DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

09-12-2021 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 09.12.2021 um 10.30 UTC



Anfangs Warmfrontdurchgang mit anschließender Milderung. In der nächsten Woche
voraussichtlich Übergang zu Wa (West antizyklonal).
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 16.12.2021


Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Sonntag, dem 3.
Advent, befindet sich Deutschland am vorderen Rand eines von Westen nur langsam
ostwärts vorstoßenden Höhenrückens. Wie so oft wird dieser von WLA überlaufen,
was der Warmfront eines knackigen Tiefs bei Island die Möglichkeit eröffnet, den
Vorhersageraum mit Niederschlägen ost-südostwärts zu überqueren. Dabei wird
mildere Meeresluft vom Atlantik herangeführt (T850 0 bis +4°C), die die zuvor
eingeflossene maritime Polarluft (-2 bis -5°C) verdrängt. Dass das im Winter
nicht so einfach mit einem Handstreich erfolgt, ist allgemein bekannt. Will
sagen, die Schneefallgrenze steigt zwar von Westen her deutlich an (über
Kammniveau der westlichen und südwestlichen Mittelgebirge), nach Osten hin fällt
zunächst aber noch Schnee und je nach Timing ist stellenweise auch gefrierender
Regen mit Glatteis nicht ausgeschlossen.

Am Montag pflanzt sich der ausladende Höhenrücken mit leicht nach Nordosten
ausgerichteter Achse genau über Deutschland. Allerdings wird er weiterhin von
einem langestreckten Trog über dem nahen Osteuropa sowie dem östlichen
Mittelmeerraum geblockt, was eine höhere Progressionsgeschwindigkeit verhindert.
Wie auch immer, der Luftdruck steigt, die Warmfront schwächt sich ab und die
nachfolgende Kaltfront wird durch Wellenbildung südwestlich von UK/Irland
aufgehalten. Wenn man so will, verbringen wir den Wochenstart in einem breiten,
antizyklonal konturierten Warmsektor, in dem die Niederschlagsneigung
kontinuierlich abnimmt. Stattdessen wird insbesondere im Westen und Nordwesten
die niedertroposphärische WLA noch verstärkt, was dort einen Anstieg von T850
auf rund 8°C zur Folge hat. Nach Osten und Südosten hin schießen die Preußen
nicht ganz so schnell, dort werden am Abend rund 2°C auf 850 hPa erwartet.

Am Dienstag wandert der Rücken unter Verkürzung seiner Wellenlänge langsam
weiter gen Osten, wobei er aber weiterhin nach Südwesten zurückhängt. Dort
stützt er eine schmale Hochdruckzone, die sich ausgehend vom Azorenhoch (dessen
Zentrum tatsächlich bei den Azoren liegt) via Frankreich und den Alpenraum bis
in den Westen Russlands erstreckt. Nördlich davon kommt es zu einer allmählichen
Zonalisierung der Strömung und die o.e. Kaltfront - gestern noch potent und
mobil gerechnet, heute ein eher kümmerliches Exemplar - versucht im äußersten
Norden ein paar Akzente zu setzen. Mehr als ein paar wenige Spritzer Regen
dürften bei auffrischendem Südwestwind nicht dabei herausspringen. Zu erwähnen
ist noch, dass die Milderung nun auch den Osten und Südosten erfasst, wo T850
auf 4 bis 7°C steigt. Einzig die unzureichende Durchmischung könnte dafür
sorgen, dass in den berühmt-berüchtigten Ecken Bayerns sich noch ein paar magere
Kaltluftreste halten, was aber nur meint, dass die Tageshöchsttemperatur 5°C+
nicht übersteigt.

An den beiden folgenden Tagen stellt sich das großräumige Strömungsmuster Wa ein
(West antizyklonal, gerne auch mal als "nördliche Westlage" bezeichnet).
Vereinfacht bedeutet das für uns, dass wir am warmen Rand der inzwischen stark
geglätteten Frontalzone liegen, die vom mittleren Nordatlantik kommend über
Südskandinavien verläuft. Während über Süddeutschland eine zonal exponierte
Hochdruckzone verläuft, stellt sich im Norden eine recht flüssige Südwest- bis
Westströmung ein. Gleichzeitig versucht eine neue, stark schleifende Kaltfront,
Boden nach Süden hin gut zu machen, was ihr am Donnerstag auch leidlich gelingen
soll (leichte Regenfälle bis zur Mitte ausgreifend). Auf alle Fälle aber wird es
alles andere als kalt (postfrontal bleibt T850 über 0°C), einzig im
gradientschwachen Süden wird durch nächtliche Ausstrahlung und Frost etwas
hausgemachte Kaltluft produziert.

Kurzer Ausblick noch in die erweiterte Mittelfrist bis Sonntag (4. Advent):
Zunächst Aufwölben eines breiten Rückens über West- und Teilen Mitteleuropas.
Zum Wochenende hin von der Nordsee Annäherung einer Kaltfront mit nachfolgenden
KW-Trog, ost-südostwärts schwenkend, trotzdem wahrscheinlich kein "game changer"
(siehe später "Bewertung der Ensemblevorhersagen").
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Nachdem die Modellkonsistenz in den vergangenen Tagen eher mäßig bis
unterdurchschnittlich war, scheint sich die Performance nun zu verbessern. Das
bedeutet nicht, dass nicht noch ein paar "Holperer" vorhanden sind, aber im
Großen und Ganzen passt das Gefüge. Als Beispiel sei der kommende Dienstag
erwähnt, der nach Lesart des gestrigen 00-UTC-Laufs von IFS (ECMF) eine
Kaltfrontpassage mit landesweiten Regenfällen bedeutet hätte. Dieses Szenario
scheint vom Tisch, auch wenn man den Vergleich mit anderen Modellen heranzieht.
Wie schon erwähnt, der Trend in der nächsten Woche geht hin zum
Großwetterlagentypus Wa (West antizyklonal), was - ganz grob - für den Süden
Hochdruckeinfluss, für den Norden leicht wechselhaftes und mitunter windiges
Wetter zur Folge hätte.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Im Großen und Ganzen haben die anderen Globalmodelle (ICON, GFS, GEM, UKMO)
keine substanziell von der IFS-Lösung abweichenden Ideen. Alle streben in der
nächsten Woche den o.e. Großwetterlagentypus an, wobei sich im Detail aber schon
Unterschiede offenbaren. Exemplarisch sei an dieser Stelle die jeweils leicht
unterschiedlich simulierte Kaltfront am Mittwoch/Donnerstag erwähnt. Während sie
bei GFS in teilokkludierter Form straight ahead von Nordwest nach Südost
durchgewunken wird, lässt sie das kanadische GEM aufgrund der weit nach Norden
verschobenen Hochdruckzone gar nicht an uns ran. Darüber hinaus sei auf die
verzögerte Milderung im Osten zu Wochenbeginn bei GFS hingewiesen, die mit der
Warmfront langsamer unterwegs ist als sie meisten anderen Modelle.

FAZIT: An der einen oder anderen Stellschraube muss noch gedreht werden, die
grobe Kursrichtung ist aber vorgegeben.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen insbesondere beim
Geopotenzial 500 hPa, etwas weniger deutlich aber auch bei der Temperatur 850
hPa einen gutmütigen Verlauf mit relativ wenig Streuung. Der Trend ist klar mit
einem merklichen Anstieg von Freitag bis Montag und anschließender, leicht
oszillierender Seitwärtsbewegung. Dabei zeigen sich Haupt- und Kontrolllauf
überwiegend im oberen Bereich der Kurvenscharen. Auffallend ist der kommende
Mittwoch, wo einige Ensemblelösungen eine vorübergehende Senke bei Pot500 und
T850 anzeigen (im Norden etwas stärker als im Süden). Grund könnten ein Randtrog
oder ein kleines Höhentief sein, die auf Deutschland übergreifen. Beim Hauptlauf
ziehen diese von Nordfrankreich her westlich an der Schweiz vorbei nach Süden,
womit sie den Vorhersageraum allenfalls mittelbar beeinflussen.

Die Clusterung zeigt für die ersten Tage (Sonntag/Montag, T+72...96h) drei
Varianten, die sich bei uns aber nur marginal unterscheiden. Allen gemein ist
das allmähliche Vorrücken des o.e. Höhenrückens. Von Dienstag bis Donnerstag
erhöht sich die Anzahl der Cluster auf vier. CL 1 und 2 (19 Fälle + HL/KL, 12)
favorisieren den Übergang zu GWL Wa, wohingegen CL 3 und 4 (12, 8) den
Höhenrücken bzw. das Bodenhoch über Mitteleuropa respektive Deutschland stärker
betonen. Vier Schubladen werden auch für den Zeitraum T+192...240h (Freitag bis
Sonntag) aufgezogen, denen aber eines gemein ist: Alle setzen auf
Hochdruckeinfluss über Mitteleuropa, alle münden in das Klimaregime
"Blockierung" (nachdem im Zeitraum vorher noch "NAO positiv" überwog). Das
trotzdem vier Cluster gezogen werden liegt im Wesentlichen an der
unterschiedlichen Konfiguration und Geometrie des Höhenrückens bzw. den
Bodenhochs.

FAZIT: Siehe Fazit im Kapitel zuvor.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


SCHNEE/REGEN/GLATTEIS:
Nach den Schneefällen im Bergland im Kurzfristbereich ist eine tendenzielle
Beruhigung des Niederschlagsgeschehens erkennbar. Große Mengen sind in der
nächsten Woche nicht zu erwarten. Leicht kritisch könnte es aber am Sonntag
sowie in der Nacht zum Montag in Verbindung mit der o.e. Warmfront werden.
Niedertroposphärische WLA auf der einen, bodennahe Kaltluftreste und gefrorene
Böden auf der anderen Seite könnten gerade im Osten und Süden sowie im zentralen
Mittelgebirgsraum zumindest stellenweise für eine erhöhte Glatteisgefahr sorgen.
Vieles wird dabei vom Timing und der genauen Vorgeschichte (Abkühlungsrate,
Tagesgang etc.) abhängen.

WIND/STURM:
Mit Umstellung der Großwetterlage nimmt im Laufe der nächsten Woche die
Wahrscheinlichkeit für stürmische Böen oder Sturmböen 8-9 Bft aus Südwest bis
West an der Küste zu. Die Signale der Numerik sind allerdings nicht überbordend,
was u.a. an der Positionierung der zonalen Hochdruckzone und dem davon
abhängigen Druckgradienten liegt. Je weiter nördlich die Divergenzachse, desto
weniger Starkwind.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS und Modellmix.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann