DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

02-10-2021 07:30
SXEU31 DWAV 020800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 02.10.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SWz
Am Wochenende windig, im Nordseeumfeld sowie auf den Bergen stürmisch, auf
exponierten Gipfeln vorübergehend auch schwere Sturmböen (Brocken: Orkanartige
Böen), an den Alpen ab der kommenden Nacht Föhn. Dazu vor allem im Westen und
Norden unbeständig, im Süden am Sonntag sommerlich warm.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... steht einem breit angelegten Höhenrücken, der über Osteuropa
nordwestwärts bis nach Nordskandinavien reicht, ein umfangreicher Langwellentrog
über dem Ostatlantik und den Britischen Inseln gegenüber. Dieser wird aktuell
durch einen markanten Kaltluftvorstoß an dessen Westflanke regeneriert, somit
formiert sich westlich der Britischen Inseln die neue Hauptachse des Troges und
kommt rasch nach Südosten voran. Auf deren Vorderseite setzt markante WLA
zunächst über den Britischen Inseln und Frankreich, später auch über der Nordsee
und dem Vorhersagegebiet ein. Dazu kann unmittelbar trogvorderseitig aufgrund
von PVA kräftige dynamische Hebung generiert werden. Mit dieser interagiert
zunehmend eine Frontalwelle, die sich aktuell noch südwestlich von Island
befindet, allerdings rasch nach Osten vorankommt und sich vertieft, am späteren
Abend erreicht sie bereits die Straße von Dover.
Aktuell wird das Vorhersagegebiet allerdings noch von der Kaltfront des
zentralsteuernden Tiefs im Seegebiet zwischen Island und Schottland überquert.
Diese ist an einen nur noch flachen und kurzwelligen Höhentrog gekoppelt, der
die Front rasch überläuft, zudem macht sich von Westen her zunehmend WLA
bemerkbar. Somit löst sich die Front über der Osthälfte des Landes mehr oder
weniger auf und bringt lediglich am Vormittag noch leichte Niederschläge, vor
allem im Nordosten. Nachmittags bleibt es dann vorübergehend fast überall
trocken, ehe zum späteren Abend hin im Vorfeld der Warmfront der Frontalwelle im
äußersten Westen erneut etwas Regen fallen kann.
Auch niedertroposphärisch setzt nach Abzug der Kaltfront sehr rasch von Süden
her wieder WLA ein, bis zum Abend steigt die Temperatur in 850 hPa bereits auf
Werte zwischen 6 Grad hinter der abziehenden Kaltfront im Nordosten und 14 Grad
im Alpenvorland, wo dann bereits leichter Föhn einsetzt. Vor allem im Süden und
Südosten kann sich dabei zunehmend die Sonne durchsetzen, während sich im Westen
und Norden bereits dichteres WLA-Gewölk bemerkbar macht und sich die Sonne nur
selten zeigt.
Zunehmend in den Fokus der Warntätigkeit rückt der Wind. Mit Annäherung und
Vertiefung der Frontalwelle beginnt sich der Gradient bereits mittags und
nachmittags deutlich zu verschärfen. Angesichts der zunehmend stabilen
Schichtung macht sich das aber zunächst nur in höheren Lagen, im Lee einiger
Mittelgebirge und abends dann im Nordseeumfeld bemerkbar. Der Wind dreht rasch
zurück auf Süd bis Südost und neben dem Brocken kann es ab dem späten Nachmittag
oder Abend auch auf exponierten Mittelgebirgsgipfeln erste stürmische Böen (Bft
8) geben, eventuell auch schon auf Helgoland. In einigen Lee-Lagen, vor allem
der westlichen Mittelgebirge, vielleicht aber auch in Südost-Nordwest
ausgerichteten Erzgebirgstälern sowie im Nordseeumfeld gibt es erste steife
Böen, auf exponierten Alpengipfeln eventuell schon Sturmböen.
Mild bis warm wird es überall. Die Höchstwerte liegen zwischen 16/17 Grad im
Nordwesten und 24 Grad stellenweise im südlichen Oberrheingraben bzw. im
Alpenvorland.

In der Nacht zum Sonntag kommt der Langwellentrog bei weiterer Amplifizierung
nur wenig weiter nach Osten voran, Sonntagfrüh erreicht dessen Hauptachseden
Westausgang des Ärmelkanals und die westliche Biskaya. Die südwestliche
Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet steilt dadurch etwas auf und verschärft
sich, nach wie vor bleibt WLA aktiv, die sich allerdings etwas abschwächt.
Aufgrund markanter dynamischer, PVA-induzierter trogvorderseitiger Hebung kann
sich das aus der Frontalwelle resultierende Sturmtief weiter vertiefen (auf etwa
970 hPa) und zieht bis Sonntagfrüh rasch über die westliche Nordsee nordwärts zu
den Shetlands. Die Warmfront überquert mit Regenfällen meist leichter,
gebietsweise und vorübergehend auch mäßiger Intensität den Westen und Norden
Deutschlands. Vor allem am Niederrhein und im Stau des Bergischen Landesfallen
recht verbreitet 10 bis 15 l/qm, stellenweise auch mehr (ICON-D2 auch um 20
l/qm, I-D2-EPS zeigt im Bergischen Land sogar Wahrscheinlichkeiten von punktuell
um 20% für über 25 l/qm), sonst sind es meistens nur wenige mm, etwa südöstlich
einer Linie Eifel-Westmecklenburg bleibt es trocken.
Die Kaltfront ist zunehmend parallel zur Höhenströmung positioniert und gerät
über der Nordsee und dem Ärmelkanal ins Schleifen, wobei sich in etwa über der
Normandie ein flaches Wellentief entwickelt. Im Warmsektor verschärft sich der
Gradient deutlich und der Wind legt noch um einiges zu, die stabile Schichtung
verhindert im Westen und Nordwesten auch im Binnenland eine ausgewachsene
Sturmlage (in 850 hPa teilweise Windgeschwindigkeiten um 60 kn!). Dennoch reicht
es dort vielerorts für steife Böen aus Süd bis Südost, ebenso an der Ostsee. Im
Nordseeumfeld gibt es stürmische Böen, über der offenen Nordsee und auf den
nordfriesischen Inseln Sturmböen, auf Helgoland eventuell vorübergehend auch
schwere Sturmböen. Auch im Lee einiger Mittelgebirge sowie in Südost-Nordwest
ausgerichteten Tälern kann es steife bis stürmische Böen geben, in den Kamm- und
Gipfellagen Sturmböen, auf dem Brocken zunehmend schwere Sturmböen, morgens
eventuell auch orkanartige Böen. An den Alpen verstärkt sich der Föhn mit Sturm-
bis schweren Sturmböen auf den Gipfeln und steifen bis stürmischen Böen in
entsprechend anfälligen Tälern.
Aufgrund des Windes fällt die Nacht im Westen und Süden gebietsweise sehr mild
aus und die Werte sinken in einigen Lee-Lagen kaum unter 20 Grad. Auch sonst
bleibt es in weiten Teilen des Landes mit Minima zwischen 16 und 11 Grad sehr
mild, lediglich im Südosten kühlt es auf unter 10 Grad, in einigen Tälern der
ostbayerischen Mittelgebirge auch auf nahe 5 Grad ab. Stellenweise kann sich im
Südosten Bayerns auch Nebel bilden.

Sonntag... gewinnt der Höhentrog etwas schneller nach Osten an Raum, abends
reicht dessen Achse über die Britischen Inseln und die Biskaya hinweg südwärts
bis nach Andalusien. Trogvorderseitig steilt die Höhenströmung noch etwas auf
und verschärft sich weiter, wobei zunehmende KLA den dynamischen Hebungsantrieb
dämpft. Diese "Dämpfung macht sich insbesondere im Bereich der sich entlang der
Kaltfront entwickelten Frontalwelle bemerkbar, der somit kein großartiges
Entwicklungspotenzial mehr beschert ist, rasch über die Deutsche Bucht nordwärts
zieht und sich abends über Südwestnorwegen mehr oder weniger auflöst. Nach
Passage der Welle kommt die Kaltfront nun etwas rascher nach Osten voran und
überquert bis zum Abend bereits den Westen bzw. Nordwesten Deutschlands. Ohne
nennenswerten dynamischen Hebungsantrieb und mit bodennah etwas vorauseilender
kühleren Luft verliert sie deutlich an Wetterwirksamkeit. Somit fallen meist nur
noch 1 bis 5 l/qm Regen bis zum Abend, lediglich in den Südweststaulagen einiger
Mittelgebirge können es auch über 10 l/qm sein, teilweise in Schauerform, für
Gewitter fehlt es aber wohl an Labilität.
Präfrontal kann der Wind vor allem im Westen bzw. Nordwesten, in den Lee-Lagen
der Mittelgebirge sowie auf einigen Berggipfeln (Sturmböen, Brocken
vorübergehend vielleicht sogar Orkanböen) noch etwas zulegen, auch in den
Niederungen treten dann einzelne stürmische Böen aus Süd bis Südost auf. An den
Alpen erreicht der Föhn im Tagesverlauf seinen Höhepunkt mit teils schweren
Sturmböen auf exponierten Gipfeln und stürmischen Böen in föhnanfälligen Tälern.
Postfrontal beginnt der Gradient vor allem spätnachmittags/abends von Südwesten
her aufzufächern und der auf West bis Südwest drehende Wind flaut allmählich ab.

Präfrontal scheint vor allem von Südbaden bis zur Lausitz und südöstlich davon
nochmals häufig die Sonne. Mit Föhnunterstützung werden dort 850
hPa-Temperaturen zwischen 14 und 17 Grad erreicht, während es bis zum Abend im
Nordwesten und Westen innerhalb der einströmenden Meeresluft auf 4 bis 7 Grad
abkühlt. Entsprechend wird es im Süden und Osten mit 23 bis 27 Grad (mit Föhn
sind eventuell auch Höchstwerte bis 29 Grad nicht ausgeschlossen) spätsommerlich
warm, aber auch im Norden und Westen bleibt es mit 17 bis 22 Grad sehr mild.

In der Nacht zum Montag greift die Achse des Langwellentroges auf den Westen
Frankreichs und auf Katalonien über, dabei deutet sich im westlichen
Mittelmeerraum ein Abtropfprozess an. Die Höhenströmung steilt über dem
Vorhersagegebiet noch etwas auf, fächert aber mit beginnendem Cut Off auch
gleichzeitig ein wenig auf. Die Kaltfront wird durch die beginnende Zyklogenese
bei den Balearen in ihrem Südteil zurückgehalten und erreicht bis Montagfrüh in
etwa eine Linie Westmecklenburg-Südbaden. Sie verliert weiter an
Wetterwirksamkeit, lediglich vom zentralen Mittelgebirgsraum bis zum Schwarzwald
fällt mit 1 bis 10 l/qm noch nennenswerter Regen, im Schwarzwald gebietsweise
auch bis an die 15 l/qm.
Das föhninduzierte Lee-Tief im Alpenvorland verlagert sich im Laufe der Nacht
zögernd nach Osten, so dass sich der Föhn abschwächt.
Der Kaltfront folgt ein flacher Bodenhochkeil und der Gradient fächert im Laufe
der Nacht deutlich auf, so dass sich der Wind allgemein rasch abschwächt.
Morgens gibt es lediglich über der Nordsee noch einzelne steife Böen aus
Südwest, sonst dürfte er nicht mehr warnrelevant sein.
Präfrontal bleibt es in Südostbayern und in der Lausitz noch aufgelockert
bewölkt, auch postfrontal können sich Wolkenlücken zeigen, sonst bleibt es meist
stark bewölkt. Die Tiefstwerte liegen meist zwischen 13 und 8 Grad, in den
westlichen Mittelgebirgen auch darunter.

Montag... will sich der Cut-Off-Prozess nicht so wirklich vollziehen, dennoch
reicht es für einen kleinräumigen Randtrog über dem Löwengolf. Das nördliche
Trogresiduum verliert zunehmend an Kontur, kommt lediglich als kurzwelliger
Troganteil nur noch langsam nach Nordosten voran und erreicht abends die Nordsee
und Nordwestdeutschland. Derweil wird der Langwellentrog westnordwestlich der
Britischen Inseln durch einen Kaltluftvorstoß samt korrespondierendem markanten
Randtrog wieder regeneriert.
Die Kaltfront kommt über dem Vorhersagegebiet mangels Schubkomponente weiterhin
kaum nach Osten voran, zumal sie durch das von den Balearen nur zögernd nach
Osten ziehende Bodentief nach wie vor nach Südwesten zurückhängt. Während sie
über Südwestdeutschland mit abziehendem Trog und sich deutlich abschwächenden
Temperaturgradienten (die Föhnluft wurde inzwischen weit nach Osten verdrängt)
an Wetterwirksamkeit verliert und lediglich im Schwarzwald sowie in der Südpfalz
bis zum Abend nochmals mehr als 5 l/qm simuliert werden (nach GFS eher
weniger)), kann sie zumindest nach Lesart des ICON-EU nach Nordosten zu mit dem
sich Nordwestdeutschland annähernden kurzwelligen Troganteil interagieren und
wird etwas aktiviert. Allerdings werden auch vom zentralen Mittelgebirgsraum bis
nach Vorpommern lediglich 1 bis 6 l/qm in 12 Stunden simuliert. GFS und IFS
lassen die Kaltfront sogar ein wenig weiter nach Osten vorankommen, so dass sie
nicht mehr vom trogvorderseitigen Hebungsantrieb profitieren kann und simulieren
kaum mehr nennenswerten Niederschlag.
Mit dem Trog gelangt zum Abend hin eine etwas labilere Luftmasse in den Bereich
der Deutschen Bucht, eventuell reicht es für einzelne Schauer, vielleicht sogar
(aus aktueller Modellsicht aber eher unwahrscheinlich) für ein kurzes Gewitter.
Im übrigen Land bleibt es weitestgehend trocken, wobei noch unklar ist, die weit
der (eh kaum nennenswerte) frontale Niederschlag nach Osten ausgreift.
Voraussichtlich bleibt es in Südostbayern und in Teilen der Lausitz bis zum
Abend generell noch trocken.
Der Wind spielt warntechnisch kaum mehr eine Rolle, eventuell reicht es für
einzelne steife Böen aus Südwest über der Nordsee, der zusammenrechende Föhn
kann exponierten Alpengipfeln bis in den Vormittag hinein vielleicht noch
einzelne stürmische Böen bescheren.
Während es im Bereich der Front meist stark bewölkt bleibt, können die Wolken im
Südosten sowie postfrontal im Westen und Nordwesten auch mal auflockern. Die
Temperatur in 850 hPa geht nun auch im Südosten zurück und liegt abends zwischen
4 Grad im Nordwesten und 8 Grad im Südosten. Entsprechend erreichen die
Höchsttemperaturen Werte zwischen 14 und 18 Grad, mit Sonne im Südosten
vielleicht bis nahe 20 Grad, im Regen im Südwesten dagegen kaum 13 Grad.

In der Nacht zum Dienstag greift der neue Randtrog auf die Britischen Inseln
über und amplifiziert erneut, wodurch die Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet einmal mehr beginnt aufzusteilen. Der Randtrog über dem
westlichen Mittelmeerraum verliert etwas an Kontur, splittet sich in mehrere
kurzwellige Anteile auf und kommt kaum mehr nach Osten voran, das
korrespondierende Bodentief zieht allmählich in den Golf von Genua. Auf dessen
Vorderseite überlappen vorübergehend zunehmende WLA und PVA (aufgrund einer der
kurzwelligen Troganteile), so dass der nach wie vor quer über Deutschland
verlaufende quasistationäre Frontenzug vor allem ins einem Südteil erneut
aktiviert wird und sich Regenfälle leichter, im Südwesten auch mäßiger
Intensität bis nach Franken und in den zentralen Mittelgebirgsraum ausweiten.
ICON-EU sowie der IFS-Lauf von gestern, 12 UTC simulieren im Südschwarzwald und
in Südbaden erneut 10 bis nahe 20 l/qm in 12 Stunden, GFS hat die Front aber
weiter westlich auf der Agenda und lässt es im Schwarzwald sogar trocken, lässt
die Regenfälle über die Pfalz, Westerwald und Südwestfalen nordostwärts
ausbreiten, aber nur mit Mengen zwischen 1 und 7 l/qm in 12 Stunden.
Ganz im Südosten sowie im Nordwesten bleibt es meist trocken, lediglich im
Nordseeumfeld kann es anfangs noch einzelne Schauer geben.
Vorderseitig des auf GB übergreifenden Troges verstärkt sich ein Bodentief und
zieht bis Dienstagfrüh zur westlichen Nordsee. Auf dessen Vorderseite verschärft
sich der Gradient ausgangs der Nacht erneut, allerdings reicht es nach wie vor
wohl nur über der Nordsee für einzelne steife Böen.



Modellvergleich und -einschätzung
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Alle vorliegenden Modelle zeigen für den Kurzfristzeitraum eine sehr ähnliche
Wetterentwicklung. Bzgl. der genauen Lage der schleifenden Kaltfront gibt es ab
Montag kleinere Differenzen, GFS lässt die Kaltfront in ihrem Südwestteil dann
etwas zurückhängen. Während sie über Norddeutschland ein wenig schneller
vorankommt als nach Lesart des ICON-EU. Das hat Auswirkungen auf die
Niederschlagssimulationen, vor allem im Südwesten, wo nach GFS bis Dienstagfrüh
nur wenig fällt, im ICON-EU dagegen Mengen bis nahe der Warnschwellen für
Dauerregen zusammenkommen können.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff