DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-12-2021 18:30
SXEU31 DWAV 111800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 11.12.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Sonntag Warmfrontdurchgang mit nachfolgend merklicher Milderung. Im Bergland
vor allem nach Osten und Südosten hin vorübergehend Glatteisgefahr.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... ist in weiten Teilen Deutschlands noch leichter Zwischenhocheinfluss
wirksam. Die anfänglich noch auftretenden schwachen Niederschläge
(Küstenbereich, Alpennähe, Westen/Südwesten) gehen kaputt oder ziehen sich in
den südöstlichen Zipfel Bayerns zurück. Niederschlagsfreiheit ist aber nicht
lange garantiert, steht doch knapp westlich von uns bereits eine veritable
Warmfront (eine, die ihren Namen auch wirklich verdient hat und nicht so ein
Wischi-waschi-Gerät, das kein Mensch in den Analysen findet) ante portas, die zu
einem Monumentaltief knapp westlich von Island gehört (KAMILLO, Kerndruck heute
Mittag nahe 950 hPa!). Die Front wird im Laufe der Nacht auf den Westen und
Nordwesten übergreifen, wobei sie sich weder durch das kräftige Hoch über
Russland (zu weit weg) noch durch den über Westeuropa liegenden Höhenrücken
aufhalten lässt. Der Rücken wird wie so oft massiv von WLA überlaufen, die sich
bi zum Morgen auf den gesamten Vorhersageraum ausbreitet.

Vor diesem Hintergrund setzen wohl erst nach Mitternacht von der Nordsee und
Benelux her leichte Regenfälle ein, die sich bis nach SH und zur Mosel
vorarbeiten. Zwar steigt die Schneefallgrenze aufgrund der kräftigen WLA
(Anstieg T850 auf 0 bis +5°C) zügig an, gleichwohl kann beim Erreichen der im
Wege liegenden Mittelgebirge für kurze Zeit mal Schnee fallen. Auch kann beim
Übergang von Schnee in Regen lokal gefrierender Regen nicht ganz ausgeschlossen
werden, eine substanzielle Glatteislage ist aber nicht zu befürchten. Fakt ist,
dass der südliche Wind im Norden und Westen etwas auflebt, meist aber unter den
Warnschwellen bleibt. Am griffigsten präsentiert sich der Wind an und auf der
Nordsee (Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft insbesondere auf den Inseln und der
nordfriesischen Küste) sowie in den Kammlagen einiger Mittelgebirge (Brocken
"8er").

In den Gebieten, die die Nacht noch vor der Warmfront verbringen, stellen sich
unterschiedliche Bewölkungsverhältnisse ein. Teil halten sich noch für längere
Zeit mehr oder weniger große Lücken, was Nebelgefahr birgt. Teils halten sich
die Feuchtereste respektive tiefen Wolken vom Tage (vereinzelt etwas Nieselregen
oder Schneegriesel möglich => lokale Glätte) oder es zieht Aufzugsbewölkung auf.
Die Temperatur geht in der Südosthälfte und in Teilen der Mitte auf 0 bis -5°C,
bei längerem Aufklaren und vorhandener Schneedecke bis zu -10°C zurück. In den
übrigen Regionen stehen 0 bis +5°C auf der Karte, wobei die tiefsten Werte
vielfach schon in der ersten Nachthälfte erreicht werden. Mit Wind- und
Bewölkungszunahme steigen später auch die Temperaturen an.

Sonntag ... beginnt der Höhenrücken sich von Westen her mehr und mehr über den
Vorhersageraum zu legen. Dadurch beginnt sich die weiter ost-südostwärts
vorankommende Warmfront abzuschwächen. Nicht dass die weitere Ausbreitung
niedertroposphärisch milder Atlantikluft in Frage gestellt wäre - die
0°C-Isotherme auf 850 hPa erreicht bis zum Abend etwa die Oder-Neiße-Linie bzw.
eine Linie Garmisch-Straubing -, nein, die Niederschlagsintensitäten nehmen nach
Osten ab. Der Grund dafür liegt einerseits am antizyklonal konturierten
Potentialfeld, andererseits geht mitteltroposphärische WLA gänzlich kaputt.
Südlich der Donau sowie von Niederbayern via Oberpfalz bis hoch zur Lausitz
bleibt es bis zum Abend sogar noch weitgehend trocken.
Wie auch immer, aufgrund der Tageszeit nimmt die Glatteisgefahr immer weiter ab
und auch eine anfänglich mögliche Schneephase ist wahrscheinlich nur von kurzer
Dauer (die Prognosetemps zeigen ein schnelles Anwachsen der
niedertroposphärischen Schmelzfläche). Trotzdem könnte in den zentralen
Mittelgebirgen sowie in Franken für kurze Zeit und relativ zeitnah zumindest
eine Glättewarnung fällig werden. Akkumuliert über den Tag kommen in den meisten
Regionen weniger als 5 l/m² zusammen, lediglich in Staulagen der westlichen und
zentralen Mittelgebirge könnte es etwas mehr geben.

Wer am morgigen 3. Advent auf der Suche nach der Sonne ist, wird es schwer
haben. Am ehesten kommen am Vormittag noch die Lausitz sowie das Alpenvorland
und die Alpen in Frage, bevor im weiteren Verlauf so ganz allmählich die
Warmfrontbewölkung heranzieht. Der auf Südwest drehende Wind erreicht mit
Frontpassage seinen Höhepunkt, was in einigen Hochlagen Böen 7-8 Bft, auf dem
Brocken 9 Bft bedeutet. An der Nordsee ist nennenswerte Wind schon zum
sonntäglichen Mittagsbraten kein Thema mehr. Während die Milderung im Osten und
Süden nur schleppend vonstattengeht und 0 bis +5°C eher selten überschritten
werden, kommt man zwischen Kölle und Emden dicht an die 10°C-Marke ran.

In der Nacht zum Montag könnte es im Südosten zumindest punktuell spannend
werden. Zwar rückt der Höhenrücken weiter nach Osten vor und auch am Boden
steigt er Luftdruck an. Das verhindert allerdings nicht, dass Warmfront und
Niederschlag weiter südostwärts vorankommen. Da die 850-hPa-Temperatur weiter
steigt (die 0°C-Isotherme wird aus Deutschland herausgedrückt), steigt auch die
Schneefallgrenze auf über 1500 m an. Dass Problem sind die berühmt-berüchtigten
Kältelöcher, die sich bei solchen Lagen quasi wie das bekannteste aller
Gallischen Dörfer der allgemeinen Milderung nicht beugen wollen. Konkret, im
Osterzgebirge, im Zittauer Gebirge und im Elbsandsteingebirge sowie im
Bayerischen Wald und vielleicht auch noch im Fichtelgebirge könnte es für
gefrierenden Regen mit Glatteis reichen. Dafür spricht u.a. auch der Wind, der
entgegen der Hauptwindrichtung z.T. noch eine Ostkomponente aufweist, sofern er
überhaupt spürbar ist. Hinzu kommt, dass sich die Kaltluft in den Abendstunden
vor Eintreffen des Niederschlags aufgrund der vorhanden Schneeflächen noch mal
leicht regenerieren kann. Wie auch immer, eine überregionale Glatteislage deutet
sich auch auf Basis der aktuell veröffentlichten 12-UTC-Läufe von ICON nicht an.
Die Entscheidungen, ob z.B. eine Vorabinfo geschaltet wird oder nicht, müssen am
Sonntag getroffen werden.

Im großen Rest des Landes verläuft die Nacht relativ unspektakulär. In der
feuchten Atlantikluft bleibt es meist frostfrei, im Nordwesten mit 7/8+
regelrecht mild. Die tiefe Bewölkung liegt in den Mittelgebirgen vielfach auf
(=> teils dichter Nebel), hier und da fällt auch etwas Nieselregen.

Montag ... bleibt der Rücken quasistationär über Deutschland liegen. Seine Achse
erstreckt sich zur Mittagszeit von Nordwestafrika bis zur Ostsee bzw.
Südskandinavien. Der Rücken stützt eine Hochdruckzone, die sich von Algerien
über weite Teile Mitteleuropas bis in den Westen Russlands erstreckt, wo sie in
das kräftige Hoch XAVIELLE mündet. Es stellt sich eine gradientschwache Umgebung
ein, in der die eingeflossene milde Atlantikluft zu altern beginnt. Oberhalb 850
bis 800 hPa trocknet die Luftmasse absinkbedingt merklich ab, während die
Grundschicht ziemlich feucht bleibt.

Vor diesem Hintergrund fällt der Wochenstart verbreitet grau in grau oder neblig
trüb aus. Vor allem nach Osten hin nieselt es noch zeitweise, im Süden Bayerns
zieht sich der Regen mehr und mehr in die Alpen respektive nach Österreich
zurück. Damit entspannt sich auch die Glättesituation, die zumindest am Morgen
und am Vormittag noch eine Rolle spielen könnte. Etwaige Wolkenlücken können am
ehesten im Westen und Südwesten erwartet werden und auch die Hochlagen der Alpen
fangen an, aus der tiefen Wolken- und Nebelsuppe herauszustechen. Wind ist kein
Thema, dafür hohe Temperaturen, die im Nordwesten in den zweistelligen Bereich
um 11°C steigen. Etwas verhaltener der Süden und Südosten sowie der äußerste
Osten, wo z.T. noch Restschnee liegt, den es zu schmelzen gilt. Dabei bleibt
weniger Energie für den fühlbaren Wärmestrom, so dass die Temperatur teilweise
nicht über 5°C steigt.

In der Nacht zum Dienstag kippt der Höhenrücken ganz leicht im Uhrzeigersinn,
was einem KW-Trog die Möglichkeit eröffnet, von der Nordsee und UK/Irland bis an
die Grenze zu Benelux vorzustoßen. Vorgeschaltet ist eine schwache schleifende
Kaltfront, die im Norden und Westen leichten Regen oder Nieselregen auslöst. Im
großen Rest des Landes bleibt es trocken, aber vielfach bedeckt. Dort, wo es mal
aufreißt, bildet sich Nebel. Leichter Frost tritt nur im äußersten Süden auf, wo
noch Schnee liegt und die Nacht häufig klar verläuft.

Dienstag ... überquert er KW-Trog den Vorhersageraum ost-südostwärts. Damit wird
der zuvor bei uns positionierte Rücken "glattgehobelt", was aber nur von
vorübergehender Dauer ist. Bereits am Mittwoch erfolgt vom nahen Atlantik die
nächste Aufwölbung, die deutlich potenter ausfallen soll und die GWL HM (Hoch
Mitteleuropa) einleitet. Bevor es soweit ist, schafft es die Kaltfront noch
relativ weit nach Südosten voranzukommen, wobei die postfrontal einfließende
subpolare Meeresluft alles andere als kalt ist (T850 um 0°C). Im Norden und in
der Mitte fällt gebietsweise etwas Regen/Nieselregen, bevor später an der
Nordsee Auflockerungstendenzen erkennbar sind. Die größten Chancen auf
Sonnenschein gibt es allerdings im äußersten Süden und dort besonders in den
Hochlagen der Alpen und der Mittelgebirge. Die Inversion sinkt noch etwas ab,
wodurch die Grundschicht gestaucht und die Berge freigesetzt werden. Der große
Rest des Landes allerdings muss eine weitgehend geschlossene Wolkendecke
und/oder neblig-trübe Verhältnisse ertragen. Dabei steigt die Temperatur auf 5
bis 10 Grad, in den süddeutschen Niederungen z.T. nur um 3°C.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Entwicklung als solche ist unstrittig. Was die Details zur
Niederschlagsphase und mögliches Glatteis ab Sonntag früh (Westen Mitte) bzw.
morgen Abend (Osten, Südosten) angeht, muss entweder zeitnah entschieden werden
oder in der Frühkonferenz eine Strategie erörtert werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann