DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-12-2021 09:01
SXEU31 DWAV 010800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 01.12.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
NWz
Windig bis stürmisch mit Höhepunkt am Abend und in der Nacht zum Donnerstag im
Norden. Gebietsweise Niederschläge bei zunächst steigender, ab dem Nachmittag
wieder deutlich sinkender Schneefallgrenze. Am Donnerstag vorübergehende
Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... steht der nächste Tag mit "Vollwetter" an, bei dem im Norden eine
Sturmlage mit ordentlichen Potenzial inbegriffen ist.
Ausgangslage ist dabei ein Trog, der sich vom Nordmeer über die Britischen
Inseln bis zur Biskaya erstreckt, durch einen weiteren Troganteil unter
Amplifizierung seine Wellenlänge erhöht und gen europäischen Kontinent wandert.
Es führt Tief DANIEL mit sich, das von der Nordsee nach Dänemark zieht und das
sich von seinem aktuellen Kerndruck von knapp 980 hPa noch auf etwas nahe 970
hPa bis zum Abend vertieft. Aufgrund der Strukturen (warmer Kern, darüber
liegender Cold Jet, abgelöste Kaltfront) kann es als Shapiro-Keyser-Zyklone
identifiziert werden, die in den Abend- und Nachtstunden ihr Windpotenzial über
der Nordhälfte Deutschlands entfaltet.
Zuvor überquert heute aber erst einmal die Warmfront des Tiefs den Norden und
Nordosten von Deutschland. WLA sorgt dort für Hebung und Aufgleitniederschläge
mit Mengen von 2 bis 10 mm in 12 Stunden, lokal kann es in Vorpommern und im
nördlichen Schleswig-Holstein ein wenig mehr sein. Die Kaltfront des Tiefs
wiederum kommt in die Mitte und den Südwesten von Deutschland voran, dort gibt
es ähnliche Niederschlagsmengen. Zwischen diesen beiden Niederschlagsgebieten
fällt auch im Warmsektor lokal etwas Regen, teils ist aber auch länger trocken.
Mit der vorübergehend einfließenden milden Meeresluft mit T850 hPa von 0 bis 4
Grad sind bei guter Durchmischung Höchstwerte von 4 bis 11 Grad in 2 m zu
erwarten, sodass die Schneefallgrenze auf über 1000, teils auch auf über 1500 m
ansteigt. Folglich hat im Bergland Tauwetter eingesetzt mit Abflussmengen von 30
bis 40 mm von Dienstagabend bis Donnerstagfrüh, entsprechende Warnungen wurden
bereits ausgegeben. Mit Ankunft der Kaltfront sinkt die Schneefallgrenze
nachmittags allmählich wieder auf unter 1000 m ab.
Der Wind weht tagsüber durch den Gradienten deutschlandweit in Böen stark bis
stürmisch (Bft 7 bis 8) aus West bis Südwest, exponiert treten Sturmböen Bft 9
auf. Im höheren Bergland kommt es zu schweren Sturmböen (Bft 10) bis hin zu
Orkanböen (Bft 12) auf den höchsten Gipfeln. Auf dem Brocken sind Orkanböen um
150 km/h möglich.

In der Nacht zum Donnerstag wird der westlich von uns liegende Trog durch einen
weiteren großen Troganteil regeneriert, dadurch aber in seiner progressiven
Verlagerung etwas ausgebremst. Tief DANIEL zieht unter nur leichter Auffüllung
auf etwa 973 hPa von Dänemark in die mittlere Ostsee weiter, womit die Kaltfront
auch den Südosten von Deutschland überquert, während die Warmfront bereits über
Weißrussland und die Ukraine nach Osten ankommt. Die herumgeholte Okklusion
hingegen schwenkt über den Norden hinweg. Im Bereich zwischen der abgekoppelten
Kaltfront und der Okklusion ist unterhalb des Cold Jets, der in 850 hPa bis 60
Knoten stark ist, auch am Boden der stärkste Wind zu erwarten. Die Ensembles
zeigen dabei mittlerweile recht ähnliche Ergebnisse an, wobei im nördlichen
Binnenland mit recht hoher Wahrscheinlichkeiten schwere Sturmböen Bft 10 und mit
geringer Wahrscheinlichkeit orkanartige Böen Bft 11 auftreten. Davon sind ab dem
Abend zunächst Teile Niedersachsen betroffen, in der zweiten Nachthälfte dann
auch Teile Sachsen-Anhalts, Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns.
An den Küsten ist der Wind wie im noch stärker. So muss zunächst an der Nordsee
mit orkanartigen Böen Bft 11, exponiert mit Orkanböen Bft 12 gerechnet werden.
In der zweiten Nachthälfte gibt es an der Ostsee schwere Sturmböen Bft 10, an
der mecklenburgischen und schleswig-holsteinischen Ostseeküste auch orkanartigen
Böen Bft 11 und mit geringer Wahrscheinlichkeit dort exponiert Orkanböen Bft 12
Weiter im Binnenland weht der Wind in ähnlicher Stärke wie tagsüber, in der
zweiten Nachthälfte schwächt er sich von Westen her aber deutlich ab.
Weiterhin fällt gebietsweise Regen mit Mengen von 1 bis 10, im Stau der Alpen
lokal um 15 mm in 12 Stunden. Die Schneefallgrenze sinkt im Süden hinter der
Kaltfront auf 800 bis 500 m, im Norden auf 400 bis 0 Meter. Insbesondere in
Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern geht der Regen im Laufe der Nacht
bis ganz nach unten in Schnee über, sodass es dort gebietsweise für eine dünne
Schneedecke reichen könnte. Das gilt auch für die höheren Berglagen in der Mitte
und im Süden Deutschlands, im Allgäu und im Berchtesgadener Land werden von den
Modellen lokal mehr als 5 cm Neuschnee angezeigt.
Die Temperaturen sinken auf 5 bis -1 Grad, Frost tritt insbesondere in
Schleswig-Holstein und im höheren Bergland auf.

Donnerstag... erfasst der Trog Skandinavien und Deutschland, während er bis zur
Iberischen Halbinsel amplifiziert. Tief DANIEL verabschiedet sich ins Baltikum,
weshalb es seinen Einfluss auf Deutschland verliert. Damit kann von Südwesten
her ein schwacher Keil des Azorenhochs bis nach Deutschland vordringen. Zwischen
dem Tief und dem Hoch dreht die Strömung auf Nord bis Nordwest, mit der kalten
Luft polaren Ursprungs mit 850 hPa von -5 bis -8 Grad zu uns gelenkt wird.
Unter noch vorherrschendem Tiefdruckeinfluss fällt im Süden gebietsweise noch
Regen oder Schnee mit Mengen von 1 bis 10 mm (cm) in 12 Stunden. Die
Schneefallgrenze liegt im Süden bei 400 bis 600 m, im Norden bei 0 bis 300 m
(die "Schneeliegenbleibgrenze" ist natürlich etwas höher).
In der Mitte und im Norden gibt es durch die höhenkalte Luft mit T500 hPa bis
-39 Grad eine Labilisierung, sodass es dort zu Regen-, Schnee- oder
Graupelschauern kommt. Dabei ist ein kurzes Gewitter nicht ganz ausgeschlossen.
Im Lee des skandinavischen Gebirges lässt durch die Föhnwirkung die
Schauertätigkeit am Nachmittag in einem Bereich zwischen Schleswig-Holstein und
der Lausitz jedoch größtenteils nach.
Der Wind schwächt sich mit dem nachlassenden Gradienten und dem abziehenden Tief
ebenfalls ab. Anfangs ist im Nordosten und Osten aber noch mit starken bis
stürmischen Böen Bft 7 bis 8, an der Ostsee mit Sturmböen Bft 9 und exponiert
dort mit schweren Sturmböen Bft 10 zu rechnen. Auch die eine oder andere
Bergkuppe macht noch mit stürmischen Böen oder Sturmböen mit. Ansonsten weht der
Wind schwach bis mäßig, bei Schauern in Böen frisch bis stark aus West bis
Nordwest.
Die Höchsttemperaturen erreichen 1 bis 7 Grad.

In der Nacht zum Freitag zeigt der Trog im Südteil über dem Mittelmeer
Abtropfungserscheinungen, während der verbleibende nördliche Teil nach Polen
schwenkt. Ein nachfolgender flacher Rücken sorgt dafür, dass sich der
Azorenhochkeil über Süddeutschland verstärkt.
Weil gleichzeitig trockenere Luft einströmt, geht die Niederschlagsneigung
zurück. Ganz im Süden fällt jedoch noch Regen, der zunehmend bis in tiefe Lagen
in Schnee übergeht. Dort können sich ein paar Zentimeter Neuschnee akkumulieren.

Auch an den Küsten gibt es noch Regen-, Schnee- oder Graupelschauer, was dort
bei Tiefstwerten von 4 bis 0 Grad lokal vorübergehend Schneematsch produzieren
kann.
Ansonsten kühlt es auf 0 bis -5, in den Bergen bis -7, über Schnee bis auf -11
Grad ab. Wo noch Reste der Niederschläge des Tages vorhanden sind, muss mit
Glätte gerechnet werden.
Der Wind hingegen schwächt sich weiter ab, an der See weht er aber aufgrund
eines dort stärkeren Gradienten in Böen stark bis stürmisch.


Freitag... flacht der nach Südosten ziehende Rücken weiter ab, stützt aber
zunächst noch den Azorenhochkeil. Der Rücken wird jedoch von kräftiger WLA
überlaufen, gleichzeitig erreicht ein kleiner Randtrog Südnorwegen. Ausläufer
des zugehörigen Bodentiefs erfassen im Tagesverlauf den Nordwesten des Landes.
Damit verbunden ziehen im Norden und Westen Niederschläge auf, die anfangs bis
weit hinunter als Schnee fallen. Da allerdings rasch eine Milderung einsetzt
(T850 hPa steigen auf über 0 Grad), bildet sich meist keine Neuschneedecke aus.
Zumindest sollte aber vorübergehende Glätte, vor allem im Bergland) ins Kalkül
gezogen werden.
Weiter nach Südosten hin sorgt der Azorenhochkeil für einen meist trockenen Tag,
bei dem sich hier und da mal die Sonne zeigen kann.
Der Wind weht mäßig, teils frisch mit starken bis stürmischen Böen an der See
und im Bergland.
Die Höchstwerte liegen zwischen 0 und 6 Grad, im höheren Bergland herrscht
leichter Dauerfrost.

In der Nacht zum Samstag verschwindet der kleine Randtrog zwar von der
Bildfläche, das Bodentief und seine Ausläufer allerdings nicht. Weil über den
Britischen Inseln eine neue Austrogung in Gang kommt, zeigt sich die gesamte
Höhenströmung leicht progressiv, womit auch das Tief und seine Ausläufer etwas
nach Osten weiterziehen. Damit setzen auch im Osten und Süden Niederschläge ein,
die zunächst als Schnee fallen. So werden im Süden bis ins Tiefland wenige
Zentimeter Neuschnee angezeigt, im Bergland können lokal mehr als 5 cm fallen.
Interessant ist die Ausbildung einer Schneedecke von mehr als 5 cm in einem
Streifen zwischen Ostwestfalen und der Uckermark im SNOW- und im ICON6-Modell.
Bei T850 hPa von etwa -3 Grad reichen die Rahmenbedingungen normalerweise nicht
für Schneefall, die vorhergesagten Belagstemperaturen von 2 bis 3 Grad sprechen
auch dagegen. Allerdings kann bei starken Niederschlägen die
Verdunstungsabkühlung doch ausreichend sein, sodass diese Vorhersage nicht per
se ins Reich der Fabel verwiesen werden sollte.
Bei Tiefstwerten von 5 bis 0 Grad im Norden und 2 bis -5 Grad im Süden, über
Schnee lokal bis unter -10 Grad muss mit Glätte gerechnet werden. Im zentralen
Mittelgebirgsraum ist darüber hinaus Glatteisregen denkbar, was auch die
Soundings durchaus so hergeben. Allerdings fällt der Regen dann meist auf
Schnee, was die Glätte vermindert.
Der Wind weht schwach bis mäßig mit starken bis stürmischen Böen im Bergland und
an der Küste.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren recht ähnlich, auch was die Sturmentwicklung ab heute
Abend angeht. Daher wird zunächst auf eine Unwetterwarnung im Binnenland
verzichtet, im Nowcasting muss aber entschieden werden, ob die bisherigen
Warnungen ausreichen, oder ob noch "draufgesattelt" werden muss.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Simon Trippler