DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-12-2021 09:01
SXEU31 DWAV 150800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 15.12.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Nach Hoffmann HbSN (Hoch bis Sankt Nimmerlein), nach Hess Brezowsky eher
Übergang von Wa (West antizyklonal) zu HB (Hoch Britische Inseln)

Ruhiges, vielfach trübes Adventswetter ohne besondere Vorkommnisse.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... Nachdem die Wetterlage vor Wochenfrist unter der Ägide eines
langwelligen Höhentrogs noch sehr abwechslungsreich und zumindest regionsweise
(vor allem Mittelgebirge, Süden, Nordosten) winterlich vonstattenging, bestimmt
mittlerweile klassisch antizyklonale Tristesse unseren Alltag. Milde und feuchte
Atlantiksuppe mit Nebel, Hochnebel und Nieselregen sind genau die Attribute, die
den gemeinen Vollwetterfan aus dem Sattel katapultieren und vor Spannung kaum
schlafen lassen - Quatsch! Das genaue Gegenteil ist der Fall, aber wie heißt es
so schön, wenn auch abgedroschen: Wetter ist kein Wunschkonzert. Stimmt, und so
müssen wir es nehmen, wie es kommt, also tapfer ran an die Beschreibung der
Wetterlage.

Hauptdarsteller auf der aktuellen Wetterkarte ist das zonal exponierte Hoch
YASCHA, das weite Teile Mitteleuropas überdeckt und von einem ebenfalls zonal
angeordneten, nur wenig Amplitude aufweisenden Höhenrücken gestützt wird. Der
Rücken wird im Norden von der ziemlich glatt konturierten Frontalzone begrenzt,
die vom mittleren Nordatlantik kommend über Südskandinavien verläuft. Sie
tangiert in abgeschwächter Form die Abläufe im Norden und am morgigen Donnerstag
auch im Osten des Landes. So wird heute mit einer schwachen bis mäßigen, an der
See auch mal etwas flotteren südwestlichen Strömung milde (T850 um 5°C) und
niedertroposphärisch feuchte Atlantikluft advehiert (Inversion meist zwischen
900 und 800 hPa), in der Wolkenauflockerungen ein Luxusgut sind. Stattdessen
sollte man eher mal feintröpfigen Nieselregen einplanen, auch wenn er nicht
flächendeckend auftritt und tagsüber tendenziell eher abnimmt. Bereits die
Frühtemperaturen von rund 10°C zwischen dem westlichen Niedersachsen und SH bzw.
Westmecklenburg zeigen, in welche Richtung der thermische Hase läuft.
Höchstwerte im Norden bis zu 11°C, im Lee des Harze vielleicht bis zu 12°C sind
statistisch alles andere als typisch für Mitte Dezember, aber was interessiert
die Natur unsere Statistiken.

Vom Norden in die restlichen Landesteile, wo de jure das Hoch zwar stärker
vertreten ist als im Norden - die Divergenzachse verläuft quasistationär etwa
vom Saarland bis hinüber zur Oberpfalz -, was de facto aber nur bedingt was
bringt. Auch in der Mitte und im Süden hat sich grob zwischen 900 und 800 hPa
eine Absinkinversion etabliert, die eine feuchte Grundschicht von einer ziemlich
trockenen Troposphäre darüber trennt. Zwar tummeln sich anfangs noch einige hohe
und mittelhohe Wolken am Himmel (die man durch das tiefe Gewölk aber meistens
nur aus der Satellitenperspektive sehen kann), die im Tagesverlauf aber mehr und
mehr nach Osten und Südosten abgedrängt werden. Was bleibt sind Nebel respektive
Hochnebel und nur wenige Lücken. Chancen auf Sonnenschein? - Bedingt, und zwar
am ehesten in den Hochlagen der Alpen, vielleicht noch im höheren Vorland sowie
auf den Höhen von Schwarzwald und Schwäbischer Alb. Ob es auch im oberen
Bayerischen Wald reicht (Großer Arber 1436 m heute früh laut Automat
"gefrierender Nebel mit Himmelsicht") sowie wie von MOS-Mix vorgeschlagen in
RP/Saarland und im Lee vom Harz, bleibt abzuwarten. Fakt ist, dass die
Temperatur in der Mitte und im Süden mit maximal 4 bis 9°C (in einigen
süddeutschen Niederungen auch etwas darunter) zwar nicht ganz so hoch ausfällt
wie im Norden, wirklich kalt geht aber anders, ganz anders.

In der Nacht zum Donnerstag ändert sich wenig an der starren Großwetterlage, was
verbreitet bedeckte oder neblige und weitgehend frostfreie Bedingungen zur Folge
hat. Einzig ganz im Süden (Alpenrand, südliches Vorland sowie Schwarzwald,
Albhochfläche und Bayerischer Wald) reicht es für ein paar mickrige Minusgrade,
potenzielle lokale Glätte durch gefrierende Nässe inklusive. Nach Norden hin
bleibt die Luftmasse wenigstens etwas in Bewegung, was die Wahrscheinlichkeit
für Bodennebel auf null sinken lässt. Hinzu kommt natürlich die weiterhin
geschlossene Bewölkung, aus der hier und da noch ein paar Spritzer Nieselregen
fallen. In den frühen Morgenstunden geht der Blick des geneigten Beobachters in
den äußersten Norden, wo sich die Kaltfront einer flachen, über Südskandinavien
ostwärts schwenkenden Welle nähert. Nun ist diese Kaltfront alles andere als ein
Vorzeigeexemplar seiner Zunft (kaum Baroklinität, kaum Wetterwirksamkeit),
trotzdem könnte es reichen, die Wolkendecke von Jütland her auflockern zu
lassen, was zunächst aber nur den Norden SHs treffen würde und - seien wir
ehrlich - vor Sonnenaufgang eigentlich auch perdu ist.

Donnerstag... Nach Sonnenaufgang könnte sich das dann allerdings ändern, wenn
nämlich besagte Kaltfront eine Schwachstelle im Hoch nutzt und über den Norden
und Osten südostwärts schwenkt. Noch entscheidender für die KF-Passage als die
Schwachstelle im Bodenhoch ist allerdings das merkliche Aufwölben des
Höhenrückens über Westeuropa und dem nahen Atlantik, was die Höhenströmung bei
uns von West auf Nordwest bis Nord drehen lässt. Postfrontal strömt zwar kaum
kältere, wohl aber etwas weniger feuchte, beim Überströmen der norwegischen
Gebirge abgetrocknete Luft in den Nordosten. Sie bringt von SH bis nach MV bzw.
bis ins nördliche BB Auflockerungen sowie sonnige Abschnitte - typischer Fall
des scheinbaren winterlichen Paradoxons der zyklonalen Wetterbesserung. An und
direkt vor der Front allerdings kann es etwas regnen, wobei ICON unter-, IFS
hingegen eher übertreibt (3 l/m² innert 12 h im Erzgebirgsstau scheinen etwas zu
hoch gegriffen).

Im großen Rest des Landes bleibt im Grunde alles beim Alten, meint
Hochdruckeinfluss mit kaum veränderter Divergenzachse. Wettertechnisch bedeutet
das einmal mehr großflächige Tristesse mit monotonem Hochnebel und z.T. sich nur
schleppend auflösenden Nebelfeldern. Wem das stinkt, sollte sich ganz in den
Süden in die Regionen zwischen Schwarzwald und Alpenrand orientieren, wo die
Chancen auf Sonnenschein insbesondere in den höheren Lagen signifikant zunehmen.
Während im Norden Höchstwerte um 9°C avisiert werden, stehen weiter südlich 2
bis 7°C auf der Karte.

In der Nacht zum Freitag regeneriert sich das Bodenhoch direkt über England auf
knapp über 1040 hPa, wobei gleich ml ein neuer Name fällig ist ("Opel" ZAFIRA).
Auf seiner Ostflanke wird die Kaltfront relativ zügig nach Südosten
durchgewunken. Dahinter präsentiert sich die Bewölkung im Osten und Nordosten
zumindest teilweise aufgelockert. Ansonsten heißt die Devise weiterhin viel
Hochnebel, gebietsweise Nebel (teils Bodennebel, teils aufliegende Wolken) und
nur sporadisch offene Stellen (vor allem in höheren Lagen). Leichter Frost tritt
in den schon bekannten Gebieten Süddeutschlands auf. Im Hochschwarzwald,
vornehmlich auf dem Feldberg frischt der Nordostwind in Böen stürmisch auf (8-9
Bft, evtl. mit Low-Level-Unterstützung sogar 10 Bft).

Freitag... verbringen wir am Rande des weiterhin über UK positionierten, sehr
potenten Hochs ZAFIRA (über 1040 hPa im Zentrum). Gestützt wird das Hoch von
einem breiten Rücken über dem Ostatlantik, der wiederum von Trögen über dem
westlichen Atlantik sowie dem nahen Osteuropa flankiert wird (=> Omega-Muster).
Mit der nordwestlichen, im Süden nordöstlichen Strömung wird
niedertroposphärisch geringfügig kältere Luft herangeführt (T850 0 bis 5°C mit
den niedrigeren Werten im Osten), was in der Endabrechnung auf 2 m Höhe aber
kaum zu Buche schlägt. Mit 4 bis 10°C, im Süden stellenweise etwas darunter,
bleibt es nicht nur mild, auch die Wolkenverteilung ändert sich nur wenig
gegenüber Donnerstag. Im Klartext bedeutet das im Nordosten sowie im Süden und
Südwesten (dort vor allem, aber nicht ausschließlich in höheren Lagen)
Auflockerungen oder sogar längere Zeit Sonnenschein. Zwischen den beiden
Lichtblick-Regionen heißt es einmal mehr tapfer sein und auf ein robustes Gemüt
setzen, was angesichts der bleiernden Grautöne durch Nebel und Hochnebel (+
lokalem Nieselregen) alles andere als leichtfällt.

Kurz noch die Nacht zum Samstag, die keine nennenswert neuen Erkenntnisse
bringt. Okay, Nebel könnte nun auch mal im Osten und Nordosten auftreten, wo
zudem ganz vereinzelt (im Erzgebirge häufiger) sogar leichter Frost nicht
ausgeschlossen ist. Zumindest in Bodennähe kühlt es gebietsweise auf 0°C oder
etwas darunter ab. Leichter Frost steht auch im Süden auf dem Programm, was -
seien wir ehrlich - trotz Klimaerwärmung im Winter keine wirkliche Überraschung
darstellt. Bleibt für alle, die statische Hochdrucklagen kategorisch ablehnen
(vor allem im Winter), nur die Hoffnung, dass sich zur Weihnachtswoche was tut
in der Atmosphäre. Ob diese Hoffnung berechtigt ist oder der Status Quo erhalten
bleibt erfahrt ihr heute Mittag in der "Synoptischen Übersicht Mittelfrist".


Modellvergleich und -einschätzung
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Hinsichtlich der Basisfelder wie Geopotenzial, Luftdruck oder auch Temperatur
bestehen modellübergreifend keine Zweifel an der geschilderten Entwicklung. Da
jedes Modell aber eine etwas andere Grenzschichtparametrisierung hat, gibt es
durchaus Unterschiede bei der Bewölkung. GFS entpuppt sich dabei in der Regel
als zu optimistisch was das Thema "Wolkenauflösung" angeht. Auffallend übrigens
auch die Unterschiede zwischen ICON (und größtenteils auch GFS) und IFS beim
Niederschlag. Die "Europäer" reagieren hinsichtlich Regen oder Nieselregen aus
tiefer Bewölkung weit sensitiver als die beiden anderen Modelle. Die Wahrheit
liegt häufig in der Mitte wie z.B. ein Blick auf die aktuelle Situation zeigt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann