DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

03-11-2021 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 03.11.2021 um 10.30 UTC



Am Wochenende Zweiteilung: Im Norden wechselhaft und stürmisch, im Süden teils
neblig, teils sonnig. Kommende Woche auch im Norden vorübergehend
Wetterberuhigung, im Osten und Süden kälter.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 10.11.2021


Am Samstag zeigt sich auf den Höhenkarten ein für die Jahreszeit ungewöhnlich
weit südlicher und breit angelegter Cut-Off über Marokko, Nordalgerien und dem
westlichen Mittelmeerraum mit teilweise unter -25 Grad in 500 hPa. Entsprechend
rege ist die Gewitteraktivität über dem noch warmen Wasser mit Tw > 20 Grad und
einem stürmischen Wind aus Nord bis Nordost. Nördlich davon schließt sich eine
Hochdruckbrücke an. Ausgehen vom Hoch westlich der Biskaya erstreckt sich ein
schmaler Keil nach Süddeutschland, der Verbindung zum Rücken über dem Balkan
aufnehmen will. Die Polarfront verläuft derweil vom Seegebiet südlich von Island
über die Britischen Inseln und Südskandinavien hinweg zum Baltikum.

Für Deutschland resultiert daraus eine Zweiteilung: Die Nordhälfte ist am Rande
der Frontalzone bei aufkommender WLA zyklonal geprägt und aus kompakter
Bewölkung fällt zeitweise, meist leichter Regen oder Sprühregen. Zudem weht ein
strammer Wind aus Südwest mit steifen Böen (Bft 7) im Binnenland und Sturmböen
(Bft 8 bis 9) an der See. Nach Abzug eines Tiefs mit 1000 hPa im Kern zum
Baltikum fächert der Gradient nur kurzzeitig etwas auf, bevor in der Nacht zum
Sonntag die Okklusion des Sturmtiefs bei Island (980 hPa im Kern) von der
Nordsee übergreift.
Der Süden liegt unter dem 1030hPa Biskayahochkeil zwar ebenfalls in
wolkenreicher subpolarer Meeresluft mit T850 um 0 Grad, aber das Absinken
verstärkt sich im Tagesverlauf doch so weit, dass sich vor allem südlich des
Mains häufiger mal die Sonne durchsetzt und es weitgehend trocken bleibt. Die
Höchstwerte liegen bei 7 bis 13 Grad mit den höchsten Werten an der Nordsee.

Am Sonntag schwenkt ein Kurzwellentrog von Schottland zur südlichen Ostsee. Das
korrespondierende Bodentief (Teiltiefbildung am Okklusionspunkt über dem
Oslofjord) erreicht mit rund 995 hPa im Kern am Mittag den Raum Stockholm. Die
dazugehörige Okklusion dringt im Tagesverlauf weiter landeinwärts vor und
erreicht bis zum Abend auch die Donau. Durch den vorgelagerten Druckfall zieht
sich der Keil über Süddeutschland mit dann nur noch 1025 hPa zu den Alpen
zurück. Nach frostiger Nacht und Nebelauflösung scheint somit am Alpenrand noch
länger die Sonne. Sonst breiten sich die Regenfälle von der Nordsee auch bis zur
Mitte aus. AM Nachmittag lockert es im Norden wieder auf, bei zunehmend labiler
Schichtung (T500 nahe -30 Grad, ML CAPE bis 100 J/kg) bilden sich jedoch Schauer
und vereinzelt auch kurze Gewitter. Der Wind bleibt ruppig mit vermehrten Böen
Bft 7, die zunehmend auch auf die mittleren Landesteile ausgreifen. Auf den
Bergen und an der See muss mit Sturmböen gerechnet werden. Die Temperaturen
ändern sich zunächst kaum.

Am Montag findet ein gewaltiger Kaltluftvorstoß über der Labradorsee statt. Via
Downstream Development wölbt sich dadurch ein Rücken vom nahen Ostatlantik bis
nach Island auf und in der Konsequenz stößt "unser" Trog südostwärts zu den
Karpaten vor. Infolge der nördlichen Überströmung der Skandinavischen Gebirge
bildet sich auf der Rückseite des Bodentiefs, das inzwischen Westrussland
erreicht hat, ein markanter Trog aus, in den eine Kaltfront eingelagert ist.
Diese erstreckt sich in den Mittagsstunden in etwas von der Elbmündung bis nach
Frankfurt/Oder und grenzt auf dessen Rückseite Kaltluft polaren Ursprungs über
Skandinavien ab (T850<-5 Grad). Insofern steht in Schweden, Finnland und den
baltischen Staaten der erste Wintereinbruch der Saison 2021/22 bevor. Aufgrund
der insgesamt starken Abtrocknung in der mittleren Troposphäre ist die
Wetterwirksamkeit der Kaltfront aber arg begrenzt. Es wird wohl nur ein gut
definiertes, aber sehr schmales Niederschlagsband sein.
Unterdessen erreicht die alte Okklusion die Alpen und löst sich im Keilbereich
auf. Leichte Regenfälle, oberhalb etwa 1300 Meter auch Schnee sind vor allem
staubedingt am unmittelbaren Alpenrand zu verzeichnen. Durch die noch
vergleichsweise gute Durchmischung macht sich die niedertroposphärische
Abkühlung zunächst kaum in den Höchstwerten bemerkbar. Der Gradient fächert
deutlich auf, so dass Wind- und Sturmböen im Tagesverlauf kein Thema mehr sind.

Am Dienstag und Mittwoch schwenkt der Islandrücken nach Skandinavien und stützt
ein Bodenhoch, das sich über Polen einnistet. Aufgrund der Divergenzachse knapp
östlich des Vorhersagegebietes wird voraussichtlich nur der Grenzbereich zu
Polen mal von der -5 Grad Isotherme in 850 hPa gestreift. Der Hauptvorstoß der
Kaltluft findet weiter östlich statt. Gegenteilig gelangt von Frankreich eher
sukzessive wieder mildere Subtropikluft zu uns (T850 um 10 Grad), die die
ohnehin schon inversionsanfällige Lage noch verstärkt. Somit stehen (zumindest)
im Osten und Süden verbreitet frostige Nächte bevor, zähe Nebel- und
Hochnebelfelder, große Temperaturkontraste auf engstem Raum und sonnig-milde
Berglagen.

Der Übergang zur erweiterten Mittelfrist kündigt aus Nordwesten wieder leicht
wechselhaftes Wetter mit Passage einer (maskierten) Kaltfront an.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Im Großen und Ganzen ist die Konsistenz des aktuellen Laufes als gut zu
bezeichnen, so dass sich für den allgemeinen Wetterablauf in der Mittelfrist
keine nennenswerten Unterschiede zum Vortag ergeben. Der Wochenendsturm an der
See wird aktuell noch etwas stärker betont.
Unsicher ist vor allem noch, wie weit der Kaltluftvorstoß von Skandinavien in
der kommenden Woche westwärts stattfindet. Während die 0zer Läufe recht
konsistent sind, hatte der gestrige 12z Lauf die -5 Grad Isotherme am Dienstag
sogar bis ins Vogtland und die 0 Grad Isotherme bis nach Ostfrankreich
ausgeweitet. Die aktuelle Linie geht eher von -5 an der Oder und 0 Grad entlang
der Elbe und 5 Grad im Südwesten aus. Im Extremfall sind von Montag bis Mittwoch
im Osten und Süden verbreitet leichte, teils mäßige Nachtfröste zu erwarten und
tagsüber Höchstwerte um 5 Grad.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Den groben Ablauf gehen bis Montag erstmal alle Modelle mit. Unterschiede liegen
bis dahin im Detail (z.B. zeigt ICON der Trog am Sonntag etwas weiter südlich,
weshalb auch die Okklusion bis zum Mittag schon Süddeutschland erreicht und auch
etwas intensiver von der Wetterwirksamkeit her ist). ICON zeigt ebenfalls wieder
ein "Alleinstellungsmerkmal", als dass der Rücken am Montag über dem Ostatlantik
deutlich flacher ist. In der Konsequenz würde eine Warmfrontwelle über Jütland
bereits am Dienstag in der Nordhälfte zu neuen Regenfällen führen und der
Kaltluftvorstoß im Osten bliebe nahezu komplett aus. Knackpunkt ist dabei
offensichtlich der Einbezug des ehemaligen Tropensturms WANDA, das sich zum
Wochenwechsel in ein außertropisches Tief umwandeln soll. Da auch UKMO und mit
Abstrichen auch GEM in diese Richtung gehen, hat ICON dieses Mal sogar
vergleichsweise "mächtige" Verbündete. Laut IFS, GFS wird es am Montag von der
Kaltfront des Sturms über der Irminger See absorbiert und macht dadurch die
nordwärts gerichtete WLA zum Aufbau des Rückens erst so richtig effektiv.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Zugegeben, lange keine Rauchfahnen in der Form mehr gesehen. Schon am Sonntag
ist sowohl im Geopotential als auch in den 850 hPa Temperaturen ein ordentlicher
Spread zu sehen (10K, 30 gpdm), der sich am Montag in den Temperaturen weiter
öffnet. Die Lösungen divergieren beispielsweise in Greifswald zwischen -10 und
+10 Grad. Haupt- und Kontrolllauf laufen zwar relativ parallel, die Gefolgschaft
wird ihnen vom EPS aber spätestens ab Dienstag verweigert. Bis auf den Trend zur
Milderung lassen sich da kaum noch Mehrheiten ausmachen. Um beim Beispiel von
Greifswald zu bleiben: -5 Grad am Montag sollte demnach auch die untere Grenze
bleiben, alles darunter sind nur wenige Einzellösungen. Höhenmilde Luft zur
Wochenmitte aus Südwesten mit Qualität um +10 Grad ist recht wahrscheinlich. Die
Niederschlagssignale nehmen ab Mittwoch im Norden du Nordwesten wieder deutlich
zu.

Weiterer Ausdruck der Unsicherheiten sind die 5 gebildeten Cluster (Mo-Mi), die
mehr oder weniger Probleme haben die Art des Einbezugs des Tropensturms und den
damit zusammenhängenden Keilaufbau über dem nahen Ostatlantik einzuordnen.
Druckanstieg bis Skandinavien oder nicht, das ist halt die Frage. Eine
Mehrheit/Präferenz lässt sich dabei nicht ausmachen. Der Hochdruckeinfluss bis
einschließlich Mittwoch in der Südosthälfte wird aber von allen Clustern
gezeigt.

FAZIT:
Zumindest am zweigeteilten Wochenende mit einer wechselhaften und sehr windigen
Nordhälfte und teils freundlichen und oft trockenen Südhälfte sollte es nicht
allzu viel zu rütteln geben. Danach nehmen die Unsicherheiten deutlich zu.
Während am Rande eines Kaltluftvorstoßes über Osteuropa die Frostgefahr im Osten
und Süden des Landes zur kommenden Woche deutlich ansteigt (notfalls auch
hausgemacht unter Hochdruckeinfluss) könnte die Wetterberuhigung im Norden und
Westen nur von kurzer Dauer sein und maximal bis Mittwoch anhalten.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


STURM:
Laut IFS-EPS und Cosmo-Leps liegen die Wahrscheinlichkeiten für Sturmböen an den
Küsten am kommenden Wochenende bei 50-80%. Die Anzeichen für schwere Sturmböen
sind mit <20% zwar noch gering, zum diesem frühen Zeitpunkt aber schon ein
Zeichen und nicht ignorierbar - zumal auch der Hauptlauf des ICON in diese
Richtung geht. Im EFI gust ist es dagegen ruhig, nur den Balearen steht einiges
bevor.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, Mos-Mix
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Robert Hausen