DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-11-2021 09:01
SXEU31 DWAV 230800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 23.11.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HB bzw. BM (Hoch Britische Inseln bzw. Brücke Mitteleuropa), ab Freitag
Übergang zu TrM (Trog Mitteleuropa)

Weiterhin undynamisches, aber vielschichtiges (Stichwort "4-Wetter-Taft")
Novembergegurke mit maskierter Okklusion. Zum Donnerstag hin dann ZEUS, der aber
auch schon bessere Tage erlebt hat.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... zeigt die großräumige Potenzialverteilung einen stark zonal
angeordneten Rücken über dem Ostatlantik, von dem aus sich ein Keil bis nach
Mitteleuropa erstreckt. Das korrespondierende Hoch WALPURGA hat sein Zentrum
knapp westlich von Irland geparkt, von wo aus ebenfalls ein Keil über
Deutschland hinweg bis zum Balkan verläuft. Die Divergenzachse verläuft heute
früh (06 UTC) etwa von der Eifel bis hinüber nach Oberfranken, was sich tagsüber
auch nicht wesentlich ändern wird. Nördlich der Achse ist WLA wirksam und man
findet - eher schlecht als recht - eine Front, die zu einem flachen Tief über
dem Baltikum gehört. Was genau das für eine Front ist, wissen wahrscheinlich nur
die berühmten Synoptiker der Vorgeneration. Okklusion, Kaltfront, Warmfront,
alles zusammen, wie vom Nachtdienst analysiert? Es gibt für alles Argumente.
Einigen wir uns auf eine maskierte Okklusion (schwache Warmluftzunge in der
Höhe), die gegen die um eine Nacht gealterte Polarluft (Frost) in der Mitte
läuft und somit am Boden Warmfrontcharakter (rückseitig deutlicher
Temperaturanstieg), in der Höhe hingegen schwachen Kaltfrontcharakter (Rückgang
T850 von rund 0°C auf etwa -2°C) aufweist. Wie auch immer, Fakt ist, dass die
Front mit einem Band geschlossener Wolken verbunden ist, aus der etwas
Nieselregen fällt. Beim Auftreffen auf den nördlichen Mittelgebirgsrand (wo die
Temperatur durch nächtliche Ausstrahlung in den Frostbereich abgesunken ist) ist
heute Morgen vor allem nach Westen hin (Sieger-/Sauerland bis Nordhessisches
Bergland), lokal aber auch im östlichen Bergland kurzeitig und streckenweise
Glatteis möglich, bevor der Tagesgang schon am frühen Vormittag (man bedenke,
dass der Boden noch nicht tiefgefroren ist) für Entspannung sorgt. Auf alle
Fälle bleibt es heute von NRW bis hinüber zur östlichen Mitte überwiegend stark
bewölkt bis bedeckt, hier und da fällt etwas Nieselregen (Zone I)

Auf der Rückseite der Okklusion lockert die Bewölkung bereits wieder auf und es
stellt sich im gesamten norddeutschen Raum wechselnde Bewölkung ein, in der sich
nur wenige schwache Schauer (Deckelung der Labilität bei 800 hPa durch
Absinkinversion) bilden (Zone II). Den meisten Sonnenschein gibt es heute im
Süden, grob in einem Korridor zwischen Main/Mosel und Donau (eher noch etwas
mehr, sowohl nach Süden als auch nach Norden) in der abgetrockneten, am Sonntag
und in der Nacht zum Montag eingeflossenen maritimen Polarluft (Zone III). Nur
ganz im Süden halten sich noch Feuchtereste der ehemaligen, inzwischen
aufgelösten Kaltfront in Form tiefer, hochnebelartiger Bewölkung, die sich als
zähes Element entpuppt und nur sehr zögerlich wegerodiert wird (Zone IV).
Noch ein, zwei Sätze zum Wind, der an der Küste im Zuge eines kontinuierlich
aufweichenden Gradienten an Stärke einbüßt, so dass die Warnungen an der Nordsee
auslaufen können. Etwas hartnäckiger hält sich die Bisenströmung im Südwesten,
wo der Nordostwind auf den Höhen des Schwarzwalds bis in die kommende Nacht
stürmisch unterwegs ist (Böen 8-9 Bft), während er im bisenanfälligen Unterland
(südliches BW) bereits im Laufe des Nachmittags schwächer wird (vorher Böen 7
Bft). Die Temperatur erreicht Höchstwerte zwischen nur wenig über 0°C im zähen
Hochnebel des äußersten Südens und bis zu 10°C an der Nordsee.

In der Nacht zum Mittwoch schwächen sich Höhen- und Bodenkeil geringfügig ab,
ohne aber ihre Wirkung auf unser Wetter zu verlieren. Die Grundschicht ist nach
wie vor auf 800 hPa gedeckelt, lediglich im Süden liegt die Inversion niedriger.
Dort halten sich Richtung Alpen und Schweizer Grenze weiterhin Feuchte-
respektive Hochnebelreste, während sich weiter nördlich ein klarer Himmel zeigt
(der Sonnenstreifen vom Tage). Die Nebelgefahr ist in der abgetrockneten
Kaltluft gering, erst wenn es Richtung Mitte geht, nimmt sie durch neuerlichen
bodennahen Feuchteeintrag zu. Noch feuchter ist die Grundschicht in der Mitte
und im Norden, wo sich entsprechen viel tiefe, hochnebelartige Bewölkung
tummelt, die in den Mittelgebirgen z.T. aufliegt und dort für Sichtbehinderungen
bis in den warnwürdigen Bereich (< 150 m Sichtweite) sorgen kann. Der Vorteil
der Nebel- und Wolkensuppe: Es bleibt frostfrei und damit auch glätteunkritisch.
Im Süden bis hoch zur südlichen Mitte hingegen kühlt es in den leichten, im
Bergland stellenweise sogar mäßigen Frostbereich ab, mögliche Reifglätte
inklusive.

Mittwoch... fällt der Luftdruck bei uns, was einer vom Nordmeer gen UK/Irland
gerichteten Austrogung geschuldet ist. Unter dem inneren Bereich des Troges
befindet sich ost-südöstlich von Island ein kräftiges, aber achsensenkrechtes
Tief ZEUS (um 12 UTC rund 990 hPa), das sich nur sehr pomadig gen Süden bewegt.
Folgerichtig bleibt uns zunächst auch noch die zugehörige Kaltfront erspart, die
den Mittwoch über der Nordsee verbringen wird. Das bis dato sehr präsente Hoch
WALPURGA allerdings muss klein beigeben. Ein Teil zieht sich unter merklichem
Substanzverlust nach Westen zurück, wo es sich einem weiteren Monumentalhoch
süd-südwestlich von Island (Zentrum auf Höhe 30° West und 55° Nord mit über 1045
hPa) anschließt. Der andere Teil wandert nach Osten in Richtung Schwarzes Meer.
Verbunden bleiben die beiden Hochs durch eine schmale, auf der Wetterkarte etwas
kümmerlich aussehende Brücke, die mitten über den Vorhersageraum verläuft.

Bei gradientschwachen Bedingungen bestimmen weiterhin Grenzschichtprozesse das
Wettergeschehen, an der Lage der Inversion bei 800 hPa tut sich trotz Druckfalls
wenig. Unter dem Strich bedeutet das vom Norden bis in die Mitte viel tiefe
Bewölkung (SC/ST), aus der es hier und da nieselt. Vor allem zur Mitte hin kann
die Wolkendecke aber doch an der einen oder anderen Stelle auflockern. Im Süden
Deutschlands, wo die Inversion nach wie vor tiefer verortet ist, stellt sich die
klassische Binärwetterlage ein: entweder grau durch beständigen Nebel/Hochnebel
oder blau mit Sonnenschein (vornehmlich aber nicht ausschließlich in höheren
Lagen). Während die Temperatur nördlich der Mittelgebirgsschwelle meist zwischen
6 und 10°C liegt, reicht es weiter südlich nur zu 1 bis 6°C. Vereinzelt ist im
Dauergrau sogar leichter Dauerfrost möglich. Der Wind spielt keine große Rolle,
auch wenn auf den Alpengipfeln ein leichter Föhn in Gang kommt.

In der Nacht zum Donnerstag schwächt sich der Hochdruckeinfluss weiter ab. Da
die Stoßrichtung der Austrogung aber nach Westen erfolgt, verbleiben wir in der
Peripherie des Höhenrückens, der sich nur sehr langsam nach Osten zurückzieht.
Zwar nähert sich von der Nordsee her die Kaltfront des südwärts ziehenden, aber
deutlich schwächelnden ZEUS (Götterväter sind halt auch nicht mehr das, was sie
mal waren), ihre Wirkung beschränkt sich zunächst aber auf etwas Regen in den
frühen Morgenstunden an der Nordsee. Ansonsten herrscht business as usual möchte
man sagen, meint, viel Nebel und Hochnebel (anfänglich durchaus vorhandene
Auflockerungstendenzen werden durch baldige Nebelbildung wieder zunichtegemacht)
und wohl nur wenige klare Zonen. Mit Ausnahme Nord- und Nordwestdeutschlands
geht die Temperatur auf 0 bis -5°C, im südlichen Alpenvorland sowie in den
süddeutschen Mittelgebirgen bei längerem Aufklaren auch darunter zurück. Glätte
durch gefrierende Nässe/nässenden Nebel bzw. Reif sind möglich.

Donnerstag... erreicht ZEUS den Norden der Kimbrischen Halbinsel, wo er weiter
Federn lassen muss. Immerhin gelingt es ihm, mit Hilfe eines nachgeschalteten,
positiv geneigten KW-Troges seine Kaltfront in den Norden und Nordwesten des
Landes eindringen zu lassen, von wo aus sie bis zum Abend unter Abschwächung die
westliche Mitte erreicht. Das zugehörige schwache Regenband schwächt sich dabei
auch deutlich ab, lediglich in Nordseenähe reicht es wohl für ein paar wenige
Millimeter. Dazu können übrigens auch die postfrontalen Schauer beitragen, die
sich dort - an den Höhentrog gekoppelt - in der einfließenden polaren Meeresluft
entwickeln (Rückgang T850 auf bis zu -3°C, T500 auf nahe -30°C). Relevanter als
die Konvektion dürfte aber der Wind sein, der über der Deutschen Bucht auf
Nordwest dreht und kontinuierlich zunimmt. Spätestens am Nachmittag muss dann
mit Böen 7-8 Bft, zum Abend hin auf den Inseln bis zu 9 Bft gerechnet werden.
Etwas geschmeidiger läuft der Hase an der Ostsee, wo der Südwestwind nur
schleppend in die Gänge kommt (wahrscheinlich erst am Abend erste 7er-Böen).

Vor der Front, also im gesamten Süden und Osten sowie über weite Strecken auch
in der Mitte, präsentiert sich der Donnerstag im Wesentlichen grau in grau durch
Nebel oder Hochnebel. Aufgelockerte Bewölkung oder sonnige Abschnitte sind am
ehesten in der östlichen Mitte sowie in den höheren Lagen Süddeutschlands zu
erwarten, weitere positive Überraschungen freilich nicht ausgeschlossen. Die
tendenziell ohnehin nicht vor Kraft strotzenden Föhnböen in höheren Lagen der
Alpen werden tendenziell eher wieder schwächer. Die Temperaturspanne reicht von
örtlichem Dauerfrost um -1°C im Süden bis zu 9°C an der... richtig, Nordseeküste.


Ganz kurz noch ein Ausblick auf die Nacht zum Freitag. Die Kaltfront dürfte sich
über der Mitte auflösen, postfrontal sind an den Küsten aber noch einzelne
Schauer drin. Während der Wind an der Nordsee wieder schwächer wird, legt er an
der Ostsee mit Drehung auf westliche Richtungen zu (7-8 Bft). Spannend wird es
im äußersten Süden, wo Aufgleitprozesse einer Tiefdruckzone zwischen Adria und
Balearen über den Alpenhauptkamm nach Norden ausgreifen und dort leichten
Schneefall initiieren. Mehr Details dazu in den Folgeübersichten.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Entwicklung ist unstrittig, kleine Unschärfen betreffen die
Grenzschichtprozesse, wo jedes Modell so seinen eigenen Kopf hat. Ist ja auch
eine schwierige Materie.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann