DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-10-2021 08:01
SXEU31 DWAV 290800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 29.10.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SWz

Insgesamt ruhiges Herbstwetter, in einigen Hochlagen lebhafter Wind, teils zäher
Nebel, im Südosten lokal leichter Frost. Am Sonntag und insbesondere in der
Nacht zum Montag stark böiger Wind

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... ist die Druck- und Geopotentialverteilung schnell skizziert. Über dem
nahen Ostatlantik stehen ein Langwellentrog und das zugehörige Bodentief KALLI
parat, östlich von uns hält sich dagegen ein Rücken mit abgeschlossenem
Höhenhoch sowie bodennah das Hoch ROSAMUNDE. Zwischen diesen beiden
Druckgebilden stellt sich in der Höhe eine südliche bis südwestliche Strömung
ein, bodennah dagegen ist noch eine leichte Ostkomponente in den Wind
eingewoben, so dass insgesamt verbreitet Süd-Südost die vorherrschende
Windrichtung darstellt. In der Folge sind recht milde Luftmassen
wetterbestimmend, die 850er Temperaturen liegen an der Neiße bei fast 13°C,
während sie im Westen immerhin 6°C erreichen. Das lässt Höchstwerte von 14°C bis
19°C erwarten, mit den höchsten Werten im Nordlee der Mittelgebirge.
Andererseits hält sich im Süden und in der Mitte gebietsweise zäher Nebel. Dies
ist insbesondere dann der Fall, wenn die aus der Nacht heraus vorhandene scharfe
Inversion, die zum Teil bis in ein Niveau von 950 hPa herabreicht, am Tage nicht
komplett oder zumindest weitestgehend abgebaut wird. Die Inversion wirkt sich
natürlich auch auf das Windgeschehen aus. Zwar ist der Gradient nicht sonderlich
kräftig ausgeprägt, dennoch reicht er aus, um höheren Lagen mit Böen Bft 6,
vereinzelt auch Bft 7 anspringen zu lassen. Lokal kann der Wind aber auch
unterhalb der Inversion durch Düseneffekte auffrischen (wenngleich in diesen
Fällen wohl nicht warnwürdig). Und so konzentrieren sich die warnwürdigen Böen
auf den Böhmischen Wind in Ostachsen, eventuell den Brocken, die Nordfriesische
Nordseeküste (wobei hier die genaue Windrichtung relevant wird; eventuell ist
die Ostkomponente so stark, dass der Wind ablandig weht) und, last but not
least, die Alpen. Die südliche Anströmung ist prädestiniert für Föhn, die als
Maßstab gerne herangezogene Druckdifferenz zwischen Bozen und Innsbruck soll, je
nach Vorhersagemodell, bei 6 bis 8 hPa liegen - für Föhn sicher ausreichend. Und
somit legt der Wind in den Hochlagen im Tagesverlauf zu, in der Nacht erreicht
er Sturmstärke. An das Bodentief KALLI über dem Ostatlantik, welches genau
genommen südlich von Island liegt, ist ein Frontensystem gekoppelt. Dieses zieht
sich von Skandinavien über die Nordsee nach Frankreich. Somit schneidet es den
Kern von Tief KALLI nicht, vielmehr verläuft es durch ein von der Irischen See
zum südlichen Nordmeer wandernden Randtief von KALLI, welches auf den Namen LEO
hören soll. Durch Leos Kaltfront verdichten sich am Abend im äußersten Westen
die Wolken, eventuell kann es im äußersten Westen dann schon ein paar Tropfen
geben.

In der Nacht zum Samstag ändert sich an der Geopotentialkonstellation wenig. LEO
kreiselt um KALLI und nimmt auf diesem Weg die Dänemarkstraße ins Visier (als
Richtung, erreichen wird er wohl nur das Seegebiet südöstlich von Island). Somit
bleibt uns die insgesamt südliche Strömung, sowohl bodennah als auch in der
Höhe, erhalten. Während die Kaltfront über dem Norden recht rasch vorankommt,
was einem südlich an Tief LEO anschließenden Bodentrog geschuldet ist, verlagert
sich über dem Westen nur zögerlich. Im Norden heißt das Winddrehung auf Südwest
und leichtes Anziehen des Gradienten. Damit erhöht sich in Nordfriesland bei
günstigem Fetsch vorübergehend die Wahrscheinlichkeit für Böen Bft 7, bevor der
Gradient in der zweiten Nachthälfte wieder auseinandergezogen wird und der Wind
abflaut. Über dem Westen dreht die Strömung dagegen zunehmend auf Süd (Höhe;
bodennah bleibt es bei Südost), was einem Kurzwellentrog in 500 hPa mit
zugehörigem Bodentief über der Iberischen Halbinsel geschuldet ist. Das
Bodentief bildet dabei die Südspitze eines Bodentroges, der sich von Irland bis
nach Spanien erstreckt. Damit kommt die Front kaum nach Osten voran, sie beginnt
zu zerfallen und bringt allenfalls von der Pfalz und der Saar im Süden bis ins
Emsland (und in Nordfriesland) geringen Regen. Sonst bleibt es trocken, im Osten
und Südosten verbreitet auch klar (wenn sich im Südosten über den Tag der Nebel
aufgelöst hat). Das bedeutet erneut starke Auskühlung und somit nicht nur
erneute Nebelbildung oder Nebelverdichtung, sondern lokal auch Frost, von allem
in Süd- und Ostbayern. Dabei bleiben sowohl die Föhnsituation in den Alpen als
auch die Windsituation durch den Böhmischen Wind in Ostsachsen erhalten.
Ansonsten kommt es wohl nicht zu steifen Böen.


Samstag... werden alle enttäuscht, die auf eine durchgreifende Änderung der
Wetterlage gehofft haben. Weiterhin heißt es "Hoch im Osten" und "Tief im
Westen", wobei Tief KALLI etwas nach Süden vorankommt und gleich mehrere Kerne
aufweist. LEO hält weiterhin Kurs Nordwest und kann zum Abend die Dänemarkstraße
schon erahnen. Während die "nächtliche" Kaltfront im Westen durch die zunehmende
Ostkomponente des Windes schon wieder als Warmfront leicht rückläufig wird,
kommt von Frankreich her der o.e. Bodentrog mit einer Kaltfront nach Osten
voran. Die Achse des zugehörigen Kurzwellentroges in der Höhe schwenkt in der
Nacht von Südwest nach Nordost über Frankreich hinweg und erreicht zum Abend
etwa eine Linie Themsemündung - Schweizer Jura, was auch bei uns für zunehmende
Hebung sorgt. Somit greift von Westen her Regen ostwärts aus, zum Abend
überdeckt der Regen die Westhälfte unseres Landes, wobei er dann im Westen und
Nordwesten schon wieder nachlässt. Die Mengen sind weiterhin von warnwürdigen
Schwellen weit entfernt, aber immerhin können über den Tag hinweg lokal knapp
über 10 l/m² zusammenkommen. Mit dem Bodentrog frischt auch der Wind in den
bekannten Ecken auf, als da folgende vier wären: Der Föhn in den Alpen, der sich
wieder etwas verstärkt und durchaus auch in die Tallagen durchgreifen kann; der
Böhmische Wind, der weiterhin steife Böen produziert; die Nordsee, und hier
wieder Nordfriesland, in abgespeckter Form aber eventuell auch die
Ostfriesischen Inseln; die Hochlagen der Mittelgebirge. Zu letzteren ist zu
sagen, dass die Hochlagen der südöstlichen Mittelgebirge hier herausgenommen
werden müssen, da dort weiterhin der Hochdruckeinfluss dominiert. Mit diesem ist
auch wieder eine scharfe, mit etwa 900 bis 950 hPa recht tiefliegende Inversion
verbunden. Das wird es dem Nebel wieder ermöglichen, verbreitet den späten
Vormittag, lokal auch den Nachmittag noch zu sehen - sprich, sich so lange zu
halten. Keine wesentliche Änderung gibt es von den 850er Temperaturen zu
vermelden, die zum Nachmittag, wie auch am Vortag, eine Spanne von 6 bis 13°C
überdecken. Mit 13 bis 18°C deutet MOSMIX etwas niedrigere Höchstwerte aus als
noch am Vortag an, was der Tatsache geschuldet sein dürfte, dass selbst bei
gleicher Spanne der 850er Temperaturen in der Fläche doch ein leichter
Temperaturrückgang zu verzeichnen ist und die 13°C in 850 hPa nur noch im Raum
Passau erkennbar sind.

In der Nacht zum Sonntag erleidet die zweite Kaltfront das Schicksal der ersten.
Sie wird durch ihre zögerliche Verlagerung vom o.e. zugehörigen Kurzwellentrog
überlaufen. Damit ist ein wesentlicher Hebungstrigger perdu. Zwar erreicht die
Front im Norden noch die Ostsee, so dass auch in Mecklenburg oder in
Sachsen-Anhalt ein paar Tropfen fallen können, aber die 12-stündigen Mengen
kratzen laut ICON allenfalls von unter an der 5 l/m²-Marke, laut GFS oder EZMW
ist allenfalls die Hälfte "drin". Da die Frontverlagerung insbesondere über dem
Süden so verhalten von statten geht, bleibt es insbesondere vom Main bis zu den
Alpen bei nebellastigen Bedingungen, und im äußersten Südosten Bayerns kann das
Quecksilber lokal nochmal etwas unter die Null-Grad-Marke rutschen.



Sonntag... und in der Nacht zum Montag wird das Geopotential über Osteuropa
abgebaut und das zugehörige Bodentief ROSAMUNDE wandert weiter nach Osten. Die
Reste des Hochdruckblocks können nunmehr den von Westen heransteuernden Tiefs
bzw. Tiefausläufern nicht mehr so viel entgegensetzen wie noch an den Vortagen.
Dazu kommt, dass sich einer der Tiefkerne von KALLI, auf der Vorderseite einer
markanten Achse des zugehörigen Langwellentroges gelegen, deutlich intensiviert.
Liegt sein Kerndruck zum Morgen noch bei 979 hPa, sind es am Anden 974 hPa, was
mit einer Verlagerung von der Nordwest- zur Nordostspitze Irlands verbunden ist.
In der Nacht überquert das Tief dann Schottland, und in seinem Vorfeld
verschärft sich über Deutschland der Gradient. Zum Abend treten laut EZMW im
Westen verbreitet Böen Bft 7, lokal auch Bft 8 auf. Die Küsten sind bei
ablandigem Südost allenfalls von Bft 7 betroffen, dafür reicht es in den
Hochlagen der Mittelgebirge ebenfalls für Bft 7 oder 8. Die Föhnsituation an den
Alpen bleibt erhalten, dort geht es hoch bis zur Bft 10, ein Niveau, das auch
der Brocken erreicht. Die mit dem noch namenlosen Tief (möglicher Name: MARTIN)
verbundene Front erreicht mit ihren Regenfällen zum Abend den Westen, zum Morgen
dann Schwaben, das Vogtland und Vorpommern, wobei, mit Blick bis in den Montag
hinein, im äußersten Südwesten ein geringes Risiko für Dauerregen besteht. An
der Front werden hohe Scherungswerte, hohe Feuchtewerte (PPWs bis über 30 mm)
und laut ICON auch etwas CAPE simuliert. Darauf reagiert das Modell mit
einzelnen Blitzen - das wird man sehen müssen. Im Vorfeld der Front wird aber
massiv Warmluft advehiert, die 850er Temperaturen steigen zum Abend auf bis zu
9°C im Norden und knapp 15°C im Süden. Damit dürfte im Süden die 20°C-Marke,
insbesondere in Föhntälern, ziemlich sicher fallen. In der Nacht kommt die
Front, wie oben schon erwähnt, weiter nach Osten voran, sie erreicht zum Morgen
den Süden und Osten Deutschlands. Damit legt im Bergland, aber auch an der See
der Wind nochmal zu. Auf dem Brocken reicht es wahrscheinlich für Böen Bft 11
und damit für Unwetter, an den Küsten für Böen Bft 7-8, was auch in den
Berglagen die angepeilte Hausnummer sein dürfte. Ebenso lässt der Föhn in den
Alpen nach. Der Nebel wird von Wind "verblasen" und auch wenn die
850er-Temperatur in der Nacht von Westen her rapide fällt und zum Morgen in
einer Spanne von 2°C (Westen) bis 9°C (äußerster Osten und Südosten) simuliert
wird, sollte Frost allenfalls in ungünstigen Lagen Ostbayerns ein Thema sein.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Abläufe weitgehend ähnlich. Insbesondere von der
Warte der Warnrelevanz ergeben sich keine nennenswerten Unterschiede.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas