DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-10-2021 08:01
SXEU31 DWAV 150800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 15.10.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HM/BM (Hoch Mitteleuropa bzw. Brücke Mitteleuropa)

Heute von Norden her Kaltfrontpassage mit abnehmender Wetterwirksamkeit. Im
Norden windig, teils stürmisch. Am Wochenende verbreitet Hochdruckeinfluss mit
typischer Grenzschichtproblematik. Im Norden weiterhin leicht zyklonal.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... beginnt die morgendliche Frühschicht mit einem Blick auf die
Drucktendenzkarte, die um 4 UTC landesweiten Druckfall anzeigt. Das war´s dann
also mit dem Hoch OLDENBURGIA, das sich über dem Kontinent als zonales, fast
brückenartiges Gebilde etabliert hatte, nun aber ganz allmählich nach Osten
weichen muss. Doch keine Angst, wer es mit herbstlichen Antizyklonen hält, muss
nicht lange warten, die nächste "Madame" (PHILINE) steht über dem nahen Atlantik
bereits ante portas und wartet nur darauf, ihren Fuß auch in die kontinentale
Tür zu bekommen.

Bevor es allerdings soweit ist, bekommen wir es heute vorübergehend mal mit
etwas Zyklonalität zu tun, insbesondere in Norddeutschland. Dabei stellen drei
Elemente das Maß der Dinge: ein Tief (GEROLD), ein kurzwelliger Höhentrog und
eine Kaltfront. Am weitesten von uns entfernt ist der gute GEROLD, der heute von
Schweden her kommend den Bottnischen Meerbusen ostwärts passieren wird, um in
Richtung Tagesende finnisches Festland zu okkupieren. Die zugehörige Kaltfront
ist gerade dabei, die deutsche Nordseeküste zu erreichen, von wo sie bis heute
Abend etwa bis zur Main-Mosel-Linie vorankommt. Rückseitig gelangt ein Schwall
erwärmter Meeresluft polaren Ursprungs in die Nordhälfte, in der T850 auf +2 bis
-1°C zurückgeht, während es im präfrontalen Süden bei 3 bis 7°C bleibt.

Zur Zeit weist die Front ein veritables Regenband auf, was einerseits an gut
ausgeprägter frontaler Querzirkulation, vor allem aber an einem Maximum
zyklonaler Vorticityadvektion (gemeinhin PVA genannt) liegt, das vorderseitig
des unmittelbar nachfolgenden KW-Troges trotz überlagerter KLA sehr gut mit der
Kaltfront interagiert. So verwundert es nicht, dass bis in den Vormittag hinein
im Norden und Nordwesten gebietsweise rund 5 l/m² Regen oder auch etwas mehr
innert weniger Stunden, ja sogar in einer einzigen Stunde fallen können. Für
mögliche eingelagerte Gewitter ist die Schichtung allerdings zu stabil. Mit
zunehmender Tageslänge wird die Interaktion zwischen Front und KW-Trog dann
immer schlechter, was sich freilich auch auf die Intensität der Regenfälle
auswirkt. Vereinfacht kann man sagen, dass die Kaltfront nach Süden, der Trog
hingegen nach Osten will, was gemeinhin keine guten Voraussetzungen für eine
fruchtbare Zusammenarbeit sind. Kurzum, die mehrschichtige Bewölkung wird zwar
ausreichend in Richtung Süden transportiert, der Regen schwächt sich auf seinem
Weg zur Mitte aber immer weiter ab, ohne gänzlich zum Erliegen zu kommen.

In der postfrontal einfließenden Meeresluft lockert die Wolkendecke von Norden
her zunehmend auf, so dass insbesondere die küstennahen Gebiete sowie SH und
Mecklenburg noch auf ein paar Stunden Sonne hoffen dürfen. Konvektive
Umlagerungen treten nur sporadisch auf, weil es erstens an ausreichend
höhenkalter Luft und damit Labilität mangelt, zweitens die Luftmasse recht stark
abgetrocknet ist und sich drittens bei 800 bis 750 hPa eine Inversion etabliert.
Im Blickpunkt des Warngeschehens steht eindeutig der Wind, der hinter der Front
nicht nur eine markante Drehung von SW auf NW aufs Parkett zaubert, sondern
zudem an der See sowie im küstennahen Binnenland auch recht dynamisch
daherkommt. Expressis verbis bedeutet das Böen 7-8 Bft, Tendenz im Laufe des
Tages und von West nach Ost allmählich nachlassend. Im Osten könnte man eine auf
wenige Stunden begrenzte kleine Windwarnung noch auf Teile Vorpommerns und das
nördliche BB ausweiten (Hinweise von ICON-D2-EPS; ist bereits geschehen),
ansonsten sollten die sporadisch bei Kaltfrontdurchgang auftretenden steifen
Böen 7 Bft eher durchgewunken werden. Dass der Brocken in der Spitze mit Böen
9-10 Bft und der Fichtelberg mit 8 Bft aufwartet, bedarf keiner besonderen
Erwähnung.

Abschließend noch einen Blick auf den Süden des Landes, wo der Druck zwar auch
fällt, die Front aber (noch) nicht ankommt. Hier gilt es in gradientschwachem
Umfeld erst mal die nächtlichen Nebelfelder aufzulösen, was in einigen Regionen
durchaus seine Zeit braucht und bis in den frühen Nachmittag dauern kann.
Abseits davon scheint aber vielfach die Sonne, bevor sich von Norden her
allmählich hohe und z.T. auch mittelhohe Wolken davorschieben. Die Temperatur
steigt landesweit auf 12 bis 16°C, im Süden lokal auch darüber. Trotz
unterschiedlicher Luftmassen ist die Spanne relativ klein, weil im Norden (kalte
Luftmasse) höhere Startwerte und eine bessere Durchmischung gegeben sind (plus
spätere Einstrahlung). Der Süden muss z.T. erst mal aus dem Frost heraus, bevor
die Sonne die Temperatur nach oben treibt. Dort, wo sich der Nebel als zäh
entpuppt, müssen übrigens kleinere Brötchen gebacken werden, sprich, 12°C oder
mehr werden nicht zwingend erreicht.

In der Nacht zum Samstag wird von Westen her Druckanstieg forciert, was der
Kaltfront freilich überhaupt nicht schmeckt. Zwar kommt sie zwischen Main und
Donau noch etwas nach Süden voran, doch wird das Umfeld immer frontolytischer,
was schlussendlich die Existenzfrage aufwirft. Es wäre also kein Wunder, wenn
die Nachtdienste die Front in ihren Analysen von Westen her immer weiter abbauen
respektive sich auflösen lassen, auch wenn es hie und da anfangs noch für ein
paar Tropfen Regen reicht. Richtung Alpen klart es wahrscheinlich auf, was die
Temperatur zumindest örtlich in den leichten Frostbereich sinken lässt.

Ansonsten ist leichter Luft- und auch Bodenfrost bei längerem postfrontalen
Aufklaren am ehesten im gesamten zentralen Mittelgebirgsraum möglich, wobei sich
dort gebietsweise auch Nebel bilden kann. Weiter im Norden ist Frost eher
unwahrscheinlich, weil sich entweder Nebel bildet (südlicher Norden) oder mit
Rückdrehen des Windes auf westliche Richtungen von der Nordsee her tiefe, teils
hochnebelartige Bewölkung landeinwärts gesteuert wird, die ausreichend
Gegenstrahlung und lokal sogar ein paar Tropfen garantiert. Apropos Wind, mit
zunehmender Entfernung zum Tief fächert der Gradient weiter auf, so dass die
Luftbewegung weiter auf dem Rückmarsch ist. Am längsten treten einzelne 7er-Böen
noch an der vorpommerschen Küste auf.

Samstag... stellt sich landesweit Hochdruckeinfluss ein, was aber nicht überall
als Garant für einen goldenen Herbsttag taugt. Fakt ist, dass das Hoch PHILINE
eine eigenständige Parzelle von etwas über 1020 hPa mittemang über den
Vorhersageraum platziert und vorderseitig eines flachen Potenzialrückens über
Westeuropa das Absinken weitere Fortschritte macht. Am deutlichsten wird das
beim Blick auf die Prognosesoundings, die zwischen Küste und Alpen eine
ausgeprägte Inversion um 800 hPa herum zeigen. Darüber ist die Troposphäre stark
abgetrocknet, darunter (Grenzschicht) allerdings mal mehr, mal weniger feucht
und häufig auch labil geschichtet. Insbesondere in Norddeutschland, wo das
gesamte Strömungssetup noch leicht zyklonal angehaucht ist (Übergangsbereich vom
mitteleuropäischen Hoch zum nordeuropäischen Tief) tummeln sich vermehrt dichte
tiefe Wolken, aus denen insbesondere in Küstennähe auch mal ein paar Tropfen
Regen oder Nieselregen fallen können. Auf der anderen Seite soll aber nicht
verschwiegen werden, dass es durchaus auch berechtigte Chancen auf einige Lücken
oder Aufhellungen gibt, also nicht nur Tristesse pur. Der westliche Wind gibt
sich ´ne Stufe zahmer als heute, was einzelne Böen 7 Bft vornehmlich an der
(vorpommerschen) Ostseeküste sowie den vorgelagerten Inseln nicht ausschließt.

Im Süden und in der Mitte gilt es zunächst mal die zähen Nebel- und
Hochnebelfelder der Nacht zu tilgen, was angesichts fehlender Dynamik (die
Höhenströmung ist nicht nur luschig, sondern auch noch von der Grenzschicht
entkoppelt) sowie des windschwachen Umfelds (=> kaum Unterstützung durch
Überströmungseffekte) kein leichtes Unterfangen ist. Von daher verwundert es
nicht, dass die MOS-Statistik nicht gerade mit überbordenden Sonnenscheindauern
aufwartet, was sicherlich aber auch an der zu erwartenden CU-/SC-Bildung
unterhalb der Inversion liegt. Auf der anderen Seite liegt es dem Verfasser
fern, zu sehr auf die Negativtube zu drücken, es wird am morgigen Samstag auch
genug zufriedene Kunden im Sinne der Sonnenerwartung geben. Temperaturmäßig
liegen wir weiterhin im Bereich zwischen 12 und 16°C abzüglich der Gebiete, wo
es mit der Auflösung von Nebel und Hochnebel nicht so gut bzw. erst relativ spät
klappt.

In der Nacht zum Sonntag tut sich wenig bis nichts an der synoptischen
Ausgangslage. Bestimmender Faktor ist der Untergang der Sonne. Im äußersten
Norden flattern ein paar kurzwellige Troganteile von West nach Ost, die in
Gemeinschaft mit etwas WLA dichte Wolken und etwas Regen, auf der anderen Seite
aber auch relativ hohe Nachtemperaturen garantieren. Ansonsten dominiert im
Vorhersageraum Grenzschichtmeteorologie (die Inversion sinkt tendenziell noch
etwas ab) mit den üblichen herbstlichen Schikanen wie Nebel/Hochnebel, aber auch
Luft-/Bodenfrost. Eine Regionalisierung fällt aus heutiger Sicht schwer, aber es
ist sicherlich kein Geheimnis, dass lokaler Luftfrost insbesondere in
ungünstigen Tallagen sowie in Mulden und Senken auftritt, sofern nicht vorher
schon Nebel am Start ist. Der dürfte übrigens in Gewässernähe am dichtesten
werden, was jetzt aber auch keine wirklich neue meteorologische Erkenntnis
darstellt.

Sonntag... weitet sich der flache Höhenrücken etwas weiter nach Osten aus,
wodurch sich der Schwerpunkt der Bodenhochs ebenfalls etwas ostwärts verlagert.
Gleichwohl umschließt die 1020-hPa-Isobare auch am Sonntagmittag noch weite
Teile des Vorhersageraums. Im Süden wird die Inversion z.T. bis auf rund 900 hPa
runtergedrückt, während sie sonst zwischen 850 und 800 hPa verortet ist. Den
meisten Sonnenschein dürfte es im Süden und Südwesten geben, insbesondere vom
Schwarzwald bis hinüber zu den Alpen und dort garantiert natürlich in den
höheren Lagen. Ansonsten wird es in weiten Landesteilen eine Mischung aus Nebel
und Hochnebel mit unterschiedlicher Auflösungsdauer sowie sonnigen Abschnitten
und Wolken geben. An der Temperatur ändert sich wenig, heißt Maxima meist
zwischen 12 und 16°C, vielleicht lokal mal 17°C, bei zähem Nebel/Hochnebel
jeweils darunter.

Der Norden und dort vor allem vom nördlichen Niedersachsen bis nach hinüber nach
Vorpommern muss sich weiterhin mit zklonalen Attacken herumschlagen, was der
Randlage zum weiter südlich positionierten Hoch bzw. Rücken geschuldet ist.
Konkret meldet ein kleines Randtief, das am Mittag unweit der Hebriden zu finden
ist, Ansprüche auf norddeutsche Wetterbeeinflussung an, was wohl auch gelingen
wird. Darüber hinaus pflegt es auch noch Freundschaft zum bereits bekannten Tief
GERALD, das mittlerweile über dem Weißen Meer angekommen ist. Beide sind durch
eine Warm-/Kaltfront verbunden, was zuerst der Deutschen Bucht und dem
angrenzenden Küstenstreifen Regen bringt. Im weiteren Tagesverlauf soll sich
dieser dann weiter nach Osten, aber auch noch etwas nach Süden ausbreiten, wobei
hinsichtlich der genauen räumlichen Ausdehnung noch Diskrepanzen gegeben sind
(ICONs mit Höhe Hannover am progressivsten mit der Südausdehnung). Akkumuliert
über 12 h dürften 5 l/m² oder etwas mehr am ehesten im Nordseeumfeld fallen. Der
Südwestwind weht an der See zwar etwas flotter als im Landesinnern, was bei
diesen Verhältnissen kein Kunststück ist. Böen 7 Bft bilden aber die absolute
Ausnahme und sind wenn, dann überhaupt nur über und an der Nordsee anzutreffen.


Die Nacht zum Sonntag bringt wenig Änderung: im Norden meist bedeckt und
gebietsweise Regen, sonst "teils/teils" mit Nebel/Hochnebel oder klar. Die
Gefahr von Luftfrost nimmt etwas ab, Bodenfrost ist bei längerem Aufklaren
möglich.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die geschilderte synoptische Entwicklung ist unstrittig, sie steht auf einem
breiten Modellsockel. Allerdings beantwortet das nicht oder sagen wir nur
unzureichend die üblichen und meist unangenehmen Fragen zur
Grenzschichtproblematik (wo bildet sich Nebel/Hochnebel, wann löst dieser sich
auf usw.). Hier gilt es, sich erst mal wieder an den Herbst zu gewöhnen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann