DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

21-12-2021 12:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 21.12.2021 um 10.30 UTC



Luftmassengrenze zu Weihnachten mit Potential für markante weiße Überraschungen,
aber auch Glatteisgefahr.
__________________________________________________________

Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 28.12.2021


Das Weihnachtswetter ist ja hierzulande immer von besonderem Interesse und so
werden wir Meteorologen nicht selten schon mit den ersten Fragen nach dem
Weihnachtswetter konfrontiert, wenn die Kerzen am Adventskranz noch gar
entzündet sind. In alter Tradition werden die Anrufer dann auf "frühestens eine
Woche vor dem Fest" verwiesen. Nun sind die Feiertage längst in den
Mittelfristbereich gerückt, doch sehen wir uns immer noch mit erheblichen
Unsicherheiten konfrontiert, insbesondere wenn es um die räumlichen Details
geht.
Am Heiligabendmorgen, zum Beginn des Mittelfristzeitraums, zieht nach IFS erst
einmal eine Warmfrontwelle rasch ostwärts von der Kimbrischen Halbinsel in den
Bereich der russischen Oblast Kaliningrad. Diese bringt selbst dem äußersten
Norden Deutschland erst einmal keinen Schnee, sondern nur Sturm und Regen. Im
Tagesverlauf zieht dann auch weiter südlich Regen auf, im Norden setzt sich
allmählich kältere Luft durch, welche aber kaum noch niederschlagsträchtig ist.

Während dann in der Heiligen Nacht Christkind und Weihnachtsmann für allerlei
Bescherungen zu Hause sorgen, beschert uns die Atmosphäre draußen die Ausbildung
einer veritablen Luftmassengrenze. Zwischen der ostwärts abziehenden
Warmfrontwelle (jetzt ein richtiges Tief) und einem Nordmeerhoch stößt ein Trog
mit viel Kaltluft südwärts vor, während gleichzeitig auf der Vorderseite eines
Tiefs westlich der Britischen Inseln noch mit südwestlicher Strömung milde Luft
in weite Teile unseres Landes bringt (Stichwort Viererdruckfeld). Diese
Luftmassengrenze wird ausgangs der Nacht von Westen her durch den Trog
aktiviert, so dass von den Niederlanden her kräftige Niederschläge einsetzen. In
den Frühstunden des Feiertages soll dann nach IFS die bodennahe Luftmassengrenze
vom Münsterland zur Niederlausitz verlaufen. Südlich derselben regnet es leicht,
nördlich davon dürfte es kräftig schneien, und zwar durchaus stellenweise 10 bis
15 cm im Flachland. Irgendwo dazwischen wird man sich in der Kurzfrist die Temps
nochmal genauer ansehen müssen, da bei solchen Lagen natürlich auch gefrierender
Regen eine Rolle spielen kann. Am Nachmittag des Weihnachtstages lassen die
Niederschläge nach und die Luftmassengrenze ist dann etwas nach Süden gerückt.
Über Rügen haben sich in 850 hPa -10°C durchgesetzt und in der arktischen
Kaltluft wird der Himmel klar. Südlich der Mitte liegen wir dagegen immer noch
zwischen +2 und +4°C und es regnet ab und zu. Auch in der Nacht ändert sich
nicht mehr viel an der Lage. Im Norden gibt es über Schnee strengen Frost.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag liegen wir dann in der Höhe in einer recht
schwachen konfluenten Westströmung. Bodennah zieht ein Ableger des Nordmeerhochs
von Polen zur Ukraine. Gleichzeitig zieht an der Südflanke des atlantischen
Tiefkomplexes ein kräftiges Tief von Westen Richtung Biskaya. Die
Luftmassengrenze ist weitgehend inaktiv und wird wieder nach Nordosten gedrängt.
Etwas Schnee oder gefrierender Regen kann dort aber weiterhin fallen. Im
Nordosten gibt es bei strammem Ostwind Dauerfrost. Im Südwesten kommen im
Tagesverlauf Regenfälle auf. Diese verlagern sich in der Nacht nach Nordosten in
den Bereich der Luftmassengrenze, wo die Gefahr von gefrierendem Regen deutlich
ansteigt.
Das Biskayatief zieht am Montag über Frankreich südostwärts in den
Mittelmeerraum. Überall in Deutschland dreht folglich der Wind auf Ost und mit
flotter Ostströmung wird vor allem bodennah kalte Luft advehiert, in der Höhe
ist die Luftmasse nicht besonders kalt. Die Luftmassengrenze ist dann auch nicht
mehr so scharf ausgeprägt, aber wo es Niederschlag gibt (allzu viel ist nicht
mehr simuliert), muss mit allen erdenklichen Phasen gerechnet werden, zumindest
im Nordosten herrscht auch noch Dauerfrost.
Am Dienstag verlagert sich dann das Tief Richtung Adria und Balkan, während
nördlich unseres Landes eine Hochdruckzone zu finden ist, was weiterhin für
nördliche bis östliche Winde sorgt und wenig Wetteränderung im Vergleich zum
Montag. Da es ohnehin noch recht große Modellunterschiede gibt, sparen wir uns
an dieser Stelle auch mal den Blick in die erweiterte Mittelfrist.
__________________________________________________________

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz des aktuellen IFS-Laufs mit seinen beiden Vorgängern ist über die
Weihnachtsfeiertage hinweg auf gröberer Skala gar nicht so schlecht, allerdings
spielt die Musik (und zwar nicht "Stille Nacht"!) natürlich an der
Luftmassengrenze, deren Lage durchaus unterschiedlich simuliert wird, was für
einen ortsfesten Wetterkonsumenten natürlich erhebliche Auswirkungen hat. Zu
Beginn der Woche zeigen die jüngeren Läufe zunehmend südlichere Tiefzugbahnen,
was auch eine südlichere Lage der Luftmassengrenze zur Folge hat.
__________________________________________________________

Vergleich mit anderen globalen Modellen


Einig sind sich die Modelle dahingehend, dass sich ab Heiligabend nach Abzug der
Welle eine Luftmassengrenze über dem Norden Deutschlands bildet. Wie sich diese
verlagert, wie aktiv diese ist und wann sie sich wieder auflöst, ist dagegen
hochgradig unsicher. Die erste Packung Schnee am ersten Weihnachtsfeiertag
irgendwo in der Mitte Deutschlands zeigen neben IFS auch GFS, GEM und UKMO,
wobei die Summen durchaus sehr unterschiedlich sind und nach GFS oder UKMO
durchaus auch mal um 20 cm Neuschnee fallen können. ICON hat hierbei nicht viel
zu bieten. UKMO und GFS zeigen dann am Folgetag eine erneute Aktivierung der
Luftmassengrenze mit weiteren Schneefällen, möglicherweise dann etwas südlicher
ansetzend. GEM zeigt dies schwächer, bei ICON ist wie bei IFS zunächst nicht
viel Schnee im Programm. Im Umfeld aller Schneefallgebiete kann es auch immer
Glatteis geben. In der Nacht zum Montag lassen dann alle Modelle die milde Luft
wieder etwas vorankommen, was für eine erhöhte Gefahr von Glatteis spricht.
Zu Beginn der nächsten Woche sollen dann nach allen Modellen außer GFS Tiefs
südlich unseres Landes vorbei ziehen, was für eine Abschwächung der
Luftmassengrenze und weniger Niederschläge bei uns sorgt. GFS lässt dagegen
wieder ein Tief direkt nach Deutschland ziehen, das die Luftmassengrenze ganz im
Norden wieder verstärkt und dort kräftige Niederschläge in allerlei Phasen
bringen könnte.
Im weiteren Verlauf in die Mittelfrist hinein, divergieren die Szenarien weiter,
darüber heute schon zu spekulieren ergibt keinen Sinn.
__________________________________________________________

Bewertung der Ensemblevorhersagen


Das IFS-Ensemble verteilt sich im Mittelfristzeitraum (Sonntag, 00 UTC bis
Dienstag, 00 UTC) auf drei Cluster. Die beiden ersten (zusammen 43 Mitglieder,
Hauptlauf, Kontrolllauf) zeigen die generell recht südlich verlaufende
Frontalzone in unserem Raum, wobei wir zum Ende im Bereich eines Troges liegen.
Im Bodendruckfeld liegen die Tiefs immer sehr nahe bei uns. C3 (8 Mitglieder)
zeigt dagegen gegen Ende eine recht stramme Westlage direkt über uns, also mit
wieder etwas nördlich liegender Frontalzone. Bodennah zieht ein kräftiges Tief
nach Norddeutschland und bringt kräftigen Westwind.
Werfen wir noch einen Blick auf die Rauchfahnen, heute auf drei repräsentative
Orte:
Greifswald (Nordosten) zeigt in 850 hPa einen starken Temperaturrückgang auf
-10°C zum 25.12. Danach verbleibt das Temperaturniveau niedrig mit einem
Schwerpunkt der Ensembles um -10°C.
In Erfurt (Mitte) verbleibt das Temperaturniveau mit etwa 0°C bis Montag mit
relativ großer Sicherheit noch recht hoch, das heißt südliche Verläufe der
Luftmassengrenze sind unwahrscheinlich. Erst ab Dienstag zeigt die Mehrheit der
Läufe zu deutlich niedrigeren Temperaturen hin.
Über Freiburg (Südwesten) geht das Temperaturniveau in 850 hPa von Freitag bis
Montag nur allmählich von 5°C auf knapp über 0°C zurück. Erst danach geht die
Tendenz bei der Mehrheit der Mitglieder deutlicher nach unten, aber mit
erheblicher Unsicherheit. An allen Orten fallen die hohen Niederschlagssignale
auf, wenngleich ohne besonders hohe Spitzen.
Wie sieht es im Vergleich dazu beim GFS aus? In Erfurt und Freiburg recht
ähnlich. In Greifswald fallen dagegen nicht ganz unwahrscheinliche milde
Varianten um 0°C über die Weihnachtsfeiertage auf.
_________________________________________________________

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


EFI: Zeigt für Schnee zu Beginn ganz im Nordosten ein Signal.

Aus der Zusammenschau (dafür braucht's die Synoptiker (m/w/d) und den Austausch
derselben untereinander) der verschiedenen deterministischen Läufe ergibt sich
für den äußersten Nordosten am Freitag eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für
signifikante Schneefälle, an den beiden Weihnachtsfeiertagen dann eher zur Mitte
hin verschoben. Dabei sind unwetterartige Entwicklungen durchaus nicht
ausgeschlossen. Auch für Glatteis, ebenso bis in den Unwetterbereich, sind die
prognostizierten Lagen gut zu haben. Die Ensembles (ohnehin nur für Schneefall
verfügbar) sämtlicher vorliegender Modelle bringen dagegen nur zurückhaltende
Hinweise auf die Schneefälle, was wohl auf die Kombination der Unsicherheit
stärkerer Niederschlagsereignisse mit den großen räumlichen Unsicherheiten
zurückzuführen ist.
Je nach Tiefdruckentwicklung könnte auch Wind (eventuell dann auch
Schneeverwehungen!) ein Thema werden, was aber in den kommenden Tagen sicherlich
nicht im Vordergrund stehen wird.
________________________________________________________

Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-MIX, IFS-EPS
________________________________________________________


VBZ Offenbach / Dipl. Met. Peter Hartmann