DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

20-12-2021 13:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 20.12.2021 um 10.30 UTC



PFE - Prognostiker-Feindliche-Entwicklung. Zu Weihnachten unsicher, aber
spannend mit Grenzwetterlage und allen dazugehörigen Schikanen.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 27.12.2021


Mann oder Frau können es drehen und wenden wie sie wollen, die
Weihnachtsprognose bleibt in diesem Jahr eine Herausforderung der besonderen
Art. Man wird den Gedanken nicht los, dass Petrus die gesamte Meteorologenschaft
ausgerechnet zum Fest - mal wieder, möchte man sagen - mit dem Nasenring durch
die Manege ziehen will Von regionalen Schneefällen der fettesten Sorte über
Glatteis und normalen Regen bis hin zu "Null-Acht-Fünfzehn", dazu noch ´ne Prise
Wind oder Sturm - alles drin. Das Schlechte dabei: Auch heute, nur wenige Tage
vorm Fest, weiß noch immer keine Sau, wo genau es wie wird. Das Gute dabei: Es
stehen uns einige spannende Tage bevor. Doch der Reihe nach.

Der offizielle Mittelfristzeitraum startet am kommenden Donnerstag, einen Tag
vor Heiligabend mit einem veritablen Viererdruckfeld auf der großräumigen
Wetterkarte. Auf der einen Seite versuchen ein fettes Hoch über
Grönland/Nordmeer im Verbund mit einem Tief über Nordskandinavien, kalte Luft
aus polaren Breiten möglichst weit nach Süden zu verfrachten. Als Gegenspieler
treten ein umfangreiches Tief über dem Ostatlantik und ein Hoch über
Südosteuropa an, die ihrerseits milde Luftmassen vom Atlantik möglichst weit
nach Norden bzw. Nordosten transportieren wollen. Wie man leicht sieht zwei sich
diametral gegenüberstehende Prozesse, aus denen am Ende kein wirklicher Sieger
hervorgeht. Stattdessen mündet das Ganze in eine sogenannte Grenzwetterlage mit
scharfer Luftmassengrenze, die die beiden konträren Luftmassen voneinander
trennt.
Bezogen auf Deutschland sieht es am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag aber
erstmal so aus, dass die Warmluft klar in der Vorhand ist. Mit auflebendem
Südwestwind kann sie relativ weit nach Nordosten vordringen, die 0°C-Isotherme
auf 850 hPa erreicht bis Tagesende Vorpommern bzw. die Grenze zu Polen. Es kommt
gebietsweise zu leichten, in der Nacht im Norden und Nordosten auch mäßigen
Niederschlägen, die im Nordosten zunächst als Schnee, sonst als Regen fallen. Im
Übergangsbereich sowie in den östlichen und südöstlichen Mittelgebirgen
(Stichpunkt Kaltluftseen mit negativen Temperaturen) besteht Glatteisgefahr.

Am Freitag (Heiligabend), eigentlich schon in der Nacht zuvor zieht dann eine
kleines, stark elliptisch ausgeprägtes Tief von der Deutschen Bucht her über die
Kimbrische Halbinsel nach Nordpolen. Auf seiner unmittelbaren Südflanke
verschärft sich der Druckgradient für wenige Stunden, was an der See sowie im
küstennahen Binnenland einen auffrischenden, teils stürmischen Südwestwind zur
Folge hat. Zudem führt das Tief die o.e. Luftmassengrenze in Form einer
Kaltfront langsam ins Landesinnere. Bis 00 UTC erreicht die 0°C-Isotherme (850
hPa) etwa die Mainlinie, in MV blinkt derweil die -8°C auf.
Und was geht beim Wetter? - Nun, im Norden und Nordosten kommt es zu weiteren
Niederschlägen, die sich im Zuge postfrontalen Druckanstiegs aber abschwächen.
Meist fällt Regen oder Nieselregen, in der Kaltluft wird aber auch etwas
Schneefall simuliert, vor allem zwischen Ostholstein und MV respektive dem
nördlichen BB. Die Frage wird sein - vorausgesetzt, es kommt tatsächlich so wie
beschrieben -, wie viel Schnee fällt und wie viel bleibt davon liegen? Immerhin,
es gab schon weit schlechtere Voraussetzungen für "Weiße Weihnacht".
Düster sieht es hingegen für die Südhälfte aus, wo man sich sehr wahrscheinlich
mit den nicht mehr ganz frischen Restbeständen im Bergland begnügen muss.
Ansonsten breiten sich im Tagesverlauf und in der Heiligen Nacht in Verbindung
mit einem in der Höhe ostwärts schwenkenden KW-Trog Regenfälle von West nach Ost
aus, die bei positiven Temperaturen alles andere als Weihnachtsstimmung
aufkommen lassen.

Kommen wir zum Wochenende (1./2. Weihnachtstag), wo sich im Norden unter
Zwischenhocheinfluss vorübergehend trockene Kaltluft durchsetzt. Vor allem an
der Ostsee sind aber noch einzelne Schneeschauer möglich. Ansonsten legt sich
die Zone mit der stärksten Baroklinität etwa über die nördliche Mitte, so dass
Süddeutschland in der milden Luft verbleibt. Hin und wieder fällt etwas
Niederschlag, meist als Regen oder Nieselregen, auf der kalten Seite etwas
Schnee.
Am Sonntag soll die Warmluft - angetrieben von einem kleinem, dicht an Irland
vorbei nordostwärts ziehenden Sturmtiefs - wieder Boden nach Nordosten hin
gutmachen. Dabei kommt es zu zeitweiligen Regenfällen, die im Norden und
Nordosten gefrieren können (Glatteis!). Auch die Schneephase ist dort anfangs
denkbar.

Am Montag geht die Zeit "zwischen den Jahren" los und das nach Lesart von IFS
mit einer sprichwörtlichen aber auch im wahrsten Sinne des Wortes flüssigen
Südwestströmung, die die Kaltluft endgültig aus Deutschland verdrängt
(0°C-Isotherme am Mittag schon weit draußen auf der Ostsee).
So weit die Geschichte von IFS, die, wie ihr später noch lesen könnt, eigentlich
die unspannendste unter den verschiedenen Modellszenarien ist. Zusammengefasst
stehen die Chancen auf "Weiße Weihnacht" in dieser Version von Ostholstein bis
nach Vorpommern bzw. zur Uckermark am besten, aber es steht zu befürchten, dass
das Ganze morgen respektive nach dem 12-UTC-Lauf schon wieder anders aussieht.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz des IFS-Modells vom ECMF ist nach wie vor alles andere als
berauschend. Zwar zeichnet sich ein gewisser Trend ab, gleichwohl gilt es noch
einige ganz fette Fragezeichen zu tilgen. Mit den heutigen Simulationen - vor
allem wenn man sich andere Globalmodelle ins Boot holt (siehe nächstes Kapitel)
- ist das nicht zu leisten, so dass die Vorhersage weiterhin hochgradig unsicher
bleibt. Das Kernproblem liegt vereinfacht darin, dass sich ausgerechnet zu den
Feiertagen eine sogenannte Grenzwetterlage mit einer scharfen Luftmassengrenze
ausbildet. Sie trennt kalte Luftmassen aus polaren Breiten von milder
Atlantikluft aus dem Südwesten. Derartige Wetterlagen sind extrem sensitiv und
die große Frage lautet, wo genau positioniert sich die Luftmassengrenze und
welche Wirkung erzielt sie. Kräftige Schneefälle auf der kalten, Regen auf der
warmen Seite, mittendrin noch Glatteis und auch lebhafter bis stürmischer Wind,
alles möglich bis wahrscheinlich, nur wo und wie viel?

Lange Rede, kurzer Sinn, die Vorhersage muss weiterhin sehr allgemein verfasst
werden und weist ein hohes Fehlerpotenzial auf.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Dass sich die Modelle hinsichtlich des Weihnachtswetters nicht grün sind, klang
weiter oben schon an. Okay, die Ausbildung einer recht scharfen Luftmassengrenze
scheint ausgemachte Sache. Was daraus aber gemacht wird, ist hochgradig volatil.
Exemplarisch seien an dieser Stelle ICON und GFS herausgegriffen, und zwar nur
in Bezug auf den Parameter "Schneehöhe" bzw. "Neuschnee" (Nordhälfte,
akkumuliert bis Sonntagabend):

ICON (gestern 12 UTC): Wenige Zentimeter zwischen Ostwestfalen und Sachsen sowie
in Vorpommern.

ICON (heute 00 UTC): Kompletter Schneestreifen von Westfalen /südliches NDS bis
hinüber nach Sachsen/südliches BB. Maximum Nordthüringen/Harz+Umland mit 10 bis
15 cm, lokal 20 cm Schnee.

GFS (gestern 12 UTC): Schnee Fehlanzeige.

GFS (gestern 18 UTC): Streifen von SH/HH bis nach Vorpommern und noch leicht
südlich davon bis zu 15 cm, in MV gebietsweise um 20 cm.

GFS (heute 00 UTC): Die absolute Krönung - breiter Streifen vom westlichen NDS
bis hinüber nach MV/nördliches BB verbreitet 10 bis 20 cm, gebietsweise (vor
allem NDS) 30 bis 40 cm, lokal ein HALBER METER!! Schnee. War da nicht mal was
am 6./7./8. Februar dieses Jahres??

GFS (heute 06 UTC): Ähnlicher Streifen wie im 00-UTC-Lauf, nur rund 200 km
weiter südlich.

Fragen bitte direkt an das Sekretariat "Petrus und Wettergott, am Himmel 2a"
oder einfach überraschen lassen.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


RAUCHFAHNEN (IFS-EPS:
Die Ensembles mehrerer deutscher Städte stützen weitgehend den "warmen"
Hauptlauf, auch wenn die Streuung ab Samstag sichtbar zunimmt. Nur wenige
Einzellösungen finden bei T850 den Weg in den "Keller" unter -5°C, lediglich im
äußersten Norden (Referenz Wangerooge, Rostock) ist eine höhere Memberzahl
kälterer Lösungen erkennbar. Das spräche für eine irgendwo im Norden
positionierte Luftmassengrenze. Was einigermaßen sicher ist, dass ab Donnerstag
unbeständiges Wetter mit wiederholten Niederschlägen einsetzt (kräftiges
Grundrauschen bei den RR-Signalen). Was unsicher bleibt ist die Phase der
Niederschläge.

CLUSTER:
T+120...168h (Samstag bis Montag): 3 Stück, alle NAO negativ, Luftmassengrenze mal
mehr mal weniger und auch räumlich unterschiedlich ausgeprägt.

T+192...240h (Dienstag bis Mittwoch): 3 Stück, dabei von NAO negativ über NAO
positiv bis hin zu Blockierung alles drin. Also auch in der erweiterten
Mittelfrist hohes Überraschungspotenzial.

FAZIT: Auch wenn die Ensembles den Hauptlauf mehrheitlich stützen, bleibt ein
hohes Maß an Unsicherheit.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Es verwundert nicht wirklich, dass die Probabilistik von IFS-EPS keine oder nur
dünne Signale in Bezug auf markantes Wetter aussendet. Von daher bleibt an
dieser Stelle nichts übrig, als frei zu spekulieren. Bei aller gebotenen
Vorsicht sind über die Weihnachtstage durchaus stärkere Schneefälle insbesondere
in der Nordhälfte nicht ausgeschlossen. Wo genau wie viel fällt - who know´s.
Auch die Möglichkeit gefrierenden Regens mit Glatteis ist gegeben, allerdings
auch da keine belastbaren Prognosen möglich.
Wind respektive Sturm können auch mal auf den Plan treten, spielen insgesamt
wahrscheinlich aber nur eine untergeordnete Rolle.
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Basis für Mittelfristvorhersage
Bauch.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann