DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-11-2021 08:30
SXEU31 DWAV 110800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 11.11.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wa (West antizyklonal)

Weiterhin ruhiges, tendenziell und vorübergehend aber etwas zyklonaler geprägtes
Wetter ohne große Warnerregung.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... präsentiert sich dem geneigten Betrachter der großräumigen
Wetterlage einmal mehr ein recht unspektakuläres Bild, sofern man sich auf
unseren Raum und die unmittelbare Umgebung fokussiert. Knapp nördlich von uns
verläuft die relativ glatte, nur leicht schwingende Frontalzone, während über
dem westlichen Mittelmeer ein quasistationäres und hochreichendes Tief
(international: BLAS) lagert. Getrennt werden Frontalzone und Tief durch eine
zonal exponierte Potenzialbrücke, die genau über Deutschland verläuft und einen
Rücken über dem östlichen Mittelmeer und dem Balkan mit hohem Geopotenzial über
dem nahen Atlantik verbindet. Weit imposanter als die eher unscheinbare Brücke
präsentiert sich die korrespondierende Hochdruckzone, die eine über mehrere 1000
Kilometer lange Erstreckung aufweist und sich in einem Stück vom Seegebiet
westlich der Azoren bis weit hinter das Schwarze respektive Asowsche Meer zieht.
Während der mitteleuropäische Teil dieses Monumentalhochs auf den Namen SILVIE
hört (so es denn hören könnte), heißt es im östlichen Teil TILDA.

Nun sind Namen in der Meteorologie ein ganz hübsches, für einige sogar
erträgliches Spielzeug, am Ende zählt aber nur das, was hinten rauskommt
(spätestens hier sollte man sich von der personifizierten Vorstellung
meteorologischer Druckgebilde verabschieden) und das ist nichts Anderes als
Physik, genau genommen Atmosphärenphysik. Fangen wir im Norden des Landes an, wo
sich am Südrand der o.e. Frontalzone eine schleifende Kaltfront mehr schlecht
als recht bemüht, auf die sprichwörtliche Anzeigetafel zu kommen. Die Kaltfront
gehört zu dem mächtigen Tief STEPHANE, das inzwischen über der entfernten
Barentssee angekommen ist. Definitiv zu weit weg, um der Front die nötigen
Impulse zu verleihen, was auch noch zusätzlich durch die Präsenz der weiter
südlich lagernden SILVIE erschwert wird. Kurzum, für dichte, bis maximal 700 hPa
reichende Bewölkung reicht es, auch für ein paar sporadische Tropfe Nieselregen
und - fast der wichtigste Punkt - durch die Abdeckung relativ hohe
Nachttemperaturen weit oberhalb der Frostgrenze. Im Tagesverlauf kommen Front
und Bewölkung noch etwas nach Süden voran, viel weiter als eine Linie
Münsterland-Harz-Berlin dürfte bis zum Abend aber nicht überschritten werden.
Mit etwas Glück lockert es dann ganz im Norden sogar auf, allerdings dürfte dann
die Sonne nicht mehr hoch genug am Himmel stehen, um sich noch nachhaltig in
Szene zu setzen. Temperaturmäßig sollte man sich im Norden in der erwärmten
Meereskaltluft auf eine Spanne von 7 bis 12°C einstellen.

Weiter südlich, also zur Mitte hin und in der gesamten Südhälfte ist der
Wettercharakter ein etwas anderer. Geprägt von gealterter und abgekühlter
Meeresluft in der stark zusammengestauchten Grundschicht herrscht klassisches
Herbstwetter mit zähen Nebel- und Hochnebelfeldern auf der einen und viel
Sonnenschein auf der anderen Seite. Besonders zu erwähnen ist an dieser Stelle
die ausgeprägte und weit nach unten gedrückte Absinkinversion, die quasi mit der
Strahlungsinversion verschmolzen ist und ihre Obergrenze bei rund 900 hPa hat.
Als Beispiel sei der Nachtaufstieg von Oberschleißheim aufgeführt, der auf 893
hPa ein Temperaturmaximum von fast schon warmen 16,4°C aufweist, während am
Boden etwas unter 0°C gemessen wurden.

Was den weiteren Verlauf des Tages angeht ist die Geschichte rasch erzählt. In
höheren Lagen setzt sich allgemein die Sonne durch, aber auch in tieferen Lagen
wird das teilweise der Fall sein. Dort, wo sich kein Nebel gebildet hat, ist das
schon direkt nach Sonnenaufgang der Fall (obwohl man mit so einer Aussage
vorsichtig sein muss, da es erstens noch etwas abkühlt und sich dabei Nebel
bilden kann und/oder zweitens Nebel aus der Umgebung angesaugt werden kann).
Ansonsten braucht es Geduld, bis sich die Nebel lichten und schlussendlich
auflösen, was - das muss man ganz klar sagen - nicht überall der Fall sein wird.
In einigen Niederungen und Flusstälern der Südhälfte wird es am Ende nicht
reichen, was u.a. dem quasi nicht vorhandenen Wind und somit nicht vorhandener
turbulenter Durchmischung in die Schuhe geschoben werden kann. Dort, wo es
ganztägig trüb bleibt, schafft es die Temperatur nur wenig über den
Gefrierpunkt, während sonst vielfach 5 bis 10°C auf der Karte stehen. Wer es
wärmer haben möchte, sollte einen Ausflug in bzw. auf die Berge machen und damit
voll in die Inversion laufen. Belohnt wird man mit "Sonne sicher" und
Temperaturen im zweistelligen Bereich, die in einem bestimmten Höhenniveau
durchaus 15°C oder etwas mehr betragen können. Herzlichen Glückwunsch
denjenigen, die die Möglichkeit dazu haben.

In der Nacht zum Freitag passiert nicht viel an der Großwetterlage. Allerdings
ist es an der Zeit - sofern man es nicht schon tagsüber getan hat - mal einen
Blick auf den nahen Atlantik, genau, auf das Seegebiet knapp westlich von Irland
zu werfen. Dort befindet sich das imposante Sturmtief TORBEN, das sich schon
weit in die Troposphäre gebohrt hat und heute Mittag einen Kerndruck in der Nähe
von 975 hPa aufs Barometer bringt. Der gute TORBEN steuert ganz gemächlich auf
die Äußeren Hebriden zu, ist also noch weit genug weg, um uns hier in
Deutschland in irgendeiner Form zu traktieren. Und warum erwähnt der Hoffmann
das Tief an dieser Stelle dann? Nun, weil er die nahe Zukunft bei uns bestimmt,
konkret, das Wetter am kommenden Samstag, doch dazu später mehr.

Zunächst mal gilt es die kommende Nacht abzuarbeiten, wo im Norden und Nordosten
noch tiefe frontale Bewölkung am Start ist, aus der es hier und da etwas
nieselt. Nach Westen hin werden die Wolken mit (niedertroposphärischer)
Winddrehung auf Süd aber schon wieder gen Norden gedrückt, so dass es
nachfolgend auflockert (vor allem nördliches NRW, süd-südwestliches
Niedersachsen). Im großen Rest des Landes bildet sich verbreitet Nebel oder
Hochnebel respektive breiten sich wieder aus. Zum Teil hat das eine frostfreie
Nacht zur Folge, gleichwohl deutet sich in weiten Teilen des Südens und der
Mitte ein Temperaurrückgang in den leichten Frostbereich an, was heute Mittag
mit der üblichen Warnung auch gewürdigt werden sollte.

Freitag... passiert TORBEN Schottland und erreicht irgendwann in den
Abendstunden Dogger (westliche Nordsee). Schaut man sich den Kerndruck zum
Tagesende an, erschrickt man fast ein wenig. Heute noch Euroleague (um 975 hPa),
morgen Abend nur noch Zweite Liga (um oder sogar etwas über 1000 hPa). Der Grund
für das starke Auffüllen liegt nicht allein an der Landpassage und den damit
verbundenen Reibungseffekten. Schon heute Nachmittag lässt sich eine nahezu
senkrechte Achsstellung ausmachen, die ein deutliches Signal für das
Überschreiten des Karrierehöhepunkts darstellt. Nun ist der Steckbrief von
TORBEN zweifelsfrei ein interessantes Thema, für den morgigen Freitag spielt er
aber nur eine periphere Rolle. Zwar beginnt die Hochdruckzone durch einsetzenden
Druckfall allmählich an zu schwächeln und auch die Potenzialbrücke verliert an
Substanz bzw. wird langsam nach Süden geschoben, was uns zunehmend auf die
Vorderseite des Höhentiefs von TORBEN bringt. Trotzdem ist der Wettercharakter
noch weitgehend antizyklonal geprägt.

Im Norden und Nordosten startet der Tag mit den Resten der frontalen Bewölkung,
die eigentlich nicht mehr frontal ist, weil nämlich die Front die Nacht nicht
überlebt (löst sich von Westen her auf. Trotzdem fallen an der einen oder
anderen Stelle noch ein paar Tropfen Regen oder Nieselregen. Im weiteren Verlauf
wird die Bewölkung langsam aber sicher nach Nordosten in Richtung Ostsee
weggedrückt, was den Entfaltungsmöglichkeiten der Sonne einen substanziellen
Schub gibt. Noch mehr Sonne dürfte es etwas weiter südlich, etwa in einem von
NRW bis hinüber nach Sachsen reichenden Streifen geben. Der Gründe gibt es vor
allem zwei: erstens hat sich in diesen Regionen z.T. kein Nebel/Hochnebel
gebildet. Zweitens kommt etwas Wind aus südlichen Richtungen auf, der die
zentralen und westlichen Mittelgebirge überströmen muss und dabei
nebelauflösende Wirkung entfacht. Deutlich schlechtere Karten haben weite Teile
der Südhälfte, wo die Fläche mit zähem bis ganztägigem Grau gegenüber heute
größer wird, was auch von der Numerik unisono so gesehen wird. Die Inversion
wird geringfügig angehoben, was vor allem die Hochnebelgefahr erhöht.
Nichtsdestotrotz sind höhere Lagen nach wie vor ein sicheres Refugium, dem
lästigen Dauergrau zu entkommen.

Nicht vergessen dürfen wir die hohe, ab dem Nachmittag/Abend dann auch
mittelhohe Bewölkung, die auf der diffluenten Vorderseite des o.e. Höhentiefs
(schwache PVA und WLA) zunehmend in den Westen und Nordwesten driftet. Die
Temperatur erreicht Höchstwerte von 7 bis 13°C, in den Bergen Süddeutschlands
lokal noch mal etwas darüber, im Permament(hoch)nebel keine 5°C, teils nur wenig
über dem Gefrierpunkt. Zum Abend hin beginnt der südliche Wind über der
Deutschen Bucht aufzubrisen, was dort aber niemanden groß interessiert.
Wahrscheinlich wird es nicht mal für eine Warnung reichen. Gleiches gilt für den
Osten Sachsens, wo latent zwar der Böhmische Wind auf der Bühne steht, aufgrund
zu geringer Temperaturunterschiede zum Böhmischen Becken und eines nur schwachen
Druckgradienten wohl aber unterhalb der Warnschwelle bleibt.

In der Nacht zum Samstag kommt Tief TORBEN bis vor die niederländische
Nordseeküste voran. Das zugehörige Höhentief zieht sich meridional mehr und mehr
in die Länge, wodurch es die Form eines relativ schmalen Troges annimmt, dessen
Achse am Morgen etwa von den Niederlanden bis nach Lothringen und Burgund
reicht. Deutschland gelangt auf die Vorderseite unter eine diffluente
südwestliche Höhenströmung, in der die schwachen synoptisch-skaligen
Hebungsprozesse etwas an Intensität zunehmen. Das reicht, um dem Westen und
Nordwesten leichten Regen zu bescheren, aber auch weiter östlich könnte es durch
Anheben der Hochnebeldecke hier und da für ein paar Tropfen Nieselregen reichen.
Nennenswerte Glätte ist trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt nicht zu
erwarten, weil der Boden nicht ausreichend durchgefroren ist und somit noch ein
positiver Bodenwärmestrom wirkt. Außerdem sorgt Gegenstrahlung alsbald für eine
leichte Temperaturerhöhung. Ansonsten sei noch auf die erneute
Nebelbildung/-ausbreitung vornehmlich in der Südhälfte, teils auch im Osten
hingewiesen. Über der Nordsee wird der Süd- bis Südostwind mit Annäherung des
Tiefkerns im Laufe der Nacht schon wieder schwächer. Dafür bietet der Brocken
einzelne stürmische Böen 8 Bft auf.

Samstag... kommt die Achse des immer schmaler werdenden Höhentrogs bis in den
Grenzbereich von Deutschland zu Benelux/Ostfrankreich voran. Gleichzeitig
"tuckert" Tief TORBEN von der südwestlichen Nordseekommend nach Süden, wobei er
immer weiter an Substanz verliert. Am Abend sind von dem einst so stolzen Herrn
nach Lesart von ICON und IFS nur noch rund 1015 hPa übrig, während GFS ihm
immerhin noch etwas über 1010 hPa attestiert. Apropos Modelle, noch immer
herrscht kein Konsens über die genaue Zugbahn des Tiefkerns. ICON lässt es auf
Benelux-Seite, IFS und GFS in Nordwest-/Westdeutschland. Wie auch immer, der
Samstag wird ein verbreitet stark bewölkter bis bedeckter, teils auch neblig
trüber und feuchter Tag. Zwar gehen die niedertroposphärischen Temperaturen im
ganzen Land zurück auf 5 bis 2°C (850 hPa), so dass es vorbei ist mit
hemdsärmeligen Wanderungen in den Bergen. Ein richtiger Luftmassenwechsel findet
insbesondere in der Südhälfte aufgrund der schlaffen Winde nicht statt.

Regnen tut es auch, wobei sich nach heutigem Stand zwei Areale
herauskristallisieren. Da wären zunächst die westlichen Landesteile zu nennen,
die sich in Nähe des Tiefkerns befinden. Akkumuliert über den Tag könnte es
gebietsweise für etwas mehr als 5 l/m² reichen. Das zweite Regengebiet markiert
einen Streifen, der laut ICON von BW diagonal über die östliche Mitte bis nach
BB reicht. Im Grunde markiert dieser Streifen die unmittelbare Trogvorderseite,
außerdem korreliert er mit einer teilokkludierten Kaltfront, die dem alternden
Tief zu eigen ist. Auch in diesem Streifen, der nach den externen Modellen etwas
weiter östlich verläuft, sind zumindest im Süden gebietsweise 5 l/m² oder etwas
mehr drin. Windmäßig tut sich nicht viel, zumindest aus Sicht der Warnenden,
allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass der Wind im Norden im Zuge
steigenden Luftdruck über Nordeuropa auf östliche Richtungen dreht. Die
Höchsttemperatur liegt zwischen 5 und 12°C mit den höchsten Werten im Westen.

In der Nacht zum Sonntag nimmt die Niederschlagsneigung schon wieder ab, vor
allem im Süden fällt aber noch etwas Regen, in den Alpen oberhalb rund 1500 m
auch Schnee (IFS und GFS simulieren mehr Niederschlag in der gesamten
Südhälfte). Dort, wo es aufreißt, bildet sich in der feuchten Grundschicht
ruckzuck Nebel und leichter Frost tritt am ehesten im Bergland auf.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die grundsätzliche Entwicklung wird von keinem der etablierten und auch weniger
etablierten Modelle angezweifelt. Die Unterschiede in Bezug auf die Zugbahn des
Tiefs sowie die damit verbundene Niederschlagsentwicklung wurde im Text
angesprochen. Warnrelevant sind sie nicht.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann