DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-11-2021 08:30
SXEU31 DWAV 200800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 20.11.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
HB
Im Norden windig, im Süden Grenzschichtproblematik. Ab der Nacht zum Sonntag von
Norden her Kaltfrontaufzug.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... befindet sich Deutschland inmitten eines vom zentralen Mittelmeer bis
nach Südskandinavien aufragenden Rückens mit Drehzentrum über Korsika. Über dem
Norden Deutschlands ist der Rücken bereits relativ flach, da er von Trögen über
Nordwestrussland und knapp nordwestlich der Britischen Inseln abgehobelt wird.
Am Boden stützt der Rücken Hoch VALENTINA mit Kern über Süddeutschland. In der
nördlich von Deutschland liegenden Frontalzone ist das Frontensystem des Tiefs
WOLFGANG mit Zentrum über der Nordsee eingebettet, wobei dessen Ausläufer mit
Tief VOLKER mit Zentrum über Westrussland verbunden sind.
In den Norden Deutschlands ist eine feuchte Luftmasse eingeflossen, die die
meist starke Bewölkung unterhalb der bei 850 bis 800 hPa liegenden Inversion
auch am Tage dicht halten wird. Im Vorfeld des auf die Britischen Inseln
zulaufenden Troges lässt sich mitteltroposphärisch schwache PVA ausmachen,
sodass es etwas nieselt oder regnet. Die Mengen betragen aber meist nur maximal
1 bis 2 l/m2.
Dafür ist der Gradient im Norden in der Nähe zum Tief WOLFGANG erhöht, was an
der Küste zu starken Böen bis 60 km/h (Bft 7), an exponierten Stellen sowie auf
dem Brocken zu stürmischen Böen um 70 km/h (Bft 8) aus West bis Südwest führt.
Je weiter man ins Binnenland und nach Süden kommt, desto trockener wird die
Luft. Ob es für Auflockerungen reicht, beantworten die Modelle unterschiedlich.
Die Inversion liegt bei rund 900 hPa, unter der sich in der vergangenen Nacht
dichter Nebel und Hochnebel ausgebreitet haben. Die deutschen Modelle sind vom
Süden bis in die Mitte des Landes relativ offensiv bezüglich Aufheiterungen,
EURO4 und das polnische Modell dagegen nicht. Das in solchen Lagen häufig am
besten funktionierende, weil am besten Grenzschicht-parametrisierte polnische
Modell zeigt nur für den höheren Schwarzwald sowie der schwäbischen Alb oberhalb
der Inversion und im Alpenvorland vermehrten Sonnenschein.
Die Höchsttemperaturen bewegen sich zwischen 6 und 11 Grad in der Südhälfte und
zwischen 9 und 13 Grad in der Nordhälfte, dort hatte kräftige WLA in den
vergangenen Tagen bei guter Durchmischung mildere Luft herangeführt. Im
Dauernebel werden örtlich nur 4 oder 5 Grad erreicht.

In der Nacht zum Sonntag schwenkt der Trog von den Britischen Inseln in die
Nordsee und führt Tief WOLFGANG nach Südschweden. Gleichzeitig wird die
Frontalzone Richtung Deutschland geschoben und die Kaltfront des Tiefs erreicht
Norddeutschland mit neuen dichten Wolken und zeitweiligem Regen. Dieser breitet
sich bis zum Morgen bis auf eine Linie Niederrhein - Münsterland - Lüneburger
Heide - Mecklenburg - Rügen aus, wobei 1 bis 4, lokal um 5 l/m2 fallen.
Vor Durchzug der Front ist der Gradient noch kräftig, was den Küsten weitere
starke bzw. exponiert stürmische Böen beschert. Postfrontal weicht der Gradient
allerdings rasch auf, weshalb in der zweiten Nachthälfte im äußersten Norden
bereits eine Windabschwächung erkennbar ist.
Wind ist weiter im Binnenland dagegen kein Thema, sondern vielmehr weiterhin die
Grenzschichtproblematik bei anhaltendem Hochdruckeinfluss. Erneut kann also der
Frage nachgegangen werden, wo sich Nebel und Hochnebel wie stark ausbreiten. Bei
fast allen Modellen schälen sich nun die für den Tag genannten Gebiete als
Auflockerungszonen heraus, während im Rest meist bedeckte bzw. nebelige
Verhältnisse angeboten werden.
Die Tiefsttemperaturen liegen in der Nordhälfte bei 9 bis 4 Grad, sonst bei 4
bis -3 Grad. Frost ist vor allem in den Auflockerungsgebieten, in denen es am
stärksten ausstrahlt, zu erwarten.

Sonntag... zieht der amplifizierende und schmaler werdende Trog über die
südliche Nordsee auf das europäische Festland zu. Über dem Ärmelkanal bildet
sich dabei ein eigenständiges Höhentief. Tief WOLFGANG wandert derweil rasch
über Weißrussland hinweg in den Westen Russlands, die Kaltfront schafft es noch
bis in die Mitte Deutschlands und wird dort aufgrund der frontensenkrechten
Komponente bei südwestlicher Höhenströmung ausgebremst. Weiterhin fällt im
Frontbereich zeitweise Regen mit Mengen von 1 bis 3, lokal bis 5 l/m2. Bis zum
Abend erreicht die Kaltfront etwa eine Linie Saarland - Südhessen - Thüringer
Wald - Erzgebirge - Lausitz. Postfrontal gibt es ein paar Auflockerungen
(postfrontale Subsidenz und vorübergehend trockenere Luft), allerdings nimmt die
Labilität mit Ankunft des nachrückenden Trogs nachmittags zu, sodass sich einige
Quellwolken bilden und dann auch Schauer, möglicherweise mit Graupel, folgen.
Dabei flaut der Wind vorübergehend soweit ab, dass an den Küsten keine Böen mehr
vorkommen. Im Binnenland ist der Gradient selbst bei Frontdurchgang nicht stark
genug für Böen. Mit der zunehmenden Labilität gibt es zum Abend hin an der Küste
aber neue starke Böen Bft 7, nun jedoch aus Nord bis Nordwest.
Präfrontal stellt sich im Süden wieder die Lotteriefrage nach
Nebel/Hochnebel/Sonnenschein. Weil die Luft vor der Front schon ein wenig
angefeuchtet wird, dürften die Auflockerungszonen aber eher abnehmen.
Die Temperaturen steigen mit Ankunft der Meereskaltluft aus Nordwest auf 6 bis
11 Grad, in Nebelgebieten und im höheren Bergland teils nur auf 4 Grad.

In der Nacht zum Montag tropft aus dem schmalen Trog ein Höhentief ab, das über
dem Ärmelkanal zur Westküste Frankreichs steuert und über dem westlichen
Mittelmeer eine Zyklogenese hervorruft. Das Trogresiduum hingegen schwenkt
weiter in den Norden Deutschlands und drückt die Kaltfront noch ein wenig in
südliche Richtung. So regnet es zwischen Main und Donau zeitweise leicht. Noch
weiter südlich kommt WLA auf, die sich aus dem neuen Mittelmeertief speist und
von geringer PVA supportet wird. Ob es aber auch für Niederschläge reicht,
beantworten die Modelle unterschiedlich. Nach EZMW ja, nach den deutschen
Modellen nein. Diesbezüglich ist offenbar das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Die Schneefallgrenze sinkt allmählich auf 1200 bis 1000 m.
Postfrontal gibt es in der Mitte lokal, im Norden größere Auflockerungen. Hier
und da ist noch ein Schauer möglich, mangels Tagesgang sind diese jedoch eher
rar gesät, auch wenn der Trog zunächst noch etwas Labilität bereitstellt.
Gleichzeitig lassen die Böen an der See wieder nach, zumal nun ein Keil des
Hochs WALPURGA mit Kern dann über den Britischen Inseln nach Norddeutschland
vorstößt. Nebel ist in der trockenen Luft kein großes Thema, am ehesten aber
noch in der Mitte hinter dem abziehenden Regen möglich.
In der nun einfließenden Meereskaltluft mit T850 hPa von -5 bis 0 Grad liegen
die Tiefstwerte in 2 m bei 5 bis -2 Grad. Frost tritt vor allem bei größeren
Auflockerungen im Norden und in höheren Lagen auf, sodass dort Glätte durch
Überfrieren nicht ausgeschlossen ist.

Montag... wandert das Trogresiduum nach Osten ab und das Höhentief nach
Nordspanien. Dazwischen kann sich ein Keil eines Höhenhochs über dem
Nordostatlantik reinschieben, was auch auf den Boden übertragen wird und bis in
den Norden Deutschlands reicht. Der zunehmende Hochdruckeinfluss sorgt im Norden
vielerorts und in der Mitte mancherorts für längeren Sonnenschein, für viele
sicherlich eine Wohltat nach den vielen trüben Tagen am Stück. Im Süden ist es
jedoch oft stark bewölkt, was einerseits den Resten der feuchten Luft der sich
auflösenden Kaltfront, andererseits aber auch der Feuchteflusskonvergenz des
Mittelmeertiefs geschuldet ist. Südlich der Donau regnet es daher zeitweise
leicht, die Schneefallgrenze sinkt weiter auf rund 1000 m.
Der Wind weht schwach bis mäßig aus nördlichen Richtungen.
Die Höchsttemperaturen liegen zwischen 2 Grad im Süden und 8 Grad an der See.

In der Nacht zum Dienstag weitet sich der hochreichende Keil nach Süddeutschland
aus und lässt dort der Druck steigen sowie die Niederschläge enden.
Währenddessen zieht ein flacher Randtrog nach Skandinavien, der den Keil im
nordöstlichen Teil schon wieder schwächt und die Ausläufer eines Tiefs über
Finnland in den Norden Deutschlands vordringen lässt. Diese haben dichte Wolken
und leichte Niederschläge im Gepäck, mit maximal 1 bis 2 l/m2 ist aber kein
großer Staat zu machen. In der eingeflossenen kalten Meeresluft polaren
Ursprungs gibt es allerdings außer direkt an den Küsten und stellenweise im
Süden verbreitet leichten Frost bis -5 Grad. Treffen die Niederschläge nun auf
die Frostluft, ist Glatteis nicht ausgeschlossen. Die Kardinalfrage dabei wird
sein, wie weit die Niederschläge ins Binnenland vorankommen. ICON ist dabei
offensiv und simuliert die Niederschläge bis zur Mittelgebirgsschwelle, EZMW und
GFS beschränken sie aber auf die Küstenregionen, die meist frostfrei bleiben.
Nebel ist in der trockenen Luft nur stellenweise zu erwarten, bevorzugt in den
höheren Mittelgebirgen.
Der Wind frischt an der Ostsee bei etwas zunehmenden Gradienten wieder auf,
wodurch es lokal zu starken Böen Bft 7 kommt. An der Nordsee sind die Hinweise
dafür nur gering.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren im groben Kontext sehr ähnlich. Unterschiede gibt es in
den Details (siehe obige Ausführungen zu Auflockerungen heute und Niederschlägen
am Sonntag/Montag) aber schon, was vor allem in der Nacht zum Dienstag durch
mögliches lokales Glatteis in Norddeutschland auch warnrelevant sein könnte.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Simon Trippler