DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-12-2021 18:30
SXEU31 DWAV 041800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 04.12.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
1:1 in DO kurz vor der HZ. Ansonsten nasskalte Troglage mit Schneefällen im
Norden kommende Nacht.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines sich
intensivierenden Höhentrogs über Westeuropa, dessen Drehzentrum sich bis zum
Morgen von der westlichen Nordsee bis nach Nordwestdeutschland/Niederlande
verlagert. Derweil steuert das korrespondierende Bodentief - es handelt sich um
keinen Geringeren als Ganoven-EDI (Quatsch, "Ganoven" streichen) - in Richtung
Ijsselmeer. Ein von EDI ausgehender, nach Südosten ausgerichteter Bodentrog,
schwenkt nordostwärts über den Vorhersageraum hinweg. In den Morgenstunden
erreicht er Norddeutschland, wo er sich zu einer astreinen, von West nach Ost
exponierten Rinne mausert. Der Chronistenpflicht halber soll nicht unerwähnt
bleiben, dass mit der Ausweitung des Höhentrogs nach Süden über dem Ligurischen
Meer und der nördlichen Adria eine Doppel-Zyklogenese angestoßen wurde, die sich
in den Nachtstunden noch intensiviert.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass hinter dem Bodentrog staffelweise (die
tagsüber in den Analysen noch geführten 2 Kaltfronten sind inzwischen
verschmolzen) erwärmte und labil geschichtete Meereskaltluft herangeführt wird
(T850 um -5°C, T500 um -30°C oder etwas darunter), die die zuvor in den Süden
eingeflossene milde Atlantikluft ersetzt. Vorderseitig des Troges respektive der
Rinne strömt aus dem östlichen Mitteleuropa gealterte Meereskaltluft in die
nördlichen Landesteile, so dass unter dem Strich so etwas wie
"Kaltluft-Frontogenese" zustande kommt. Wie auch immer, angetrieben durch ein
PVA-Maximum auf der diffluenten Trogvorderseite schwenkt ein skaliges, teils
aber konvektiv durchsetztes Niederschlagsgebiet über die mittleren Landesteile
nordostwärts. Dabei sinkt die Schneefallgrenze in der Südhälfte auf 600 bis 400
m ab, allerdings lässt die Intensität alsbald nach, so dass bis zum Frühstück im
Bergland meist nur 1 bis 3 cm Neuschnee durch Schauer zusammenkommen. Etwas mehr
Schnee wird es unmittelbar am Alpenrand geben, wo in Staulagen bis zu 10 cm
innert 12 h möglich sind.

Nun ist man in und an den Alpen ja Schnee gewohnt, im Norden des Landes sieht
das aber etwas anders aus. Von daher ist die Entwicklung dort eine spannende,
denn der anfängliche Regen oder Schneeregen geht im Zuge der KLA von Osten sowie
starker Niederschlagsabkühlung (zur PVA addiert sich noch der
Frontogeneseparameter => Intensivierung der Niederschläge). In einem Korridor,
der vom westlichen Niedersachsen über den HSV-Raum und den Süden SHs bis hinüber
nach MV sowie Berlin und das mittlere BB reicht, kann sich binnen weniger
Stunden eine mehrere Zentimeter dicke Nassschneedecke bilden. 5 cm wären alles
andere als eine Überraschung und selbst 10 cm sind vornehmlich im westlichen
Niedersachsen, lokal auch weiter östlich nicht gänzlich ins Reich der Fabel
verwiesen werden. Gut, dass morgen früh kein Berufsverkehr ist. Nicht zu
vergessen - und damit kehren wir noch mal zurück in die Regionen südlich von
Norddeutschland - dass auch sonst Glätte durch etwas Schneefall bzw.
Schneematsch oder aber gefrierende Nässe auftreten kann, im Bergland
verbreiteter, weiter unten örtlich.

Zum Schluss noch das Thema "Wind", der im Süden und Südwesten vorübergehend
merklich auffrischt mit Böen 7-8 Bft, im Bergland 9 Bft, im Hochschwarzwald
exponiert bis zu 11 Bft aus Südwest bis West. Höhepunkt dürfte der Durchgang
einer Druckwelle am Abend bzw. in der ersten Nachthälfte sein, bevor der Wind
danach wieder nachlässt. Dafür frischt er aus östlichen Richtungen kommen in
Küstennähe sowie im nördlichen SH auf mit steifen Böen 7 Bft, ganz vereinzelt 8
Bft.

Sonntag ... feiern wir den 2. Advent unter weiterhin stark zyklonal geprägten
Bedingungen. Der Höhentrog legt sich unter weiterer Amplifizierung genau über
Mitteleuropa, wobei sich das Hauptdrehzentrum bis Tagesende von
Nordwestdeutschland/Niederlande zur Schweiz orientiert. Auch unser Spezi EDI
schlägt unter merklichem Substanzverlust einen Südkurs via Benelux gen
Frankreich ein. Die Folgen sind ein allmählicher Zerfall der Rinne über dem
Norden sowie ein allgemeines Aufweichen des Druckgradienten. Folgerichtig spielt
der Wind nur noch in Küstennähe (insbesondere SH und die Ostfriesischen Inseln
sowie Rügen) sowie im Norden SHs eine einigermaßen prominente Rolle mit Böen 7,
exponiert 8 Bft.

Wettertechnisch kommt es im äußersten Norden (nördlich der bröckelnden Rinne)
noch zu stratiformen Niederschlägen, wobei der Korridor aber immer schmaler und
die Intensität immer schwächer werden. Hinzu kommt der Tagesgang, so dass der
anfängliche Schneefall zunehmend in Schneeregen oder Regen übergeht. Vielleicht
muss am Vormittag gebietsweise noch eine Glättewarnung (etwas Schneefall,
Schneematsch) nachgeschoben werden. In den übrigen Landesteilen macht es sich
die eingeflossene maritime Kaltluft (T850 um -5°C, T500 um -32°C) im wahrsten
Sinne des Wortes bequem. Heißt, die ganz großen Hebungsprozesse bleiben aus.
Okay, der äußerste Süden und Südosten werden noch eine Zeit lang von den
Aufgleitprozessen des Doppeltiefs südlich der Alpen tangiert, was dem Alpenrand
und Teilen des südlichen Vorlands ein paar weitere Zentimeter Neuschnee bringt
(1-5 cm, lokal etwas darüber). In den übrigen Landesteilen allerdings entwickeln
sich lediglich ein paar Regen-, Graupel- oder Schneeschauer (Schneefallgrenze
auf 300-400 m steigend), im Westen und Südwesten eher als im Osten sowie in
Teilen der Mitte, wo die Wolkendecke mitunter sogar auflockert und es vielerorts
niederschlagsfrei bleibt (leichtes kompensatorisches Absinken). Die Temperatur
erreicht Höchstwerte von 1 bis 2°C, im höheren Bergland um 0°C.

In der Nacht zum Montag verlässt das Höhentief die schöne Schweiz in Richtung
Süden, während sich bei uns der Trog etwas verschlankt. Derweil zieht EDI über
Frankreich in die ewigen Jagdgründe atlantischer Tiefdruckgebiete ein, was bei
uns den Gradienten noch weiter auffächern lässt. Somit geht der Wind an der
Küste mehr und mehr in die Knie und auch niederschlagstechnisch passiert nicht
allzu viel: ganz im Norden noch etwas Rest-Regen oder -Schnee, ganz im Süden
etwas Schnee und dazwischen ein paar wenige Schnee- oder Schneeregenschauer.
Ansonsten lockert die Wolkendecke gebietsweise auch mal auf, was einige
Nebelfelder auf den Plan ruft. Außerdem wird die Nacht etwas kälter als die
Vornacht, sprich, die es kühlt verbreitet auf 0 bis -4°C ab, lokale Glättegefahr
durch gefrierende Nässe inklusive. Nur Richtung Küsten sowie im stellenweise
auch im Oberrheingraben bleibt es frostfrei.

Montag ... stößt ein neuer Höhentrog über UK/Irland süd-südostwärts vor, was dem
Vorgängermodell über Mitteleuropa nicht zu schmecken scheint. Trotz Ausbaus
seiner Amplitude bis hinunter nach Libyen beginnt er sich aufzufüllen bei
gleichzeitig leichter Progression nach Osten. Dadurch können für kurze Zeit ein
schwacher Rücken sowie ein schmaler Keil des Azorenhochs auf den Vorhersageraum
übergreifen, bevor schon in der Nacht zum Dienstag der o.e. Trog mit einem
vorgeschalteten Frontensystem die Regie übernimmt. Vor diesem Hintergrund
gestaltet sich der Wochenstart ruhig und unspektakulär. Hier und da kommt die
Sonne mal raus, teils hält sich aber auch dichte (hochnebelartige) Bewölkung. Im
östlichen Mittelegebirgsraum sowie am Alpenrand kann es hin und wieder noch
unergiebig schneien, an der Ostsee sind einzelne Schnee- oder Schneeregenschauer
möglich. Am Nachmittag zieht in den westlichen Landesteilen mehrschichtige
Bewölkung auf. Gleichzeitig zieht der auf Südost rückdrehende Wind über der
Deutschen Bucht an, was warntechnisch zunächst aber nur Helgoland treffen sollte
(Böen 7 Bft). Die Temperatur geht nicht über 1 bis 5°C hinaus, im Bergland
herrscht z.T. leichter Dauerfrost.

In der Nacht zum Dienstag greifen Höhentrog und okkludierendes Frontensystem auf
die Südwesthälfte über. Die postfrontal einfließende Atlantikluft ist minimal
milder als die vorgelagerte Luftmasse, weshalb die stratiformen Niederschläge
häufig und über längere Zeit bis ganz runter als Schnee fallen. Nur langsam
steigt die Schneefallgrenze aufgrund der zunehmenden Durchmischung auf 200 bis
300 m an, so dass beim morgendlichen Berufsverkehr im Westen (Ruhrpott) und im
Rheinland nicht mehr viel von der weißen Pracht übrig sein sollte. Wenn
allerdings das Frontensystem etwas Verspätung hat und die Winddrehung von Südost
auf West verzögert erfolgt, dann könnte die Sache ganz anders aussehen. Wie auch
immer, Fakt ist, dass es bei Temperaturen um den Gefrierpunkt verbreitet für
eine 1 bis 5 cm dünne Neuschneeauflage reicht, im westlichen und südwestlichen
Bergland teils bis 10 cm, vereinzelt vielleicht sogar 15 cm (markante Warnung!).
Im Südwesten sind einige Böen 7 Bft am Start, im Hochschwarzwald Böen 8 Bft.

Ruhig gestaltet sich die Nacht nach Nordosten hin, wo es teilweise auflockert
und weitgehend niederschlagsfrei bleibt. Bei Tiefstwerten zwischen -1 und -5°C
bilden sich einige Nebelfelder.

Dienstag ... füllt sich der Höhentrog mehr und mehr auf bzw. wird durch einen
von Westen vorstoßenden Rücken abgelöst. Da gleichzeitig am Boden Druckanstieg
einsetzt, wird die Rinne respektive der Bodentrog, in dem die Okklusion liegt,
zusehends zugeschüttet. Übrig bleibt ein schmales, von Nordwest nach Südost
exponiertes frontales Niederschlagsband, aus dem es zeitweise schneit oder
regnet. Der präfrontale Osten und Nordosten bleiben ebenso weitgehend trocken
wie der postfrontale Westen und Südwesten (in beiden Regionen Auflockerungen
oder sonnige Abschnitte). Während in Vorpommern zumindest punktuell ein Eistag
auf der Agenda steht, reicht es am Oberrhein bis zu 7°C. Dazu weht im Norden ein
mäßiger, an der See teils frischer (wahrscheinlich aber nicht warnwürdiger)
Südostwind. Im Süden kommt der schwache bis mäßige Wind zunächst noch aus
westlichen Richtungen, bevor er ebenfalls über Süd auf Südost dreht.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modellfelder weisen eine hohe Kongruent auf. Die Entwicklung als solche ist
unstrittig, in Detailfragen (z.B. ab der Nacht zum Dienstag) sind noch kleinere
numerische Arbeitskreise nötig.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann