DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

05-12-2021 18:01
SXEU31 DWAV 051800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 05.12.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Großer HSV schlägt kleinen HSV;) - ansonsten recht ruhiger Wochenausklang
respektive -beginn. Interessanter auf alle Fälle die beiden Folgenächte mit
Übergreifen okkludierender Frontensysteme. Und dann wäre da noch HARRY...

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... liegen weite Teile Mitteleuropas unter einem mit reichlich
Höhenkaltluft angefüllten Höhentrog, der im Süden bis nach Nordwestafrika
reicht. Das elliptisch konfigurierte Drehzentrum befindet sich aktuell über
West-/Südwestdeutschland und der Schweiz, wo es sich peu a peu auffüllt.
Außerdem verringert der Trog kontinuierlich seine Wellenlänge bei gleichzeitiger
Verlagerung der glatt meridional verlaufenden Längsachse gen Osten. Der daraus
unmittelbar von Westen erfolgende Potenzialanstieg geht auf einen hübschen
Rücken zurück, der sich am morgigen Montag noch stärker bei uns in Szene setzt.

Von der Höhe ins bodennahe Niveau, wo wir im Grunde eine
"High-over-Low-Konstellation" haben: über Nordeuropa das Hoch XAVIELLE, über
Mitteleuropa und dem zentralen Mittelmeerraum eine mehrkernige Tiefdruckzone
(FRANK, verschiedene EDIs, namenlose Gesellen). Da der Luftdruck von Norden her
leicht steigt, wird die tagsüber über Norddeutschland noch gut erkennbare, zonal
exponierte Rinne immer weiter zugeschüttet. Wie man überhaupt sagen muss, dass
das Druckfeld im Vorhersageraum eine immer amorphere Verteilung annimmt.
Folglich spielt auch der Wind nur eine untergeordnete bis überhaupt keine Rolle,
lediglich an der See ist er anfangs noch flott und böig (7 Bft, exponiert 8 Bft)
aus östlichen Richtungen unterwegs. Bis zum Frühstück wird sich aber auch das
soweit gelegt haben, dass keine weiteren Warnungen mehr nötig sind.

Und sonst so? - Nun, auch wettermäßig hat es (und wird es in naher Zukunft auch
noch) schon weit spannendere Nächte gegeben. Am Alpenrand sowie im südlichen
Vorland krümelt es gemütlich weiter vor sich hin, so dass die Schneedecke um
wenige Zentimeter anwächst. Im Norden bröselt das Niederschlagsband immer weiter
auseinander. Übrig bleiben ein paar Schnee- oder Regenschauer im Küstenumfeld
sowie gebietsweise ganz leichter Schneefall, der sich vom Nordosten langsam über
BB und Berlin hinweg (partiell auch Sachsen-Anhalt) gen Sachsen verlagert. Groß
sind die apostrophierten Neuschneemengen nicht, weshalb hier wahrscheinlich eine
Glättewarnung ausreicht. Glatt werden kann es auch in anderen Regionen, weniger
durch Niederschlag (auch wenn vereinzelt etwas Schneefall möglich ist) als durch
gefrierende Nässe.
Wolkentechnisch offenbaren sich zwar einige Lücken, unter dem Strich dominiert
aber starke bis geschlossene Bewölkung, was durch Nebel- und Hochnebelbildung
noch forciert wird. Vor daher ist fraglich, ob Nachtfrost tatsächlich so
verbreitet auftritt, wie von MOS prognostiziert. Ganz im Norden sowie direkt an
der Küste bleibt es auf alle Fälle frostfrei, aber z.B. auch im Oberrheingraben
wird nicht überall das Minuszeichen aufblinken. Dort, wo es mal etwas länger
aufklart, kann sich stellenweise Nebel bilden und auch im höheren
Mittelgebirgsraums sind Sichtbehinderungen durch aufliegende Wolken zu erwarten.


Montag ... steht im Zeichen von Zwischenhocheinfluss. Nix Dolles, was einen
Namen verdient hätte, aber immerhin. Auf der Wetterkarte macht sich das Ganze
durch eine schmale brückenartige Zone bemerkbar, die um 12 UTC diagonal über
Deutschland liegt und das Azorenhoch westlich der Iberischen Halbinsel mit der
fennoskandischen XAVIELLE verbindet. Gestützt wird die Brücke vom o.e.
Höhenrücken, der sich von Westeuropa zu uns reinschiebt. Kurzum, die Geschichte
des morgigen Nikolaustag (heute Nacht Schuhe rausstellen!) ist rasch erzählt. In
der alternden Polarluft (T850 -3 bis -6°C im Süden und Westen, -5 bis -9°C im
Norden und Osten) fällt von Sachsen und Thüringen über die fränkischen und
ostbayerischen Mittelgebirge bis hinunter zu den Alpen zunächst noch etwas
Schnee, Tendenz im Tagesverlauf nachlassend. Zudem stehen im Bereich der Ostsee
einige Schnee- oder Regenschauer auf der Karte. Ansonsten bleibt es weitgehend
niederschlagsfrei bei wechselnder bis starker Bewölkung mit einigen
Auflockerungen oder gar sonnigen Fenstern wie z.B. am Nachmittag in Schwaben und
im Allgäu. Die Temperatur erreicht Höchstwerte von 0 bis 5°C, punktuell im Osten
und in Bayern sowie im mittleren und höheren Bergland leichter Dauerfrost.

Apropos Nachmittag, spätestens ab dann gilt es seine Blicke in Richtung Westen
zu schärfen, wo sich die nächste zyklonale Attacke zusammenbraut. Zum einen
bohrt sich ein von UK/Irland südostwärts amplifizierender Trog in die Rückseite
des Rückens. Zum anderen kommt das okkludierende Frontensystem eines Doppeltiefs
(GERRIT I und II) bei Island und der Irminger See immer dichter. Vorlaufende WLA
lässt mehrschichtige Bewölkung in den westlichen Landesteilen aufkommen.
Außerdem frischt der von Ost auf Südost rechtdrehende Wind über der Nordsee
spürbar auf, was zunächst "Deät Lun", später auch den anderen Inseln Böen 7 Bft,
vereinzelt 8 Bft bringt.

In der Nacht zum Dienstag greifen Höhentrog und vorgelagerte Okklusion mit dem
zugehörigen stratiformen Niederschlagsgebiet auf große Teile der Südwesthälfte
über. Aufgrund des weit fortgeschrittenen Okklusionsprozesses ist keine Warmluft
an den Hebungsprozessen beteiligt (T850 bleibt nahezu konstant). Das hat den
Vorteil, dass Schweinereien wie gefrierender Regen mit Glatteis so gut wie
ausgeschlossen sind. Vielmehr startet das Ganze mit Schneefall bis in tiefe
Lagen, bevor die Schneefallgrenze im Westen und Südwesten aufgrund zunehmender
Durchmischung auf 200 bis 300 m ansteigt. Bis zum frühen Morgen kommt der
Niederschlag etwa bis zu einer Linie Wesermündung-westliches
Thüringen-Werdenfelser Land voran (+/-). Dabei bildet sich verbreitet eine 1 bis
5 cm dünne Neuschneeauflage (teils feucht/nass und durchmatscht), die sicherlich
für Probleme im Berufsverkehr und verlängerte Verkehrsnachrichten sorgen wird.
In Staulagen der Mittelgebirge sowie im Allgäu können es lokal gut und gerne
auch mal 5 bis 10 cm sein. Der Wind über der Nordsee nimmt im Laufe der Nacht
wieder ab, trotzdem treten an der Küste ebenso wie zwischen Flensburger Förde
und Fehmarn Böen 7 Bft aus Südost auf.

Nach Osten und Nordosten gestaltet sich die Nacht ruhig und unspektakulär mit
anfänglichen Auflockerungen. Niederschläge stehen bei Tiefstwerten im leichten
Frostbereich nicht zur Disposition.

Dienstag ... füllt sich der Trog über Deutschland zusehends auf respektive wird
von einem neuerlichen, von Westen übergreifenden Rücken abgedrängt. Der
Luftdruck steigt sowohl postfrontal von Frankreich her als auch präfrontal von
der Ostsee - ein Umstand, der der Okklusion und dem Bodentrog, in dem sie
eingebettet ist, überhaupt nicht behagt. Wenn man so will, wird die Front
regelrecht in die Zange genommen, was sie schlussendlich zur Aufgabe zwingt. Der
diagonal von der Nordsee bis nach Südostbayern reichende Niederschlagskorridor
(leichter Schneefall, nach Nordwesten hin eher Regen) wird zunehmend geblockt
bzw. zerbröselt regelrecht, so dass am ehesten am Vormittag im Südosten und in
der Mitte noch etwas Schnee fällt.

Sowohl östlich als auch west-südwestlich des Korridors lockert die Bewölkung mal
mehr, mal weniger auf und es bleibt weitgehend niederschlagsfrei. Interessant
dabei die Temperaturverteilung: Während in Vorpommern sowie im
deutsch-polnischen Grenzbereich gebietsweise leichter Dauerfrost und damit ein
Eistag auf der Karte stehen, sind es an Rhein und Ems 6 oder gar 7°C. An der See
nimmt der Südostwind vorübergehend ab (nur anfangs Böen 7 Bft), im Süden dreht
der Wind meist unterhalb der Warnschwelle von West auf Süd bis Südost.

In der Nacht zum Mittwoch tritt dann HARRY auf den Plan. Who is HARRY? HARRY ist
eine echte Wuchtbrumme, ein Sturmtief, das eine Double-Bombogenese hinter sich
hat. Er erreicht Dienstagmittag mit einem Kerndruck von satten 960 hPa (oder
noch etwas darunter) Irland und hat damit sage und schreibe einen Druckfall von
50 hPa innert 24 h hinter sich. Wow! Bis Mittwochmorgen zieht HARRY weiter zur
Irischen See, wobei er zwar etwas an Substanz (Kerndruck am Mittwoch 06 UTC "nur
noch" bei rund 970 hPa) verliert, was aber kaum an seinem imposanten Aussehen
kratzt.
Wie auch immer, das zugehörige Frontensystem greift von Frankreich und Benelux
her auf den Westen und Südwesten über, von wo aus es sich langsam bis zur Mitte
vorrobbt. Die heutigen RR-Prognosen weisen bei aller gebotenen Toleranz eine
Vorderkante des frontalen Niederschlagsgebietes aus, die um 06 UTC etwa von
Oberschwaben über den Spessart bis hoch zum Emsland reicht. Im Gegensatz zur
Frontpassage in der Nacht zum Dienstag wird dieses Mal im Süden und bedingt auch
in der Mitte niedertroposphärisch Warmluft eingesteuert (T850 bis +3°C, "warme
Nase"), was bei entsprechender Vorgeschichte zumindest örtlich die Gefahr von
gefrierendem Regen mit Glatteis birgt. Noch ist die Nacht zum Mittwoch zu weit
weg, um hier schon belastbare Details zu erörtern, eine Abspeicherung im
Hinterkopf sollte aber schon eingeleitet werden. Ansonsten fällt wieder Schnee
(meist 1 bis 4 cm, Bergland lokal etwas darüber), der später in tiefen Lagen in
Regen übergeht.

In der Osthälfte sowie in weiten Teilen Norddeutschlands bleibt es trocken,
dafür zieht der Südostwind allgemein an. Vor allem an der Küste und in höheren
Mittelgebirgslagen wird es z.T. stürmisch.

Mittwoch ... kommt die Front unter Abschwächung nur noch bis zur Mitte voran, wo
sie erneut geblockt wird. Außerdem rückt der nachfolgende Höhentrog nicht
wirklich nach, sondern weitet sich nach Süden aus. Durch eine Teiltiefbildung
südlich der Alpen werden die Hebungsprozesse im Süden und Südwesten noch mal
regeneriert, wodurch es dort zu länger andauernden Niederschlägen kommt. Die
Schneefallgrenze liegt zwischen 200 und 600 m. Der anfangs noch stürmische
"Südost" an den Küsten lässt im Tagesverlauf nach. Höchstwerte -1°C im Nordosten
und +7°C am derzeit schwer gebeutelten Niederrhein (Gladbach-Freiburg zur HZ
0:6!!!!!).


Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Der grobe Kurs steht, etwaige Fragezeichen wurden im Text angerissen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann