DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-10-2021 08:01
SXEU31 DWAV 270800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 27.10.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: SWa (Südwest antizyklonal)

Weitgehend hochdruckbestimmtes Wetter (ROSAMUNDE, schenk mir...) mit
jahreszeittypischer Grenzschichtproblematik. Heute im äußersten Norden windig,
ab Freitag in den Alpen Föhn. Abseits zäher Nebel- oder Hochnebelfelder mild bis
sehr mild.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... verbringt Deutschland südlich der Frontalzone, die sich vom
mittleren Nordatlantik kommend über Skandinavien ostwärts erstreckt, wo sie
immer mehr zerfleddert. Darin eingelagert ist das Frontensystem eines
mehrkernigen Tiefkomplexes (KALLI), der vom Seegebiet südwestlich Islands bis
zum Europäischen Nordmeer reicht. Wenn man so will, befindet sich Deutschland im
breiten und stark antizyklonal aufgespannten Warmsektor, in dem mit südlicher
bis südwestlicher Strömung milde Meeresluft insbesondere in den Norden advehiert
wird (T850 7 bis 10°C). Weiter südlich ist es nicht ganz so weit her mit
Strömung und Wind, aber auch dort steigt T850 von rund 4°C am Morgen auf etwa
9°C am Abend. Der Grund: andauerndes Absinken im Bereich eines zonal
exponierten, zunächst noch recht flachen Höhenrückens, der sich von
Südwesteuropa her weit in den Kontinent gebohrt hat. Korrespondierend dazu
findet man im Bodendruckfeld eine umfangreiche Hochdruckzone (ROSAMUNDE), die
sich brückenartig von der Iberischen Halbinsel (genau genommen fängt sie schon
deutlich weiter westlich an) bis in die Schwarzmeerregion erstreckt, wo sie
Fühlung zu einem Hoch über Russland aufnimmt (dabei handelt es sich um eine
"alte Bekannte", nämlich QUEDLINBURGIA). Kurzum, ein im Wesentlichen
antizyklonal aufgestelltes Setup mit leicht zyklonalem Touch.

Zum Wetter, das in weiten Teilen des Landes entweder wolkenreich (vor allem in
der Nordhälfte) oder mit teils dichtem Nebel und Hochnebel beginnt (Südhälfte).
Vom Norden bis in die Mitte fällt aus der mehrschichtigen Bewölkung gebietsweise
etwas Nieselregen der in den nächsten Stunden aber nachlässt bzw. sich in den
äußersten Norden und Nordosten zurückzieht. Dort, genau genommen entlang der
Küsten sowie in Teilen SHs (etwa nördlich des Nord-Ostseekanals) weht heute
zudem ein flotter Südwestwind, der in Böen Stärke 7 Bft, exponiert (vor allem
Nordsee) auch mal 8 Bft erreicht. Während also in weiten Teilen Norddeutschlands
die Schotten heute dicht bleiben, sprich die Wolkendecke weitgehend geschlossen,
kommt es von der Mitte her zu Auflockerungstendenzen, die sich regionsweise
schon heute Morgen abzeichnen (z.B. in Sachsen, aber auch in NRW). Allerdings
ziehen in der Höhe immer wieder Cirren durch, die eine gewisse Dämpfung der
Sonneneinstrahlung hervorrufen.

Noch weiter südlich gilt es den Kampf gegen den nächtlichen Nebel und Hochnebel
aufzunehmen, was angesichts der fortgeschrittenen Jahreszeit sowie windschwacher
Rahmenbedingungen an der einen oder anderen Stelle echte Kärrnerarbeit
erfordert. Und es ist zu bezweifeln, dass diese überall den gewünschten Erfolg
bringen wird. Okay, in höheren Lagen inkl. des höheren Alpenvorlands wird es
sicher klappen (häufig ist es dort schon offen, weil sich entweder kein Nebel
gebildet hat oder die Nebelobergrenze niedriger liegt), aber z.B. in den
Donauniederungen sollte man den Optimismus nicht zu hochschrauben, ggf. muss
dort sogar noch die Nebelwarnung (Sichtweiten unter 150 m) etwas verlängert
werden. Am Ende steht das klassisch herbstlich-winterliche "teils-teils" (Sonne
oder Grau) zu Buche, wobei einige Regionen beides bekommen ("nach z.T. zäher
Auflösung von...").

Die Temperatur steigt im Norden trotz reichlich Bewölkung auf satte 14 bis 18°C,
was einerseits der milden Luftmasse, andererseits den hohen vielfach
zweistelligen Startwerten geschuldet ist (Frühwerte im Nordwesten 13/14°C).
Weiter südlich geht es dort wo die Sonne lange zum Zuge kommt hoch auf 15/16°C,
sonst auf 10 bis 15°C und bei Dauergrau nur auf 6 bis 9°C.

In der Nacht zum Donnerstag beginnt der Höhenrücken ich aufzuwölben, wobei sich
über Mitteleuropa respektive dem Vorhersageraum eine abgeschlossene
Höhenantizyklone mit etwas über 576 gpdam bildet. Der Schwerpunkt des Bodenhochs
verlagert sich etwas gen Osten, wodurch der (überwiegend schwache) Wind auf
südliche Richtungen rückdreht. Da der Gradient im Norden zunehmend auffächert,
können die Windwarnungen im Küstenbereich weitgehend auslaufen. Am längsten muss
noch an der nordfriesischen Küste nebst vorgelagerten Inseln und Halligen mit
Böen 7 Bft gerechnet werden, so dass dort eine mögliche Verlängerung der aktuell
bis 20:00 MESZ laufenden Warnungen ins Kalkül gezogen werden sollte.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass sich die hohen Wolken mehr und mehr
zurückziehen. Im Süden und in der Mitte bildet sich wieder Nebel und Hochnebel
bzw. die Reste vom Tage breiten sich aus. Leichten Luftfrost gibt es in den
offen Gebieten Süd- und Ostbayerns sowie in einigen Hochtälern und Muldenlagen
der süddeutschen Mittelgebirge.

Donnerstag... setzt sich die Aufwölbung des Rückens bzw. des Höhenhoch weiter
fort, wobei sich die Hauptachse zum östlichen Mitteleuropa verlagert. Auch das
Bodenhoch schiebt sein Zentrum peu a peu weiter nach Osten in Richtung Rumänien,
so dass wir komplett auf die "warme" Westflanke des gesamten Hochkomplexes in
eine hochreichend schwache südliche Strömung gelangen. Trotz Progression bleibt
der Hochdruckeinfluss stark genug um uns sowohl den Trog, der sich über dem
nahen Atlantik in Stellung bringt (und für die Aufwölbung des Rückens
mitverantwortlich ist) als auch die ihm vorgeschaltete Kaltfront des o.e.
Frontensystems vom Hals zu halten.

Und da die Inversion, die sich heute meist noch zwischen 800 und 900 hPa
befindet, immer weiter nach unten gedrückt wird, stehen die Chancen auf einen
sonnigen Donnerstag in weiten Teilen des Landes gar nicht schlecht. Vor allem in
der Nordhälfte, wo mit Rückdrehen der Strömung auch die letzten Restwolken mehr
und mehr vertrieben werden, scheint verbreitet die Sonne. Aber auch sonst sieht
es nicht schlecht aus mit direkter Solarstrahlung, insbesondere in höheren Lagen
sowie am Nordrand der Mittelgebirge, wo der - wenn auch schwache - südliche Wind
mithilft, Nebel oder Hochnebel zu tilgen. Einmal mehr eine zähe Angelegenheit
wird das Wegräumen der Grauschleier vom nördlichen Alpenvorland über die
Donauniederungen und Teile Frankens bis hinein in den zentralen
Mittelgebirgsraum und evtl. auch im Bodenseeraum. Es kann als wahrscheinlich
angesehen werden, dass es in diesen Regionen nicht überall klappen wird mit der
Nebelauflösung, was natürlich unmittelbare Auswirkungen auf die
Temperaturentwicklung hat. So bleibt der Tagesgang sehr schmal, mehr als 5 bis
9°C sind im Dauergrau nicht drin. Im großen Rest des Landes hingegen wird
thermisch geklotzt und nicht gekleckert. In der Nordhälfte geht´s wieder hoch
auf 14 bis 18°C, im Lee von Sauerland und Bergischem Land lokal sogar 19°C, aber
auch sonst stehen bei viel Sonne passable 12 bis 17°C auf der Karte. Dort, so
sich der Nebel spät auflöst, läuft es auf 9 bi 12°C hinaus.

In der Nacht zum Freitag rückt der Höhentrog etwas dichter an den Kontinent
heran, ohne uns dabei aber zu nahe zu treten. Da der Bodentrog des
korrespondierenden Zentraltiefs bei Island ebenfalls etwas Boden nach Osten hin
gutmacht, kommt es bei uns zu einer leichten Verschärfung des Druckgradienten.
Große Auswirkungen auf den Wind hat das nicht zuletzt aufgrund der häufig
stabilen Schichtung nicht wirklich, allerdings könnte im östlichen Sachsen so
etwas wie Böhmischer Wind light version in Gang kommen. Ob der für Böen 7 Bft
ausreicht, ist noch nicht sicher, zumal die Abkühlungsrate im Böhmischen Becken
zwar gegeben ist, aber nicht übermäßig ausfällt. Außerdem muss man sehen, wo
genau sich die Inversion einpendelt.

Weit sicherer als der Böhmische Wind ist die Tatsache, dass sich in der Mitte
und im Süden wieder Nebel ausbreitet, während es im Norden wohl bei örtlichen
Nebelfeldern bleibt. Vor allem in Bayern muss gebietsweise mit leichtem
Luftfrost gerechnet werden, während Frost in Bodennähe in der gesamten
Nordosthälfte ein Thema ist (was aber nicht bedeutet, dass er auch überall in
der Nordosthälfte auftritt).

Freitag... setzen sich der Höhenrücken respektive die Höhenantizyklone sowie das
korrespondierende Bodenhoch über dem nahen Osteuropa fest. Die davon ausgehende
blockierende Wirkung macht es den atlantischen Trögen (Boden und Höhe) nebst
Kaltfront schwer, ihren Fuß in die kontinentaleuropäische Tür zu bekommen. Das
Bemühen ist ihnen aber nicht abzusprechen und so wie es aussieht, wird es zum
Wochenende hin auch belohnt werden.

Bevor es soweit ist, steht der Freitag aber noch unter antizyklonalen
Vorzeichen, auch wenn gerade nach Westen hin vermehrt Cirren auftreten dürften,
die durchaus als erste Boten eines bevorstehenden Wechsels interpretiert werden
können. Ansonsten scheint nach unterschiedlich schneller Auflösung von Nebel und
Hochnebel einmal mehr die Sonne. Im Süden und der Mitte, evtl. aber auch im
Nordosten kann es länger dauern mit der Auflösung und in einigen Regionen wird
es wohl auch am Freitag nicht klappen. Entsprechend stark gespreizt präsentiert
sich das Temperaturniveau, das von wenig über 5°C bei Dauernebel bis nahe 20°C
mit orografischer Unterstützung (Leeeffekte) insbesondere am Haarstrang reicht.

Noch ein paar Anmerkungen zum Wind (Richtung Ost bis Süd), der trotz
allmählicher Gradientzunahme von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht wirklich aus
dem Quark kommt. Eine dieser Ausnahmen findet sich in Ostsachsen, wo es
wahrscheinlich für ein paar steife Böen 7 Bft aus Süd-Südost reichen wird. Die
zweite Ausnahme betrifft die Hochlagen der Alpen, wo der Südföhn so ganz
allmählich Fahrt aufnimmt. Zwar wächst die Druckdifferenz zwischen Alpensüd- und
Alpennordseite nur langsam, dafür nimmt die Höhenströmung zu. Kurzum, in
exponierten Gipfellagen und Scharten treten stürmische Böen oder Sturmböen 8-9
Bft auf.

In der Nacht zum Samstag löst sich aus dem langwelligen Höhentrog ein
kurzwelliger Anteil, der mit leicht negativ geneigter Achse von Westen her auf
den Vorhersageraum übergreift. Er treibt die Kaltfront vor sich her, wobei
"treiben" maßlos übertrieben ist, weil die Kaltfront durch Wellenbildung
gebremst wird. Wie auch immer, Fakt ist, dass die Bewölkung von Westen her immer
weiter zunimmt und es zwischen Nordsee und RP/Saarland anfängt, leicht zu
regnen. Vor allem nach Südosten zu bildet sich gebietsweise wieder Nebel, in
Ostbayern gibt es stellenweise leichten Frost. Ansonsten gilt es die
Aufmerksamkeit noch auf den Wind zu lenken, der nach Mitternacht aus südlichen
Richtungen kommend über der Nordsee merklich zulegt (7-8 Bft). Windig bleibt es
auch in Ostsachsen und in den Hochlagen der meisten Mittelgebirge ist ebenfalls
eine Windzunahme zu erwarten. In den Alpen dauert der Südföhn an.

Modellvergleich und -einschätzung
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Es gibt nichts hinzuzufügen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann