DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

30-11-2021 18:30
SXEU31 DWAV 301800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 30.11.2021 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Heute Nacht im Südosten vor allem in den Alpen und im Bayerischen Wald anfangs
noch kräftige Schneefälle, bald aber deutlich steigende Schneefallgrenze.
Entsprechend bis in den Donnerstag hinein in einigen Mittelgebirgen Dauerregen
bzw. Tauwetter.
Dazu in den Hochlagen, an den Küsten und im Süden verbreitet Sturm- und schwere
Sturmböen, exponiert (Brocken) Orkanböen.

Am Mittwoch im Norden und Osten Böen Bft 8 bis 9, an der Nordsee Abends
vorübergehend auch schwere Sturm- oder gar orkanartige Böen möglich, die sich in
der Nacht zum Donnerstag auf die Ostseeküste ausdehnen können.
Auf den Bergen teils schwere Sturmböen und exponiert auch Orkanböen.

Am Donnerstag deutliche Wetterberuhigung, dafür aber wieder bis in tiefere Lagen
Schneefall möglich. An der Ostsee anfangs noch Böen Bft 8 bis 9 aus Nordwest.

Am Freitag an der Küste stürmische Böen, in den westlichen Mittelgebirgen
örtlich Neuschnee um 5 cm möglich.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... Deutschland liegt aktuell in einer recht glatten nordwestlichen
Höhenströmung auf der Vorderseite eines markanten Höhenrückens, der in der Nacht
über Deutschland nach Osten schwenkt. Er wird aber von kräftiger
Warmluftadvektion überlaufen, die zu der Warmfront eines von Schottland zur
zentralen Nordsee ziehenden Sturmtiefs (´Daniel´) gehört. Diese überquert
abgesehen vom äußersten Nordosten, wo die Nacht noch mit aufgelockerter
Bewölkung startet, Deutschland recht rasch ostwärts. Ganz im Nordosten fällt in
den Frühstunden sogar Schnee. Dort ist auf der Rückseite des von Nordpolen nach
Weißrussland ziehenden Tiefs von Nordwesten recht frische Meeresluft
eingesickert. In dieser Region gibt es Tiefstwerte (ähnlich wie im Südosten) um
0 Grad. Ansonsten sind die Abendtemperaturen schon die Tiefstwerte mit einer
Spanne zwischen 2 und 8 Grad mit den höchsten Werten im Rheinland. Die Warmfront
bringt Regenmengen meist zwischen 2 und 9 mm, in exponierten Staulagen aber 10
bis 20 mm und im Allgäu knapp über 25 mm. Da es zusätzlich taut, sind die
Tauwetterwarnungen im Schwarzwald, in den Alpen, im Bayerischen Wald und im
Fichtelgebirge berechtigt.
Der Wind wird an der See vorübergehend schwächer. Gegen Morgen frischt er aber
an der Nordsee wieder aus Südwest bis Süd auf mit stürmischen Böen. In den
Hochlagen bleibt es stürmisch.

Mittwoch ... zieht das Sturmtief unter Verstärkung von der Nordsee zur
westlichen Ostsee, wobei dessen Kaltfront im Tagesverlauf von Nordwesten her
große Teile Deutschlands überquert und auf der Rückseite die Zufuhr von
erwärmter Meereskaltluft einsetzt (bis zum Abend lediglich Rückgang der
Temperatur auf 0 bis -4 Grad in Nordwestdeutschland).
Die schauerartigen Regenfälle verstärken sich mit Passage der Kaltfront
vorübergehend noch einmal, die Schneefallgrenze sinkt allerdings erst in den
Abendstunden auf 800 bis 600 m in den westlichen und zentralen Mittelgebirgen.
Im Südwesten wird auch ein leichtes Schleifen der Kaltfront angedeutet. In
einigen Staulagen sind 12-stündig wieder 10 bis 20 mm, exponiert auch über 25 mm
Regen möglich (vor allem Schwarzwald/Allgäu/Bayerischer Wald). Ansonsten sind es
meist Regenmengen zwischen 2 und 9 mm. Akkumuliert auf 24 oder 36 Stunden kommen
wir in den oben angesprochenen Gebieten sogar weiterhin auf Dauerregenmengen
zwischen 30 und 50 mm. Mit der abschmelzenden Schneedecke überschreiten wir auf
jeden Fall die Warnschwellen.

Auch der Wind bzw. Sturm bleibt ein großes Thema, sind doch vor und an der
Kaltfront verbreitet steife bis stürmische Böen zu erwarten. Sturmböen müssen im
Nordwesten sowie in Lagen oberhalb von 400 bis 600 m einkalkuliert werden. Auch
an der See gibt es zunächst Sturmböen, abends auch schwere Sturmböen und
orkanartige Böen (s. unten). Orkanböen sind einigen exponierten Bergen
vorbehalten. Postfrontal wird der Wind allmählich schwächer.
Möglichweise wird rückseitig des Tiefs im Laufe des Abends skandinavische
Kaltluft angezapft, die hinter der ´herumgeholten´ Okklusion in den Nordosten
einströmt. Dann kann es in Vorpommern zu Schneefall und stürmischen Böen kommen
(unter 5 cm). Zuvor wird es in weiten Landesteilen aber ein sehr milder Tag mit
Temperaturen von 7 bis 11°C.

In der Nacht gelangt die Kaltluft zu den Alpen, wo die Schneefallgrenze auf etwa
500 bis 600 m sinkt. In der Nordhälfte geht die Temperatur in 850 hPa auf -5 bis
-8 Grad zurück, so dass es im äußersten Norden und Nordosten schneien kann mit
entsprechender Schnee- und Eisglätte. In der Mitte und im Westen schneit es
teils nur bis 400 oder 300 m. Es kühlt auf Werte zwischen 4 Grad an der Nordsee
sowie am Oberrhein und -2 Grad im nördlichen Schleswig-Holstein ab.

Donnerstag ... greift nun die Hauptachse des sich vom Nordmeer durch
Kaltluftadvektion weit nach Süden ausweitenden Langwellentroges von der Nordsee
her auf Deutschland über. Rückseitig wölbt sich vom Ostatlantik her ein
Höhenrücken Richtung Britische Inseln auf, so dass die Höhenströmung über dem
Westen Deutschlands auf Nordwest bis Nord dreht.
Im Bodenfeld kommt das Sturmtief ´Daniel´ über dem Baltikum nur noch wenig nach
Osten voran und schwächt sich langsam ab. Gleichzeitig schiebt sich, ausgehend
von einem kräftigen Hochdruckgebiet nördlich der Azoren, ein Hochkeil über
Frankreich nach Südwestdeutschland. Somit bleibt es bei einer im Vergleich zu
den Vortagen relativ gradientarmen nordwestlichen Bodenströmung. Für stürmische
Böen aus Nordwest reicht es anfangs vielleicht noch entlang der
mecklenburg-vorpommerschen Ostseeküste, ansonsten wohl nur noch in einigen
exponierten Hochlagen.
Mit dem Höhentrog werden weite Teile des Landes von höhenkalter Meeresluft
geflutet. In 500 hPa sinkt die Temperatur im Bereich der Trogachse auf -34 bis
-39 Grad, in 850 hPa auf -4 Grad an den Alpen und bis -8 Grad im Nordosten.
Dabei entwickeln sich vielerorts Schneeregen-, Schnee- und Graupelschauer,
vereinzelt sind auch kurze Graupelgewitter dabei. Trocken bleibt es wohl am
ehesten in einem Streifen von Schleswig-Holstein über das nordöstliche
Niedersachsen, Teile von Sachsen-Anhalt bis nach Nordbrandenburg, wo der
Skandinavienföhn wirksam werden kann. Aber auch sonst sind die simulierten
Niederschlagsmengen überschaubar. Meist fallen weniger als 5 l/qm in 12 Stunden,
lediglich in den Staulagen einiger Mittelgebirge sowie im Alpenstau sind es
stellenweise bis an die 10 cm. Entsprechend kommt man wohl auch in diesen
Regionen mit gelben Schneefallwarnungen über die Runden. In kräftigeren Schauern
kann es aber auch in tiefen Lagen kurzeitig mal Glätte aufgrund von Schnee- oder
Graupelmatsch geben.
Innerhalb der gut durchmischten Luftmasse werden immerhin noch Höchstwerte
zwischen 2 und 7 Grad erreicht, oberhalb von etwa 400 (Harz) bis 800 m (Alpen)
gibt es leichten Dauerfrost.

In der Nacht zum Freitag verlagert sich der Höhentrog rasch weiter ostwärts,
rückseitig stellt sich eine relativ glatte nordwestliche Höhenströmung ein und
der nach Südwestdeutschland gerichtete Bodenhochkeil weitet sich vorübergehend
nach Norden und Osten aus. Somit klingen die Schauer ab, lediglich an den Alpen
schneit es noch etwas länger und auch an den Küsten dauert die Schauertätigkeit
noch an.
Verbreitet lockern die Wolken auf und es gibt - außer ganz im Nordwesten -
vielerorts leichten Frost (vor allem in Bodennähe) sowie Glätte.

Freitag ... In die nordwestliche Höhenströmung ist ein flacher Keil eingelagert,
der unter Abschwächung über uns hinweg nach Osten über uns hinweg zieht, wobei
die Strömung eher auf westnordwest kippt. Vom Azorenhochkeil über den Alpen
spaltet sich ein Hoch ab, das zum nördlichen Balkan wandert. An seiner Flanke
dreht die Bodenströmung auf Südwest zurück und damit kommt bei uns kräftige
Warmluftadvektion auf. Diese ist verbunden mit dem Frontensystem eines Tiefs bei
Island, an dem sich über der nördlichen Nordsee eine Randtiefentwicklung
andeutet. Mit dem Übergreifen des Frontensystems verdichtet sich von West nach
Ost die Bewölkung und es kommen Niederschläge auf, die anfangs bis in tiefe
Lagen teils als Schnee fallen. Die simulierten Niederschlagsmengen sind nicht
besonders groß nämlich meist nur 1 bis 6 mm, an der Nordsee bis 10 mm.
Entsprechend sollten markante Neuschneemengen nur in den exponierten Staulagen
der Mittelgebirge möglich sein. Die Schneefallgrenze steigt im Tagesverlauf im
Westen bis in die Kammlagen (s. unten). Nur im Osten und Südosten bleibt es noch
trocken.
Während im Westen und Nordwesten die Temperaturen sich kaum ändern (um 5 Grad),
ist es sonst gebietsweise etwas kälter (Werte zwischen 1 und 4 Grad). In den
Mittelgebirgen gibt es oberhalb 600 m (abgesehen vom Westen) Dauerfrost.
Der Wind frischt an der Küste auf mit stürmischen Böen vor allem an der Nordsee.
Ansonsten weht der Wind meist nur schwach bis mäßig, im Bergland frisch und
dreht auf Südwest.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die synoptischen Basisfelder werden bis Donnerstag großräumig recht ähnlich
simuliert.

Was morgen den Sturm an der Nordsee angeht gibt es noch leicht unterschiedliche
Versionen: Während IFS an der Nordsee lediglich 9er und 10er Böen simuliert,
sind es bei ICON am Abend orkanartige Böen. Bei ICON-D2-EPS liegen die
Wahrscheinlichkeiten für Böen Bft 11 um 21 UTC an der Nordsee bei 40 bis 60
Prozent. An der Ostsee ist der Höhepunkt der Sturmlage danach in der 2.
Nachthälfte mit immerhin bis 20 Prozent Wahrscheinlichkeit für Böen Bft 11.

Am Freitag simuliert GFS das Übergreifen des Frontensystems deutlich langsamer
um rund 12 Stunden verzögert. Damit würden die Niederschläge erst in den
Abendstunden im Westen einsetzen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Olaf Pels Leusden