem Westenwald im Westen bis zum Erzgebirge sowie nach Oberfranken und zur
Oberpfalz im Osten verläuft. Die Mengen bewegen sich im Tagesverlauf meist
zwischen 1 und 5 cm Neuschnee, so dass warntechnisch zumindest gebietsweise auch
mit einer Glättewarnung operiert werden könnte. ICON, aber auch z.B. EURO4 oder
GFS, simulieren im Vormittagsverlauf in Nordbayern auch kleinere Regionen mit
Mengen über 5 cm Neuschnee in 6 Stunden, was dann eine markante
Schneefallwarnung nach sich ziehen könnte. Geschuldet sind diese etwas höheren
Neuschneemengen der Verlagerung der Niederschlagsschwerpunkte nach Osten, was
wohl einem schwachen Randtrog geschuldet ist. Letztendlich ist in Bayern, wo die
Kaltluft etwas schneller nach Süden vorankommt bzw. etwas schneller einsickert
als im Westen, in der Übergangszone auch mal gefrierender Regen nicht
ausgeschlossen. Am Oberrhein und an den Alpen werden Höchstwerte von knapp über
10 Grad erwartet. Der Wind ist kein warnrelevantes Thema.

In der Nacht zum Sonntag verlagern sich das Skandinavische Tief und der
zugehörige Langwellentrog etwas nach Osten. Innerhalb der Hochdruckbrücke baut
sich, getriggert vom Höhenrücken, ein abgeschlossenes Hoch über dem Nordwesten
Deutschlands auf, das im Verlauf kräftiger wird und seinen Schwerpunkt dabei
nach Polen und zur Ukraine verlagert. Somit hält über dem Nordosten das ruhige,
aber sehr kalte Wetter an, was auch wieder verbreitet strengen Frost bedeutet,
der nunmehr, auch in Verbindung mit dem dort heute bzw. in der vergangenen Nacht
gefallenen Neuschnee, bis nach Mitteldeutschland ausgreift. Der Schneefall lässt
unter dem Einfluss des sich verstärkenden Hochs nach. Im Süden, etwa von der
Pfalz und dem Schwarzwald im Westen bis nach Niederbayern, muss weiterhin mit
Regen gerechnet werden. Während der schwache bodennahe Wind zumeist, mit
Ausnahme des Südwestens, auf der Südwestflanke der Hochdruckbrücke bzw. des
Hochs aus östlicher Richtung weht, dreht der Höhenwind über dem Westen und
Südwesten zunehmend auf West. Diese Gegenstromlagen-Konstellation sorgt nicht
nur mitunter für kräftigeren Regen, sie sorgt auch dafür, dass die Niederschläge
in der zweiten Nachhälfte über dem Westen und Südwesten zögerlich wieder nach
Norden ausgreifen - worauf ICON, aber z.B. auch EZMW, mit etwas gefrierendem
Regen reagieren. Unter dichten Wolken bleiben der der Süden und Südwesten
frostfrei, lokal kann sich aber Nebel bilden.

Sonntag... zieht der skandinavische Langwellentrog, wenn auch zögerlich, weiter
nach Osten. An ihn schließt sich nach Westen ein Gebiet schwacher
Geopotentialgegensätze an, in dem sich kurzwellige Trog-Rücken-Strukturen
abwechseln. Einer davon ist der sich weiter abschwächende Höhenrücken über
Nordwesteuropa, wobei Deutschland dann komplett in seinem Einflussbereich liegt.
Seine Achse greift in der Frühe auf den Westen über, bis zum Abend erreicht sie
etwa eine Linie Allgäu - Taunus - Nordsee. Dabei verlagert sich im
Bodendruckfeld auch die Divergenzachse des Hochs, die am Vormittag noch über
Vorpommern zu finden sein soll, zur Ostsee. Dem Hoch folgt vom Nordatlantik ein
großräumiger und mehrkerniger Tiefkomplex, auf dessen Ostflanke, und damit auch
über dem Westen und Südwesten Deutschlands, die niedertroposphärische Strömung
eine mehr südliche Komponente bekommt. Dies führt zu einer allmählichen
nordwärtigen Verlagerung der Luftmassengrenze. Zu erkennen ist dies auch am der
0°C-Isotherme in 850 hPa. Befindet sich diese zu Tagesbeginn noch etwa auf einer
Linie vom Inn bis zum Niederrhein, so soll sie im Tagesverlauf bis auf eine
Linie Passau - Emden vorankommen. Dies lässt auch erkennen, das die Verlagerung
im Westen zügiger vonstattengeht als im Südosten - und im Westen wie auch in der
Mitte somit eher mit gefrierendem Regen zu rechnen sein wird. Dies deutet vor
allem EZMW an, etwas verhaltener gebiert sich diesbezüglich ICON, nur ganz
vereinzelt findet man entsprechende Signale bei GFS. Der davon möglicherweise
betroffene Bereich verläuft etwa vom Münsterland bis nach Nordbayern.
Letztendleich deuten die Modelle nach jetzigem Stand aufgrund der geringen
Niederschlagsmengen bezüglich des gefrierenden Regens eher markante Warnungen
als Unwetterwarnungen an. Südwestlich schließt sich an den potentiellen
Gefrierender-Ragen-Bereich eine Zone an, in der verbreitet leichter Regen fällt.
Im Nordosten dominiert die Sonne, die die Höchstwerte aber auch nicht in den
positiven Bereich schieben kann - dort bleibt es also dauerfrostig. Vorderseitig
der nach Norden vorankommenden Luftmassengrenze frisch über der offenen Nordsee
der Südostwind auf bis zur Stärke Bft 7. Im ungünstigsten Fall könnte dies für
die Nordseeinseln die Herausgabe einer kleinen Windwarnung erforderlich machen.


In der Nacht zum Montag schiebt sich der Tiefkomplex vom Atlantik weiter nach
Osten. Er beeinflusst dann das Wetter in ganz Deutschland, wobei der Wind in der
Südwesthälfte auf Süd dreht, ansonsten bleibt die Hauptwindrichtung eine
südöstliche. Mit dem über der Nordsee scharfen Gradienten kann es auf den Inseln
weiterhin für einzelne Böen Bft 7 reichen, im Gegensatz zu EZMW lässt ICON auf
an der Ostsee stärkere Böen zu, so dass nach unserem Modell auch dort in
exponierten Lagen einzelne 7er nicht ausgeschlossen sind. Mit der zögerlichen
Milderung scheint sich auch der Bereich des strengen Frostes etwas nach
Nordosten zurückzuziehen. Dann sollte nur noch in einem Streifen von der Ostsee
bis in die Lausitz die Temperatur auf oder unter -10°C sinken. Bleibt im Süden
noch das (kleine, also lokale) Nebelproblem - und natürlich der gefrierende
Regen. Durch die angesprochene Winddrehung und den etwas anziehenden Gradienten
greifen die Niederschläge vom Rhein her bis nach Niedersachsen und zur Saale
aus, wobei die Böden dort zum Teil durch den Dauerfrost ausgekühlt sind, teils
konterkariert die nächtliche Milderung den eigentlich zu erwartenden Tages- bzw.
Nachtgang der Temperatur. Will heißen: Zuerst kühlt sich die Luft in den
Frostbereich ab, dann wird es mit dem Regen wieder wärmer, aber der Boden oder
die Grundschicht bleiben kalt. Die entsprechende warme Nase ist in den Soundings
vor allem im Niveau 900 bis 950 hPa zu erkennen. Da die Regenmengen nach den
gängigen Modellen insgesamt gering zu bleiben scheinen, sollte der Schwerpunkt
des Warnwesens auf markanten Warnungen liegen, wobei lokale
Unwetterentwicklungen nicht ausgeschlossen werden können - was neben den
genannten Gebieten auch für die untere Donau gilt.

Montag... und in der Nacht zu Dienstag schreitet die Milderung voran. Dauerfrost
ist dann nur noch nordöstlich der Elbe ein Thema, in der Nacht zum Dienstag
beschränkt sich der Frost auf die Osthälfte, wobei die tiefsten Minima nur knapp
in den mäßigen Frostbereich unter -5°C sinken. Von Westen nähert sich, vom
Ärmelkanal nach Nordfrankreich ziehend, ein kleinräumiges flaches Tief, dessen
Warmfront in der Nacht mit Regen auf den Südwesten übergreift. Die "alte"
Luftmassengrenze schafft es nach EZMW bis zum Abend auf eine Linie
Schleswig-Holstein - Erzgebirge. Laut ICON soll sie dann aber schon bis zur
Ostsee und zur Lausitz vorangekommen sein - diese Modellunterschiede sind
durchaus beachtlich. Bei beiden genannten Modellen soll die Front etwas
zerfleddern, die stärksten Hebungsantriebe erwarten beide aber über dem Norden,
was einem Kurzwellentrog über der Nordsee geschuldet ist. So werden wir nach
aktuellem Stand im Norden (Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen,
Mecklenburg-Vorpommern, Bremen) der Unwetterschwelle näherkommen (bzw. die
Unwetterschwelle mit größerer Wahrscheinlichkeit überschreiten) als in den
übrigen Landesteilen. In der Nacht ziehen die (gefrierenden) Niederschläge der
ersten Front dann nach Nordosten ab. Die Warmfront des neuen Tiefs kommt mit
ihren Niederschlägen aber weiter nach Nordosten voran - und trifft dann wieder
(da sozusagen "nachtaktiv") auf frostige Böden. Da besteht dann, insbesondere in
den östlichen Mittelgebirgen - erneut die Gefahr für gefrierenden Regen. Nebel
kann in der Nacht auch wieder ein Thema werden. Und da mit dem Tief der Gradient
anzieht, frischt von Südwesten her der Wind auf. Böen der Stärke 7, exponiert
auch 8 sind dann in den Hochlagen des Südwestens und Südens möglich, aber auch
auf dem Brocken.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumigen Abläufe simulieren die Modelle ähnlich. Unterschiede zeigen
sich insbesondere in der Lage der Front am Montag und in der Nacht zu Dienstag
über Norddeutschland. Ansonsten bleiben - naturgemäß - Unterschiede in der Lage
und Intensität der Niederschlagsfelder erkennbar, die sich auch auf die Frage
des gefrierenden Regens auswirken.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas