DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-10-2021 07:30
SXEU31 DWAV 190800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 19.10.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SW a Übergang zu W z

Am Donnerstag Sturmlage.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Dienstag... schwenkt von Westen her ein Höhenrücken über uns nach Osten, der
flankiert wird von zwei Trögen. Der erste über Skandinavien und Russland, der
zweite über dem Nordatlantik. Der Rücken wird von teils kräftiger
Warmluftadvektion überlaufen, die mit Tiefausläufern des hochreichenden
Tiefkomplexes über dem Nordostatlantik in Verbindung steht.
Das in den vergangenen Tagen wetterbestimmende Hochdruckgebiet hat sich schon
nach Südosteuropa zurückgezogen und einer westsüdwestlichen Strömung Platz
gemacht, mit der vermehrt subtropische Warmluft nach Deutschland gelangt, die
sich bei auflebender Strömung zusehends auch gut bodennah durchsetzen kann.

Der Trog über dem Atlantik nähert sich langsam dem europäischen Kontinent,
wogegen sich der Höhenrücken über Mitteleuropa durch die WLA zunächst leicht
kräftigt. Das leichte Hebung generiert wird, liegt neben der Warmluftadvektion
an der leicht wellenden Strömung, die sich in den Advektionsfeldern der
Vorticity zeigt und aus der weitere Hebungsimpulse kommen.
Das Frontensystem, das mit Regenfällen auf den Westen übergegriffen hat, kommt
nach Nordosten voran und wird von der Warmfront eines Tiefs bei Irland
eingeholt, die rasch von Westen her folgt. Bei starker Bewölkung fällt in diesem
Zusammenhang gebietsweise Regen, der weitab jeglicher Warnrelevanz bleibt und
nur in Staulagen sowie in Nordseenähe mal in die Nähe der 10 mm in 12 Stunden
kommt. Postfrontal lockert die Bewölkung im Tagesverlauf von Westen und
Südwesten her wieder auf. Der Süden und Südosten zeigt sich ohnehin etwas
freundlicher mit geringerer Niederschlagsneigung und einigen Wolkenlücken, bzw.
Aufheiterungen im äußersten Süden.

Mit kräftigerem Druckfall über Nordwesteuropa zieht der Druckgradient langsam
weiter an und die Strömung nimmt etwas an Fahrt auf. An der Nordsee sowie im
Bergland kommen steife Böen aus Süd bis Südwest auf. Vor allem auf den Inseln
der Nordsee und exponiert in Nordfriesland sind im Tagesverlauf auch stürmische
Böen möglich. Auf exponierten Bergen gibt es stürmische Böen oder Sturmböen. Bei
stabiler Schichtung reicht es landeinwärts und in tiefen Lagen noch nicht für
warnrelevante Böen.
Die Temperatur steigt in der sehr milden Meeresluft in 850 hPa auf 9 bis 13°C,
was gut durchmischt im Südwesten die 20°C in greifbare Nähe bringt, ansonsten
liegen die Höchstwerte bei 14 bis 19°C.

In der Nacht zum Mittwoch zieht die Warmfront nach Osten ab und wir gelangen in
den breiten Warmsektor des weiter über die Nordsee zur norwegischen Küste
ziehenden Tiefs. Die Warmluft flutet das ganze Land mit 850 hPa Temperaturen von
10°C über dem Nordwesten und knapp über 15°C über dem Süden. Der Höhenrücken
zieht derweil ab und die Frontalzone rückt näher, was sich in einer weiteren
Verschärfung des Gradienten widerspiegelt.
An der Nordsee und im höheren Bergland werden stürmische Böen häufiger, an der
Ostsee und im küstennahen Binnenland sowie in einigen windanfälligen Lagen
weiter landeinwärts sind steife Böen auf der Karte. In Gipfellagen der
Mittelgebirge und Alpen kommt es zu Sturmböen, auf den Brocken sind schwere
Sturmböen, zum Morgen auch orkanartige Böen möglich. Wegen der nach wie vor
stabilen Schichtung hält sich die Windzunahme weiter unten in Grenzen; nur im
einigen Leelagen nach Westen hin sind ausgangs der Nacht erste steife Böen
möglich.

Vor allem im Norden bleibt die Nacht mit Tiefstwerten von +15 bis +10°C sehr
mild, aber auch über der Mitte und im Süden, wo es bei einigen Auflockerungen
stärker abkühlt, ist kaum noch Bodenfrost drin. Ansonsten zieht die stärkste
Warmluftadvektion und damit auch der Warmfrontregen ab; die Kaltfront bleibt im
Nordwesten noch außen vor. Über dem Westen sind aber in deren Vorfeld ein paar
Schauer nicht ausgeschlossen.


Mittwoch... erreicht der Langwellentrog die Britischen Inseln und die Nordsee
und reicht von dort bis in den Norden der Iberischen Halbinsel. Der Tiefkomplex
im Bodendruckfeld ist schwerpunktmäßig über Skandinavien zu finden. Mitteleuropa

und somit auch Deutschland liegen in einer hochreichend zunehmend kräftigen
südwestlichen Strömung mit leicht föhniger Tendenz an den Alpen.

Die Kaltfront der Tiefs über Skandinavien greift schleifend von Westen her auf
Deutschland über, erreicht aber dennoch zum Abend eine Linie von Vorpommern bis
zur Pfalz. Dabei fällt zunächst meist nur wenig Regen, der sich abends im
Südwesten durch eine Wellenbildung über Frankreich verstärkt. Auch die Zufuhr
der subtropischen Warmluft verstärkt sich präfrontal noch und lässt die
Temperaturen in großen Landesteilen auf mehr als 20°C steigen. In einigen
Föhntälern sind nahe 25°C nicht ausgeschlossen.
Die postfrontal einströmende kühlere Meeresluft ist zunächst recht stabil
geschichtet, so dass es an der Kaltfront wohl nicht für Gewitter reicht. Erst im
weiteren Verlauf mit Annäherung höhenkälterer Luft im Bereich des Troges sind
über dem Westen und Nordwesten Schauer und einzelne Gewitter mit Sturmböen (in
850 hPa 50kt) möglich. Bei hoher Scherung
sind Schauer/Gewitterlinien möglich. Sollten sich diese strömungsparallel
ausrichten oder bei wiederholten Schauern wäre auch Starkregen ein Thema, da die
Luft mit PPW von 25 bis 30 mm sehr feucht bleibt.
Abseits der konvektiven Böen sind außer im Süden, wo die Windauffrischung nicht
recht greift, im Tagesverlauf häufiger steife Böen, über der Nordwesthälfte
einzelne stürmische Böen und an der Nordsee sowie im höheren Bergland Sturmböen
zu erwarten. Auf dem Brocken geht der Wind rauf bis Orkanstärke in Böen.

In der Nacht zum Donnerstag geht das Ganze in eine Sturmlage über! Der
Langwellentrog weitet sich über uns nach Südosten aus, so dass die Kaltfront
nach langsam auch den Süden überquert, wobei die Welle nach Nordosten abläuft.
Der Jet (130kt in 300 hPa) verschiebt sich dabei genau über Deutschland nach
Südosten, sodass seitens der Dynamik kaum Wünsche offen bleiben.
Die dann postfrontalen Regenfälle erreichen den äußersten Südosten noch nicht.
Vor allem im Südwesten kann es aber teils sehr kräftig regnen. ICON simuliert im
Schwarzwald und dessen Umfeld Stark/Dauerregen, teils bis in den Unwetterbereich
mit 60 mm in 12 Stunden. Hier sind aber Fragezeichen angebracht, da ICON nicht
konsistent simuliert und die Ergebnisse von den anderen Modellen und deren
Ensembles nicht gestützt werden.

In der einfließenden frischeren Meeresluft sinken die 850 hPa Temperaturen bis
zum Morgen auf 9°C im Südosten und bis 1°C über dem Westen. Auch bei den
konvektiven Niederschlägen scheint es turbulent weiter zu gehen. Die Schichtung
bleibt instabil und wird durch einen markanten Kurzwellentrog, der von Westen
mit starker PVA und Hebung übergreift weiter labilisiert. Cape-Werte bis 200
J/kg, ein Wassergehalt um 25 mm, starke Scherung lassen die teils kräftigen,
linienhaften Schauer und Gewitter andauern.
Bei der staffelartig einströmenden Kaltluft sind diese teils linienartig
organisiert und kräftig mit teils schweren Sturmböen (in 850 hPa über 60 kt).
Starkregen dürfte bei der raschen Verlagerung wenig wahrscheinlich sein.

Darüber hinaus bildet sich unter der Trogvorderseite ein kleines Tief über dem
Ärmelkanal, dass bis zum Morgen nach Schleswig-Holstein ziehen soll. An seiner
Südseite verschärft sich der Gradient im Laufe der Nacht von Westen her deutlich
und der Wind, bzw. Sturm sind auch ohne Konvektion ein großes Thema.
Verbreitet muss auch abseits der Konvektion mit teils stürmischen Böen gerechnet
werden, vorübergehend sind Sturmböen exponiert eventuell auch schwere Sturmböen
dabei. In Gipfellagen ist schwerer Sturm, exponiert Orkan zu erwarten.
Hinsichtlich der Zugbahn des Tiefs und Stärke der Windzunahme sind noch
Unsicherheiten vorhanden. Der äußerste Norden und dort vor allem die
Küstenregionen sind wegen der Nähe zum Tief vom Sturm zunächst kaum betroffen.


Donnerstag... schwenkt der nächtliche KW-Trog unter Konturverlust rasch ostwärts
durch. Ebenso rasch verschwindet das Tief in Richtung Ostsee, was den auf
westliche Richtungen drehenden Wind aber nur wenig nachlassen lässt, da durch
Druckanstieg über Frankreich, aber auch durch nachfolgende Boden- und Höhentröge
der große Druckgradient über Deutschland aufrechterhalten wird.

Zunächst mal verlagert sich das Sturmmaximum an der Südwestflanke des Bodentiefs
mit Böen bis zu 10 Bft in den Osten, wo das Windmaximum am Vormittag erreicht
sein dürfte. Dahinter fächert der Gradient von Westen her zwar etwas auf, von
einschlafendem Wind o.ä. kann aber mitnichten die Rede sein. Es bleibt sehr
windig bis stürmisch. Vor allem im Norden, der vom nächtlichen Sturm verschont
wurde, frischt der Wind auf der Rückseite des Tiefs wieder stark bis stürmisch
auf mit teils schweren Sturmböen, exponiert orkanartigen Böen an den Küsten und
im Bergland sowie Orkanböen auf einigen Gipfeln.

Ansonsten ziehen die Regenfälle im Süden und Südosten ab (am längsten regnet es
am östlichen Alpenrand) und z.T. lockert es im Süden und Osten sogar auf. Von
Nordwesten her folgen mit den Trögen aber weitere schauerartige Regenfälle,
Schauer aber auch kurze Gewitter, die von Sturmböen begleitet sein können. Mit
12 bis 18°C bleibt es noch ziemlich mild, mit einer weiteren Kaltfront, die von
Nordwesten her übergreift setzt dann aber Zustrom kälterer Meeresluft polaren
Ursprungs ein, in der die 850er Temperatur unter den Gefrierpunkt sinkt und
kräftigen Schauern oder Gewitter Graupel möglich ist. Die Temperatur geht
nachmittags von Nordwesten her wieder zurück, der "Thermohammer" kommt dann ab
Freitag, wenn die maritime Luftmasse straight ahead aus polaren Breiten zu uns
strömt.

In der Nacht zum Freitag dringt die Kaltfront mit Regen über den Süden zu den
Alpen vor. Im Stau der Alpen regnet es am längsten, wobei in der einströmenden
Meereskaltluft mit 0 bis -3°C in 850 hPa die Schneefallgrenze bis in Gipfellagen
der Mittelgebirge und etwas über 1000m in den Alpen sinkt. Allerdings fällt
nicht mehr viel, wenn es soweit ist. An den Küsten und im höheren Bergland
bleibt es stürmisch, teils mit schweren Sturmböen oder orkanartigen Böen, vor
allem im Tiefland lässt der Wind aber langsam nach. Im Bergland gibt es lokal
leichten Frost.


Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Der Ablauf wird grundsätzlich ähnlich simuliert, mit der avisierten Sturmlage am
Donnerstag. Details bleiben noch offen. So berechnet ECM das Tief am Donnerstag
etwas kräftiger, als ICON oder GFS. Bei organisierter Konvektion, z.B.
linienhaft wären vereinzelt auch orkanartige Böen in tiefen Lagen sicher nicht
ganz von der Hand zu weisen. Aber selbst wenn diese auftreten, wird von einer
markanten Sturmlage ausgegangen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner