DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-10-2021 08:01
SXEU31 DWAV 220800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 22.10.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang von Wz/NWz (West bzw. Nordwest zyklonal) zu HM (Hoch Mitteleuropa)


Heute in der Nordosthälfte noch mal sehr windig bis stürmisch, dazu einzelne
kurze, aber kräftige Gewitter. Sonst zunächst im Süden, am Wochenende dann
landesweit zunehmender Hochdruckeinfluss.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... Nach dem gestrigen ersten veritablen Herbststurm der Saison setzt
heute (bzw. hat schon) zumindest in den südlichen Landesteilen eine deutliche
Beruhigung ein. Anders die Situation in der Nordhälfte, wo auch heute noch mal
ein lebhafter und teil stürmischer westlicher Wind den Ton angibt. Doch der
Reihe nach.

Aktuell befindet sich Deutschland unter einem recht breit angelegten Höhentrog,
dessen Ableger bis nach Südwesteuropa reicht und dem Trog damit eine positive
Achsstellung verleiht. Wichtiger als das ist aber die Tatsache, dass schon bald
von der Nordsee her ein kleiner KW-Trog in den Haupttrog läuft, wodurch dieser
regeneriert wird. Gekoppelt ist der KW-Trog mit einem Boden, der in der Analyse
mit einer Konvergenz versehen wurde, womit die Winddrehung von Südwest auf West
bis Nordwest angezeigt wird. Darüber hinaus weist die Konvergenz leichten
Kaltfrontcharakter auf (T850 im Vorfeld 0/+1°C, dahinter um -2°C). Bodentrog und
Konvergenz sind Bestandteile eines umfangreichen, aus mehreren Kernen
bestehenden Tiefdrucksystems über Nordeuropa, in dem sich sowohl die Herren
HENDRIK und IGNATZ wiederfinden.

Als Antipoden zum großen Tief- respektive Trogkomplex agieren ein breiter
Höhenrücken über dem nahen Atlantik sowie das korrespondierende Hoch
QUEDLINBURGA, das so etwas wie das leicht nach Osten verschobene Azorenhoch
darstellt. Ein Schwerpunkt dieses Hochs etabliert sich heute über der Biskaya
(etwas über 1025 hPa), von aus schon jetzt ein Keil bis zu den Alpen bzw.
Süddeutschland gerichtet ist. Von daher ist es nur konsequent, dass der Wind im
Süden weitgehend in die Knie gegangen ist und heute tagsüber auch nicht mehr so
richtig den Bogen bekommt. Was südlich der Donau noch zu finden ist, sind die
Reste einer schleifenden Kaltfront, die aber in frontolytischem Umfeld im Laufe
des Tages das Zeitliche segnen wird. Damit wird es bis zum Nachmittag auch
aufhören zu regnen und die Wolkendecke von Norden her beginnen aufzulockern.
Weiter nördlich ist das schon geschehen, was das eine oder andere nächtliche
Nebelfeld zu Tage gefördert hat (Achtung, Oxymoron). Der Nebel wird sich im
Tagesverlauf auflösen und vor allem zwischen der Main-Mosel-Linie und der Donau
sowie im südlichen BW wird für längere Zeit die Sonne scheinen. In der frisch
eingeflossenen polaren Meeresluft (T850 -1 bis +3°C) wird es dabei allerdings
nicht wärmer als 11 bis 14°C.

Vom Süden in den Norden, wo aktuell schon eine rege Schaueraktivität zu
beobachten ist. Diese geht u.a. auf die kontinuierliche Zufuhr höhenkalter Luft
(aktuell um -28°C auf 500 hPa, später im Nordosten gar rund -30°C) und die damit
verbundene Labilisierung zurück. Hinzu kommt ein ausgewiesenes PVA-Maximum vor
dem KW-Trog, das ebenso wie der nun einsetzende Tagesgang kräftig bei den
erforderlichen Hebungsprozessen mithilft. So werden sich die Schauer in den
nächsten Stunden nicht nur weiter nach Süden hin ausweiten (bis etwa zur
nördlichen Mitte), sondern es werden sich auch einzelne Gewitter dazugesellen.
Auf der Vorderseite des KW-Troges bzw. der Konvergenz wachsen die Schauer zu
einem relativ schmalen Regenband zusammen, so dass hier eher von schauerartigem
Regen gesprochen werden kann. Zwischen Nordsee und Mecklenburg können heute
Vormittag stellenweise rund 10 l/m² innert weniger Stunden zusammenkommen, bevor
zum Nachmittag hin von Nordwesten her eine tendenzielle Abschwächung der Schauer
erkennbar ist. Aufzupassen gilt es auf die Gewitter, die zwar kurz, aber auch
knackig ausfallen können. Neben Graupel können diese mit (schweren) Sturmböen
9-10 Bft einhergehen, was den hohen Oberwinden (925 hPa um 50 Kt, 850 hPa bis zu
60 Kt) geschuldet ist. An der Nordsee ist mit Passage des Bodentrogs sogar eine
orkanartige Böe 11 Bft nicht ausgeschlossen. Am Nachmittag verlagert zieht sich
das Gewitterpotenzial mit der Höhenkaltluft mehr und mehr in den Nordosten
zurück, während es von Westen bzw. Nordwesten her beginnt zu stabilisieren
(markante Absinkinversion zwischen 700 und 650 hPa).

Bei allem Respekt vor den Gewittern, sie werden wohl über den Einzelfallstatus
nicht nennenswert hinauskommen, so dass eigentlich der Wind/Sturm aus
warntechnischer Perspektive Priorität besitz, was man auch an der aktuellen
Warnlage erkennt. Rein aus dem Gradienten heraus frischt der von Südwest auf
westliche Richtungen drehende Wind insbesondere im Osten und Norden, teils aber
auch bis in die Mitte ausgreifen so stark auf, dass verbreitet mit stürmischen
Böen 8 Bft zu rechnen ist. In Schauernähe sowie in exponierten Lagen sind gar
Sturmböen 9 Bft drin und selbst eine vereinzelte "10" kann nicht kategorisch
ausgeschlossen werden, wobei diesbezüglich vor allem die Küste prädestiniert
ist. An der Nordsee würde heute Vormittag sogar eine orkanartige Böe 11 Bft
nicht völlig überraschen. Noch weniger überraschend wären Böen dieser
Größenordnung auf dem Brocken, während sonst die Bergkuppen und -kämme je nach
Exposition mit 8-10 Bft an den Start gehen. Insgesamt weniger mobil gibt sich
der Wind nach Süden und Südwesten hin, wo entweder nur eine "kleine" oder
überhaupt keine Warnung nötig ist. Ab Mittag beginnt dann im Nordwesten, zum
Abend hin auch im Osten der Wind nachzulassen, außer an der Küste, wo es recht
ruppig bleibt. Mit 9 bis 13°C (Bergland darunter) bleibt es heute in der
Nordhälfte arithmetisch nur wenig kühler als im Süden, durch Windchill ist der
Unterschied allerdings spürbar.

In der Nacht zum Samstag verlagert sich der breite Höhentrog langsam aber sicher
gen Osten. Rückseitig gelangen wir unter eine nordwestliche, zunächst noch
leicht zyklonal konturierte Höhenströmung. Dabei laufen in den Norden und
Nordosten nochmals kurzwellige Troganteile hinein, deren Wetterwirksamkeit aber
nicht mehr so hoch ist wie heute tagsüber. So treten im Binnenland kaum noch
Schauer auf, während in Küstennähe die eine oder andere Husche niedergeht. Auch
in der Mitte kommt es in der ersten Nachthälfte an der schwächelnden Konvergenz
noch zu leichten schauerartigen Regenfällen, bevor das Band im weiteren Verlauf
endgültig zerbröselt. Grund dafür ist die weitere Kräftigung des Hochkeils über
Süddeutschland, der eine blockierende Wirkung ausübt. Immerhin bleibt es in den
mittleren Landesteilen überwiegend stark bewölkt und damit frostfrei, während im
Süden unter teils klarem Himmel leichter Frost und vielerorts Bodenfrost
angesagt ist. Zudem bildet sich dort örtlich Nebel.

In der Nordhälfte bleibt es wie in der Mitte frostfrei, was entweder der
vorhandenen Bewölkung oder dem Wind oder beidem geschuldet ist. Apropos Wind,
der verliert im Binnenland aus warntechnischer Perspektive endgültig an
Bedeutung, während an der Küste (Ostsee etwas prominenter als Nordsee) der
"Nordwest" mit Böen 7-8 Bft, an der Ostsee bis in die Frühstunden teils 9 Bft.


Samstag... macht die Wetterberuhigung bei uns weitere Fortschritte. Von Westen
her nähert sich mit großen Schritten der o.e. Höhenrücken, der für Absinken und
Druckanstieg sorgt. Die nordwestliche Höhenströmung nimmt dabei zunehmend eine
indifferente, später sogar antizyklonale Krümmung an. Im Bodendruckfeld
etabliert das Hoch QUEDLINBURGA eine eigenständige, von Frankreich über
Deutschland bis zum nördlichen Balkan reichende Parzelle, die in der Nacht zum
Sonntag auf etwas über 1030 hPa im Zentrum ansteigt. Es ist also alles auf
Hochdruckeinfluss gestellt, trotzdem gilt es noch ein paar "Baustellen"
abzuarbeiten.

Da wäre zum einen der nordwestliche Wind, der an der Nordseeküste noch am
Vormittag unter die neuralgische Schwelle von 7 Bft zurückgeht. An der Ostsee
hingegen bleibt der Gradient zum Tiefzentrum über Karelien leidlich ausgeprägt,
so dass der Wind in Böen Stärke 7-8 Bft erreicht. Auch im vorpommerschen
Binnenland ist die eine oder andere 7er-Böe möglich, eine Warnung drängt sich
aus heutiger Sicht aber nicht auf. Im Laufe des Nachmittags lässt der Wind dann
mehr und mehr nach.
Zweites Thema ist der Niederschlag, der morgen aber keine Schlagzeilen mehr
liefern wird. Die Absinkinversion wird auf rund 800 hPa heruntergedrückt, so
dass mittelhohe Bewölkung kaum noch vorhanden ist. Wenn also irgendwo etwas
fallen sollte, muss das aus tiefen Wolken kommen. Die gibt es auch noch
reichlich, insbesondere im Bereich der ehemaligen Konvergenz, also etwa von NRW
über den zentralen Mittelgebirgsraum bis hinüber nach Nord- und Ostbayern. Für
etwas Regen oder Nieselregen reicht es wenn dann nur vereinzelt (Bergland),
bevor am Nachmittag die Auflockerungstendenzen zunehmen. Den meisten
Sonnenschein gibt es übrigens im Nordosten, wo der Skandinavienföhn auf den Plan
tritt, sowie im äußersten Süden, wo die Luftmasse stark abgetrocknet ist. Trotz
Hochdruckeinfluss bleibt es relativ frisch (T850 am Nachmittag zwischen +2°C im
SW und -2°C im NO), so dass maximal 8 bis 13°C, im Südwesten mit Sonne lokal
vielleicht 14°C drin sind.

In der Nacht zum Sonntag legt sich der Höhenrücken vollends über den
Vorhersageraum, was eine Kräftigung des Bodenhochs zur Folge hat. Dieses
verlagert sein Zentrum etwas nach Osten, so dass sich bodennah eine schwache
Ost- bis Südströmung einstellt. Andauerndes Absinken drückt nicht nur die
Inversion immer weiter nach unten, es sorgt auch für einen merklichen
niedertroposphärischen Temperaturanstieg. Bis zum Morgen klettert die die
850-hPa-Temperatur im Südwesten auf 7 bis 10°C, während es im Osten und
Nordosten mit Werten um 0°C noch frisch bleibt. In 2 m Höhe sowie in Bodennähe
wird es fast überall frisch außer vielleicht im wolkigen Nordwesten (Tiefstwerte
um 6°C) sowie unmittelbar an der Küste, wo das noch relativ warme Meerwasser
eine stärkere Abkühlung verhindert. Ansonsten geht´s verbreitet runter auf unter
5°C und nicht selten wird im Süden, in der Mitte und im Osten (bedingt aber auch
in Niedersachsen) die Frostmarke unterschritten (meist 0 bis -3°C). Darüber
hinaus nimmt das Thema "Nebel/Hochnebel" wieder einen größeren Raum ein als in
der kommenden Nacht.

Sonntag... ist die Wettergeschichte rasch erzählt. Der Höhenrücken über
Mitteleuropa verstärkt sich noch etwas bei leichter Progression gen Osten.
Innerhalb bildet sich eine abgeschlossene Antizyklone, deren Zentrum in der
Nacht zum Montag über Österreich zu finden ist. Derweil wandert das Bodenhoch
via Tschechien und die Slowakei weiter nach Osten, so dass wir vollständig auf
seine "warme" Westflanke gelangen. Auf 850 hPa geht´s hoch auf verbreitet 8 bis
11°C, im Norden und Nordosten 5 bis 8°C. Da einerseits das andauernde Absinken
die Inversion immer weiter nach unten drückt (und damit die Grundschicht immer
weiter gestaucht wird) und zudem noch ein leichter südöstlicher Wind in Gang
kommt, stehen die Chancen sehr gut, dass sich Nebel und Hochnebel auflösen.
Okay, es wird vielleicht nicht überall um 9:00 Uhr der Fall sein, aber bis
Mittag könnte das Thema tatsächlich erledigt sein. Am längsten dauert es
wahrscheinlich von der oberen Donau bis hinunter zum Bodensee, aber die Numerik
ist sehr optimistisch, dass es selbst dort mit der Auflösung klappt. Kurzum, der
Sonntag wird seinem Namen alle Ehre machen, wobei die Temperatur aufgrund nicht
ausreichender Durchmischung nur leicht gegenüber den Vortagen ansteigt, mit 11
bis 16°C für die letzte Oktoberdekade aber passable Werte annimmt.

Die Nacht zum Montag bringt gebietsweise leichten Luft- und verbreitet leichten,
örtlich auch schon mäßigen Bodenfrost. In der Mitte und im Süden bildet sich
gebietsweise Nebel. Im äußersten Nordwesten hingegen zeigen sich einige hohe
oder mittelhohe Wolken einer schleifenden Kaltfront über Westeuropa.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die geschilderte Entwicklung ist auf Basis diverser Modell unstrittig.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann