DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-11-2021 08:01
SXEU31 DWAV 030800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 03.11.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
T M.
Typisches Novemberwetter. Kaum Sonne. Markante Wettergefahren in Form von Böen
Bft 8/9, exponiert schwere Sturmböen. Heute Alpengipfel, am Donnerstag auf
Berggipfeln der östlichen und nördlichen Mittelgebirge. Außerdem am Donnerstag
von Vorpommern bis in den Erzgebirgsraum hinein Dauerregen (30 bis 45 mm / 24
Stunden).

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Mittwoch... liegt Deutschland unmittelbar unter der Vorderseite eines vom
Nordmeer bis zu den Pyrenäen reichenden Troges. Dieser wird durch einen
Höhenkeil, der sich vom Kaspischen Meer bis zum nördlichen Ural erstreckt,
blockiert. Somit ergibt sich über Mitteleuropa eine steile südwestliche
Strömung. Die Folge ist leichter Föhn an und in den Alpen, so dass auf
Berggipfeln Sturmböen Bft 8/9, in exponierten Gipfellagen durchaus auch schwere
Sturmböen, auftreten.
Trogvorderseitige Warmluftadvektion und die hierdurch induzierte Hebung ließ ein
flaches Tief entstehen, das über Ostfrankreich nordostwärts gesteuert wird. An
dessen Nordostflanke treten skalige Niederschläge leichter bis mäßiger
Intensität auf, die sich von Südwesten und Westen her nordostwärts ausweiten und
bis zum Abend auch Teile der Mitte erfassen. Wenngleich in Staulagen durchaus um
10 mm zusammenkommen können, sind Regenmengen, die eine Warnung vor Dauerregen
rechtfertigen würden, nicht in Sicht.
Ein paar Wolkenlücken zeichnen sich nur in Nordseenähe aufgrund der dort
vorhandenen leichten Durchmischung und im Nordosten (falls sich dort Nebel und
Hochnebel auflösen) ab. In diesen Gebieten werden Temperaturmaxima um 10 Grad
erreicht. Ansonsten hält sich mehrschichtige und geschlossene Bewölkung. Dabei
sind je nach Höhenlage nicht mehr als 4 bis 8 Grad zu erwarten.

In der Nacht zum Donnerstag schwenkt die "Spitze" des Troges von den Pyrenäen
über die Westalpen hinweg nach Oberitalien. Dies induziert südlich der Alpen
eine Zyklogenese. Hierdurch wird der Gradient auseinandergezogen, der (ohnehin
nur schwache) Föhn an den Alpen bricht zusammen (was wahrscheinlich bereits in
den Abendstunden der Fall sein wird). Infolge Überströmung der Alpen durch die
sich leicht verstärkende nahezu südliche Strömung und dem hieraus resultierenden
Auspumpen entsteht zu dem Tief über Oberitalien ein "Ableger" nördlich der
Ostalpen. Dieser wird bis Donnerstagfrüh unter Intensivierung nach Böhmen
gesteuert. An dessen Westflanke lässt Aufgleiten länger andauernde Niederschläge
aus den Alpen heraus auf den gesamten Süden Deutschlands sowie bis hin zu den
östlichen Mittelgebirgen übergreifen. Diese gehen oberhalb von etwa 1200 bis
1000 m in Schnee über.
Auflockerungen sind lediglich ganz im Nordwesten, d.h. von Schleswig-Holstein
bis etwa zum Niederrhein, vorstellbar. Aufgrund der geringen Luftdruckgegensätze
dürfte sich in diesen Gebieten dann relativ rasch dichter Nebel bilden.

Donnerstag... schwenkt die o.g. Trogspitze, nunmehr ein Sekundärtrog, über die
Alpen und Süddeutschland und später über die östlichen Mittelgebirge hinweg
nord-nordostwärts. Der Haupttrog regeneriert sich weiter westlich und erstreckt
sich mit seiner Achse weiterhin zur Iberischen Halbinsel, wodurch über
Mitteleuropa die steile südwestliche Strömung bestehen bleibt. Mit dieser wird
das Bodentief vom Nordrand der Ostalpen unter weiterer leichter Intensivierung
auf Vb-ähnlicher Zugbahn nach Nordwestpolen gesteuert. An dessen Südflanke
treten in den Gipfellagen der östlichen und nördlichen Mittelgebirge Sturmböen
Bft 8/9 auf. Gleichzeitig stößt, gestützt durch Kaltluftadvektion, von
Frankreich her ein Bodenhochkeil in den Süden Deutschlands vor, wobei dessen
Achse unmittelbar am Alpenrand liegt. Bedingt durch den hierdurch zustande
kommenden Leitplankeneffekt sind am Alpenrand und bis nach Niederbayern hinein
Windböen Bft 7 vorstellbar. Aber auch an der Ostsee kommt der Wind zunächst mit
Böen bis Bft 7, später am Tag mit stürmischen Böen, in Gang.
Mit der Verlagerung des Tiefs nach Nord-Nordost greifen skalige Niederschläge
unter Intensivierung auf die Gebiete von zentralen und vor allem vom östlichen
Mittelgebirgsraum bis nach Vorpommern über. Dabei werden von der Uckermark bis
ins Vogtland und in den Erzgebirgsraum hinein Signale für mehr als 30 über 40 mm
innerhalb von 24 Stunden gezeigt. Der Niederschlag fällt dabei im Wesentlichen
innerhalb von 12 bis 18 Stunden, beginnend im Sachsen und im südlichen
Brandenburg, was warntechnisch entsprechend herauszuarbeiten wäre. Wenngleich
die verfügbaren Modelle und auch proabilistische Verfahren hier unterschiedlich
lokalisierte Maxima herausarbeiten, so wäre doch für diese Regionen eine 24-std.
Warnung vor Dauerregen durchaus angebracht. Indizien für die Überschreitung
unwetterartiger Niederschlagssummen lassen sich nicht finden.
Vergleichsweise wenig Niederschlag ist hingegen in den anderen Landeteilen und
später am Tag auch im Südosten zu erwarten. Dennoch sind Wolkenlücken (für
Auflockerungen reicht es wahrscheinlich nicht) auf den Alpenrand und die
Nordseeküste beschränkt. Die Tageshöchsttemperaturen bewegen sich zwischen 4 und
9 Grad.

In der Nacht zum Freitag wird das Tief von Nordwestpolen in die Rigaer Bucht
gesteuert. Der Gradient weicht hierdurch erneut auf, so dass spätestens ab der
zweiten Nachthälfte selbst auf exponierten Berggipfeln wie auch an der
Vorpommerschen Ostseeküste keine warnrelevanten Böen mehr auftreten sollten. Mit
diesem Tief zieht auch das Niederschlagsgebiet nach Polen ab, so dass ab
Mitternacht wahrscheinlich keine Dauerregenwarnungen mehr erforderlich sind.
Geringe Niederschläge, die aus einem weiteren, jedoch schwachen Kurzwellentrog
resultieren, sind dann noch in einem Bereich von den westlichen Mittelgebirgen
bis in die Lausitz hinein zu erwarten.
Ein paar Auflockerungen kommen im Nordwesten sowie auch im Südosten und dort vor
allem in Alpennähe zustande. Aufgrund der sehr feuchten Grundschicht wird sich
dann rasch teils dichter Nebel bilden. In Alpennähe kann es zudem leichten Frost
geben.

Freitag... wird der Nordteil des wetterbestimmenden Troges ostwärts geführt,
wogegen dessen Südteil bis nach Marokko "zurückhängt". Mit dem Ergebnis, dass
Deutschland weiterhin im Bereich dieses Troges und sogar unter dessen Achse
verbleibt. Warmluftadvektion, die im Tagesverlauf den Norden und Nordwesten
Deutschlands erfasst, lässt dort erneut Niederschlag aufkommen, der jedoch
fernab von jeglicher Warnrelevanz ist. Ansonsten ist die Niederschlagstätigkeit
vorerst gering. Die Dynamik im Bereich des langgestreckten Troges ist schwach,
nennenswerte Hebung ist nicht zu finden. Vielmehr kräftigt sich der über
Süddeutschland liegende Bodenhochkeil, der von einem Hoch über dem nahen
Ostatlantik ausgehend bis zur Ungarischen Tiefebene gerichtet ist. Zwar sind die
Niederschläge bedingt durch die Troglage leicht konvektiv geprägt, aber aufgrund
des sich kräftigenden Keils wie auch der schwach ausgeprägten Dynamik sind
Gewitter unwahrscheinlich.
Abgesehen vom Osten können - mit höherer Wahrscheinlichkeit als an den Vortagen
- ein paar Auflockerungen zustande kommen. Während in den östlichen Landesteilen
die Temperaturen durchweg unter 10 Grad verbleiben, sind ansonsten Maxima
zwischen 9 und 12 Grad zu erwarten.

In der Nacht zum Samstag tropft der wetterbestimmende Trog aus, so dass zwei
Höhentiefs (eins über dem zentralen und westlichen Alpenraum, ein weiteres über
dem Atlasgebirge) übrigbleiben. Die Frontalzone setzt sich vom mittleren
Nordatlantik über Schottland und Südskandinavien hinweg nach Nordwestrussland
durch. Warmluftadvektion, die den Norden und Nordwesten Deutschland erfasst,
sorgt dort für geringe Niederschläge. Die Nähe der Frontalzone macht sich in
Form von Windböen an der Küste (und vielleicht auch stürmischen Böen auf dem
Brocken im Harz) bemerkbar. Zudem ist von der Küste bis hin zu den
Mittelgebirgen die Nebelneigung gering.
Im Süden und Südosten, aber auch über dem westlichen Mittelgebirgsraum sind im
Bereich des Hochkeils geringe Luftdruckgegensätze zu erwarten. Dort klart es
vorübergehend auf, nachfolgend bildet sich alsbald teils dichter Nebel. Im
Alpenvorland ist verbreitet, ansonsten im Süden in ungünstigen Lagen und bei
längerem Aufklaren leichter Frost zu erwarten.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten
Unterschiede ableiten. Lediglich der Austropfprozess, der am Ende des
Vorhersagezeitraumes zu erwarten ist, wird unterschiedlich simuliert. Bei GFS
wie auch bei EZMW ist das Höhentief, das ICON über dem Alpenraum zeigt, nicht zu
finden. Auf die Finalprognose sollte dies kaum Auswirkungen haben. In Bezug auf
das Niederschlagsereignis am Donnerstag zeigen externe Modelle eine leichte
Verstärkung, ICON hingegen eine geringe Abschwächung. Als Konsens-Vorhersage
ergibt sich die oben beschriebe Region von der Uckermark bis zum Vogtland und in
die Lausitz hinein, für welche eine Dauerregenwarnung sinnvoll wäre.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann