DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-12-2021 18:30
SXEU31 DWAV 101800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 10.12.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Süden weitere Schneefälle, am Samstag nachlassend. Am Sonntag von Westen her
Warmfrontpassage mit nachfolgender, im Westen und Nordwesten deutlicher
Milderung. Nach Osten und Südosten hin lokale Glatteisgefahr.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland unter einem imposanten LW-Trog, der sich
leicht negativ geneigt von Grönland über Mitteleuropa bis hinunter zum zentralen
Mittelmeerraum erstreckt. Angefüllt ist der Trog mit maritimer Polarluft, die
aufgrund relativ moderater Temperaturen in der Mitteltroposphäre (T500 -26 bis
-30°C über 4- bis -7° auf 850 hPa) gar nicht mal so labil geschichtet ist.
Wichtiger als die Schichtung ist das, was sich innerhalb des Troges so abspielt.
Da geht der Blick zunächst mal in den Nordosten, wo sich ein elliptisch
geformtes Drehzentrum befindet, das sich in den nächsten Stunden aber mehr und
mehr auffüllt. Entsprechend hören auch die anfänglichen Schneefälle in
Vorpommern auf, einzig an der Küste reicht es dann noch für den einen oder
anderen Schnee-/Schneeregenschauer.

Der zweite, deutlich signifikantere Hingucker findet sich heute Abend im
Südwesten über RP. Es handelt sich um das kleine aber feine Teiltief JUSTUS II
("der Gerechte"), das keine gute Kopplung zur Höhe aufweist und zudem noch von
Druckanstieg überlagert ist. Alles andere als gute Vorzeichen, die nasskalte
Nacht schadlos zu überstehen, und so kommt es wie es kommen muss. Auf seinem Weg
nach Osten via Südhessen und Nordbayern füllt sich der "Gerechte" auf, um gegen
Morgen von den Wetterkarten zu verschwinden. Da bedeutet aber nicht, dass das
Tief nicht noch Wirksamkeit erzielt. Nein, nachdem JUSTUS zusammen mit einer
Okklusion schon tagsüber im Süden und Südwesten außer im Tiefland einiges an
Neuschnee gelassen hat (am dicksten der Südschwarzwald und das Allgäu inkl.
Vorland), kommt in der Nacht noch was drauf. Während sich die Niederschläge in
NRW, RP, Hessen und dem Saarland immer weiter nach Süden zurückziehen, schneit
oder regnet es in BW und Bayern weiter. Die Schneefallgrenze liegt bei 200 bis
300 m, wo bis morgen früh 1 bis 5 cm, in Staulagen 10 cm Neuschnee
zusammenkommen. Noch etwas mehr ist es im Stau des Schwarzwalds und des
Bayerischen Walds sowie im Oberallgäu (10 bis 15 cm, lokal bis zu 20 cm).
Im Zusammenhang mit den Schneefällen rückt der Wind in ein besonderes Licht. Er
zeigt sich am Südrand des Tiefs aus Südwest bis West kommend recht bissig. Vor
allem in den Hochlagen von Schwarzwald, Schwäbischer Alb und Alpen sowie im
südlichen Alpenvorland (Leitplankeneffekt) erreicht er in Böen Stärke 7-8 Bft,
exponiert 9 Bft, vereinzelt sogar 10 Bft, was bei den großen Mengen an lockerem
Pulverschnee größere Verwehungen zur Folge hat. Erst in den frühen
Morgenstunden, wenn JUSTUS kurz vor dem Aus steht, beginnt der Wind
nachzulassen.

Bliebe abschließend noch kurz die Nordhälfte zu würdigen, wo sich
kompensatorisches Absinken zwischen dem Hebungsgebiet von JUSTUS im Süden und
dem des o.e. Höhentiefs im Nordosten durchgesetzt hat. Die Folge ist ein nicht
allzu breiter, aber doch klar erkennbarer Streifen mit geringer Bewölkung oder
sogar klarem Himmel. Allerdings ist die Grundschicht hinreichend feucht genug,
um im Laufe der Nacht einige Nebelfelder zuzulassen. Lokal besteht dabei die
Gefahr gefrierenden Nebels, dort, wo es längere Zeit klar bleibt, ist Reif
möglich. Thema Frost, außer in den west- und südwestdeutschen Flussniederungen
geht die Temperatur auf bis zu -5°C, im Osten bei Aufklaren über frisch
gefallenem Schnee bis zu -7°C.

Samstag ... macht der Höhentrog einen kleinen Satz nach Osten, angeschoben von
einem Höhenrücken, der dicht an die Westgrenze heranrückt. Mit der schwachen
nördlichen bis nordwestlichen Höhenströmung wird weiterhin Polarluft
herangeführt, die unter leichten Zwischenhocheinfluss gelangt. Dieser macht sich
in Form eines Keils bemerkbar, der sich ausgehend von einem Hoch westlich der
Iberischen Halbinsel (YASCHA) bis zur Südhälfte vorschiebt. Er sorgt dafür, dass
sich die anfänglichen Schneefälle im Süden im Tagesverlauf in und an die Alpen
zurückziehen. Meist reicht es dort nur noch für wenige Zentimeter Neuschnee.
Lediglich an den Alpen reicht es mit orografischer Unterstützung für 5 bis 10
cm, im neuschneeerprobten Allgäu vielleicht sogar 15 cm.

Ansonsten gibt sich das Samstagswetter so lala, meint viele Wolken, in der Mitte
und im Osten sowie Richtung Nordsee aber auch mal mehr, mal weniger
aufgelockert. In Küstennähe entwickeln sich ein paar Schnee-, Schneeregen- oder
Regenschauer und auch im Westen kann es an der vergammelnden Okklusion vom nicht
mehr existenten JUSTUS lokal etwas regnen oder nieseln, oberhalb etwa 400 m
leicht flöckeln. Während im Bergland sowie regionsweise im Osten leichter
Dauerfrost herrscht, blinkt auf dem Digitalthermometer der Weseler Volks- und
Raiffeisenbank am frühen Nachmittag eine +6°C auf.

In der Nacht zum Sonntag schiebt sich der Rücken noch etwas weiter nach Osten
vor, was zunehmenden Hochdruckeinfluss suggeriert. Typischer Fall von "denkste",
wird doch der Rücken massiv von WLA überlaufen, die eine heranziehende Warmfront
ankündigt. Sie gehört zu einem Orkantief der allerfeinsten Sorte, das auf den
Namen KAMILLO hört und mit einem Kerndruck von rund 955 hPa nahezu stationär
west-südwestlich von Island zu finden ist. Bei uns zieht von Westen her
mehrschichtige und immer kompaktere Bewölkung auf, aus der etwa gegen
Mitternacht an der Grenze zu Benelux anfängt zu regnen. Das stratiforme
Regengebiet kommt bis zum Morgen etwa bis zu einer Linie Lübecker
Bucht-Harz-Odenwald voran, wobei die Mengen durchweg unter der 5-l/m²-Schwele
bleiben. Interessanter als die Intensität ist vielmehr die Phase des
Niederschlags. Wenn nämlich die Mittelgebirge erreicht werden, ist zumindest
kurzzeitig sowohl die Schneephase (höhere Lagen) als auch die gefrierende Phase
(Täler, Senken) möglich. Im Zuge der rasch vorstoßenden niedertroposphärischen
Warmluft (Anstieg T850 auf 0 bis +5°C) sowie solider Durchmischung durch den
auflebenden südlichen Wind (nicht warnwürdig, lediglich an der Nordsee und auf
dem Brocken 7-8 Bft) sollten die "winterlichen Phasen" aber nur von kurzer Dauer
sein.

In den übrigen Landesteilen überwiegt starke Bewölkung, nur gebietsweise lockert
es auf. Dabei bildet sich stellenweise Nebel. Ansonsten fällt hier und da etwas
Niesel oder Schneegriesel, was bei Temperaturen unterhalb des Gefrierpunkts
insbesondere im Bergland und im Osten (Stichwort gefrorene Böden) schnell mal zu
glatten Straßen führen kann.

Sonntag ... breiten sich die WLA-getriggerten Niederschläge in der bis in die
Mitteltroposphäre gut gesättigten Luftmasse bis in südlichen und östlichen
Landesteile aus. T850 steigt verbreitet in den positiven Bereich (im Westen bis
zu 6°C), lediglich ganz im Osten und Südosten hält sich bis zum Abend noch die
0°C-Isotherme. Somit würde es auch nicht verwundern, wenn es gerade in Nieder-
und dem östlichen Oberbayern noch etwas länger schneien würde. Ansonsten steigt
die Schneefallgrenze rasch an, gleichwohl kann es trotz "günstiger" Tageszeit
gerade im Bergland wegen der dort gefrorenen Böden stellenweise zu gefrierendem
Regen mit Glatteis kommen. Ob am Ende sogar mal die rote Karte gezogen werden
muss, muss abgewartet werden.

Der Wind an und über der Nordsee nimmt bereits am Vormittag schon wieder ab, so
dass nur einige Hochlagen übrigbleiben mit Böen 7-8 Bft, Brocken bis 9 Bft. Die
Temperatur erreicht Höchstwerte von rund 0°C am Fuße von Erz- und Fichtelgebirge
sowie Bayerischem Wald und 9 oder gar 10°C in... richtig, Wesel (stellvertretend
für den Niederrhein).

In der Nacht zum Montag ziehen sich die Niederschläge mehr und mehr in den
Südosten der Republik zurück. Aufgrund der niedertroposphärischen Nordwest- bis
Nordkomponente beim Wind kommt es an den Alpen zu Staueffekten. Vor allem ICON
würdigt das mit Mengen von 20 bis 25 l/m², was bei steigender Schneefallgrenze
zumindest in höheren Lagen noch mal eine ordentliche Hucke Neuschnee bedeuten
könnte. Allerdings sind externe Modelle deutlich defensiver aufgestellt, so dass
das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. In den östlichen und südöstlichen
Mittelgebirgen besteht anfangs noch lokale Glatteisgefahr.

Glatt werden kann es auch in den Mittelgebirgsregionen, wo noch etwas Frost im
Boden steckt. Dort besteht die Möglichkeit des Anfrierens von unten, während
ausstrahlungsbedingte Abkühlung aufgrund der starken Bewölkung keine Rolle
spielen sollte. Vielmehr könnte es zu Sichtbehinderungen durch aufliegende
Wolken kommen. Im Nordwesten bleibt die Nacht mit Tiefstwerten um +7°C fast
schon mild.

Montag ... verbringen wir unter dem nach wie vor präsenten, sich mit seiner
Achse von Südwest nach Nordost erstreckenden Höhenrücken. Er regeneriert nicht
nur den Bodenkeil vom Samstag, der sich zu einer eigenständigen Hochdruckzone
etabliert. Er sorgt zudem für eine Beruhigung des Niederschlagsgeschehens, weil
die mitteltroposphärische WLA quasi zum Erliegen kommt. Letzte Regen- und
Schneefälle über Südostbayern ziehen nach Österreich ab oder aber hören von
selbst auf. In weiten Teilen des Landes bleibt es in der einfließenden milden
und feuchten Meeresluft (T850 in der Westhälfte bis zu 8°C, in der Osthälfte 0
bis +4°C) aber stark bewölkt bis bedeckt respektive neblig trüb. Am ehesten
reißt die Wolkendecke mal im Südwesten oder Westen auf. Während zwischen Kölner
Bucht und Nordsee verbreitet die 10°C-Marke geknackt wird, reicht es im Südosten
nicht überall für 5°C oder mehr.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle zeigen eine große Übereinstimmung. Detailfragen z.B. zur
Niederschlagsphase, müssen relativ zeitnah geklärt werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann