DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-10-2021 08:01
SXEU31 DWAV 010800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 01.10.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: zunehmend SWz

Deutsche Bucht und Bergland wiederholt Sturmböen, exponiert (z.B. Brocken) teils
schwere Sturmböen. Auch auf Alpengipfeln durch Föhn Sturmböen, exponiert schwere
Sturmböen. Ansonsten im Westen leicht wechselhaft, im Süden und Osten meist
freundlich und mild.



Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... und somit der Oktober, begannen beide deutschlandweit sehr ruhig.
Abgesehen von einzelnen lokalen Nebelfeldern im Süden zogen nur ausgedehnte
Cirren vorüber, im Nordwesten und Norden begrüßte der Tag die Einwohner meist
mit starker Bewölkung sowie mit einzelnen schwachen Schauern im Norden von
Niedersachsen und in Richtung Schleswig-Holstein. Dabei starteten wir in den Tag
mit Frühwerten von 3 bis 8 Grad, besonders in Oberschwaben und entlang des
Bayerischen Waldes mit lokal 0 bis 4 Grad, während die Wolkendecke im Nordwesten
die Frühaufsteher mit 10 bis 13 Grad begrüßte (auf Helgoland rund 14 Grad).

Synoptisch gesehen liegt über dem kanadisch-eurasischen Bereich weiterhin ein
stationärer Wellenzug, wobei ein Keil zwischen einer positiven
Geopotenzialanomalie über Ostkanada und dem westlichen Ural aufgespannt wird. An
dessen Südflanke liegen zwei quasi-stationäre Tröge - einer vor der Nordostküste
der USA und ein weiterer zwischen Island und England. An deren Lage ändert sich
die Kurzfrist über wenig, es kommt jedoch zu einem Energietransfer von West nach
Ost, sodass sich die Amplitude des Troges über Nordwesteuropa zum Ende der
Kurzfrist deutlich vergrößert. Für Deutschland bedeutet das eine durchgehende
Trogvorderseite, die immer weiter "aufsteilt", wobei der Geopotenzialgradient
mit zögernder Annäherung des Troges immer weiter zunimmt. Der Süden und Osten
Deutschlands wirken dabei als Art Bollwerk für die von West nach Deutschland
geführten atlantischen Fronten, da diese Regionen peripher eines Keils liegen,
der über Osteuropa aufgespannt wird. Etwas Schwung in das Wettergeschehen bringt
eine Randtiefpassage, die am Samstag von der nördlichen Biskaya nach England und
in der Nacht zum Sonntag weiter in Richtung Nordsee zieht.

Die Folge dieser Konstellation ist zunächst einmal ein zumeist freundlicher
Freitag. Besonders im Südosten und Osten scheint häufig die Sonne, während vom
Südwesten über die Mitte zeitweise ausgedehnte hohe Wolkenfelder ziehen.
Vergleicht man Numerik mit der Realität bezüglich der Verteilung der Cirren, so
überschätzt ein Großteil der Modelle die hohe Bewölkung und mich würde es nicht
wundern, wenn auch im Südwesten und über der Mitte ein zunächst sonniger, später
nur leicht bewölkter Tag erwartet werden kann.
Etwas trister sieht es im Westen und Nordwesten aus. Ein Randtrog wird heute
tagsüber über Großbritannien ostwärts gegen den Keil geführt, erreicht zum Abend
auch den Westen/die Mitte Frankreichs und wird zunehmend zusammengedrückt. Zudem
spaltet sich an seiner Südspitze ein kleinräumiges IPV Maximum ab, das in der
Nacht zum Samstag südostwärts in Richtung Sardinien geführt wird, während der
nördliche Rest vom Trog unter Konturverlust in die Mitte Deutschlands zieht.
Daran ist eine Kaltfront gekoppelt, die tagsüber dem Westen/Nordwesten
ausgedehnte Wolkenfelder beschert, aus denen zum Abend die ersten Tropfen fallen
können. Die Front zieht in der Nacht unter stetiger Abschwächung weiter nach
Osten und bringt abgesehen vom Osten Deutschlands hier und da etwas Regen. Die
12-std. Mengen fallen dabei nachts mit 1 bis 5 l/m², in Staulagen der westlichen
Mittelgebirge lokal etwas mehr, überschaubar aus. Höhere Mengen (5 bis 10 l/m²)
sind dank diabatischem Input von der Nordsee auf den Nordfriesen möglich.

Der Wind in 850 hPa liegt im gesamten Westen und Norden zur Mittagszeit bei rund
25 bis 35 kn und schwächt sich in der Folge mit Abschwächung des Troges
sukzessive ab. Das sollte im Bergland der westlichen zentralen Mittelgebirge für
Windböen Bft 7 aus Südwest, exponiert vereinzelt für eine Bft 8 gut sein. Hier
und da kann mit Unterstützung der Orografie sicherlich auch die eine oder andere
Windbö bis in tiefere Lagen "durchbrechen". Auf dem Brocken treten Sturmböen Bft
9 auf, die zum Nachmittag schwächer werden. Durch die zunehmende Ostverlagerung
des Troges/Windfeldes nimmt abends der Wind im Erzgebirge auf die eben genannte
Bft 7 bis 8 zu, während sich nachts der Wind von Westen abschwächt. Etwas
strammer geht es über der Deutschen Bucht zu, wo ganztags Bft 8, exponiert auf
Helgoland vielleicht auch Bft 9 aus Süd bis Südwest erwartet werden, bevor der
Wind im Verlauf der Nacht unter Abschwächung (Bft 6 bis 7) von West nach Ost mit
Kaltfrontpassage auf West dreht. Über der Ostsee weht ganztags ein ablandiger
Südwind mit Bft 6 bis 7.

Nach Höchstwerten von 16 bis 19 Grad, im äußersten Südwesten von 19 bis 23 Grad,
kühlt es in der Nacht zum Samstag unter den Wolken erneut nur auf zweistellige
15 Grad (Inseln) bis 10 Grad und sonst bei klaren Verhältnissen auf bis zu 6
Grad (Bayern) ab. Lokal bilden sich im Südosten Nebelfelder.



Samstag... steht ganz im Zeichen einer Wiederholung des Wetters im Vergleich zum
Vortag. Die Kaltfront vom Vortag löst sich sang- und klanglos über der Mitte
(IFS) bzw. dem Osten (GFS/ICON) auf, bevor die südwestliche Strömung tagsüber
und die Nacht über immer weiter aufsteilt. Die Ausnahme bildet momentan die
deutsche Modellkette, die ausgangs der Nacht vom Allgäu in Alpenvorland
ausgehend noch Schauer und gar einzelne Gewitter zeigt, die unter Abschwächung
nordostwärts ziehen (Mischung einer alpinen Mischungsschicht mit der Feuchte der
Kaltfrontreste, die etwas MUCAPE generieren). Da besonders ICON D2 noch recht
alleine mit dieser aggressiven Lösung agiert wird diese vorerst zwar erwähnt,
als jedoch eher unwahrscheinlich angesehen (zumal die frontale Hebung rasch
schwächer wird). Ein Fall für den Nowcast.

Somit beginnt der Tags insgesamt auch im Süden und Osten zunächst mit etwas
dichteren Wolkenfeldern, die jedoch rasch nach Nordosten abgedrängt oder durch
Überströmen der Alpen "abgetrocknet" werden, sodass von Oberschwaben über Bayern
bis ins Vogtland mit einem recht sonnigen Nachmittag gerechnet werden kann.
Ansonsten nehmen die Wolkenanteile nach Nordwesten zu, besonders zwischen Eifel
und Schleswig-Holstein bleibt es meist stark bewölkt oder bedeckt und in den
zuletzt genannten Gebieten können abends wieder die ersten Regentropfen fallen.
Da die Front auch in der Nacht zum Sonntag kaum Boden nach Osten gut macht,
greift der skalige Niederschlag wohl nur bis auf eine Linie Saarland - Hamburg
aus. Östlich davon verläuft die Nacht teils bewölkt, teils klar und trocken mit
örtlichem Nebel im Süden.

Das Hauptthema an diesem Tag ist aber der WIND:

Gradientwind: Der von Südwest zunehmend auf Süd bis Südost drehende Wind weht
tagsüber im oberen Bergland böig mit Bft 7, exponiert mit stürmischen Böen Bft 8
mit ebenfalls ablandigen Bft 6 bis 7 Böen aus Süd über der Deutschen Bucht.
In der Nacht zum Sonntag erfolgt die anfangs erwähnte (und im Detail im
Modellvergleich beschriebene) Randtiefpassage, deren Sturmfeld im Verlauf der
Nacht zum Sonntag die Nordsee inklusive Deutscher Bucht von Südwesten her
erfasst. Bei ablandigem Wind sind dann ausgangs der Nacht küstennah stürmische
Böen Bft 8, vielleicht auch einzelne Sturmböen Bft 9 zu erwarten. Über der See
nimmt der Wind dann rasch auf Bft 9 bis Bft 11 zu.
Ähnliches passiert dank des präfrontalen warmen Jets im (durch die Tageszeit
noch zusätzlich stabilisierten) Warmsektor, sodass sich die Windzunahme nachts
besonders auf die Berglagen beschränkt, wo je nach Exposition Böen Bft 7 bis 9,
auf dem Brocken auch Bft 10 aus Süd bis Südost auftreten. Besonders in NRW, dem
westlichen Niedersachsen und Schleswig-Holstein können auch im Tiefland trotz
der Tageszeit vermehrt Böen Bft 6 bis 7 auftreten. Diese Intensitäten spiegeln
sich auch in den EPS-Verfahren so wider.

Föhn:
Der alpine Föhn gewinnt im Verlauf der Nacht zum Sonntag an Fahrt, allerdings
mehr durch den cross-alpinen Druckgradienten heraus, der allmählich auf 5 hPa
ansteigt. Auf exponierten Alpengipfeln sind dann die ersten Sturmböen nicht
ausgeschlossen.
Ebenfalls interessant könnte das Erzgebirge werden, wo sich auf Kammniveau in
der Nacht zum Sonntag eine 6 bis 8 Kelvin kräftige Inversion auf rund 200 bis
300 m in der Vertikalen aufbaut. Schaut man sich die Verteilung der potenziellen
Temperatur ausgangs der Nacht an, so sind auch im Erzgebirgsvorland Böen Bft 7
bis 8 nicht unrealistisch, auch wenn der Föhn wohl größtenteils abgehoben wehen
sollte. Aber auch hier erfolgt kaum eine dynamische Unterstützung dank schwacher
Höhenwinde.

Nach Höchstwerten von 16 bis 19 Grad im Norden und Westen sowie 19 bis 23 Grad
im Süden und Osten (Sachsen, Südbrandenburg) gehen die Werte nachts auf 16 Grad
im Westen und 6 oder 5 Grad in Niederbayern zurück.



Sonntag... kann dank der stagnierenden Wellenkonfiguration nicht viel Neues
erzählt werden, allerdings verschärft sich das West-Ostgefälle bei Temperatur
und Wetterablauf.

Im Süden und Osten verläuft der Tag heiter oder sonnig und trocken und auch die
Nacht verläuft abgesehen von einer Verdichtung der Wolken überwiegend trocken
und warnfrei (abgesehen von lokalen Nebelfeldern).

Derweilen nähert sich über Nordwesteuropa der Langwellentrog unter massivem
Amplitudengewinn Mitteleuropa bis zum Abend von Westen an, verbleibt jedoch mit
seiner Achse noch über Westfrankreich und erreicht ausgangs der Nacht
voraussichtlich den Pariser Großraum. Vorderseitig wird die über Benelux und
Ostfrankreich liegende Kaltfront sukzessive nach Osten gedrückt, kämpft jedoch
tagsüber gegen den sich aufbäumenden alpinen Südföhn vergeblich an. Zudem sorgt
ein Abtropfprozess über Südfrankreich für eine Verwellung der Front. Daher
sollte der Niederschlag tagsüber nur bis in den Bereich Oberrhein - Hessen -
Mecklenburg vorankommen und sich in der Nacht zum Montag unter deutlicher
Abschwächung ostwärts voran arbeiten (besonders effektiv im Nordosten, besonders
zurückhaltend über Bayern). 24-std. Mengen liegen dabei bis Montagfrüh zwischen
Schwarzwald und Kölner Bucht zwischen 5 und 10 l/m² und sonst deutlich darunter.
Von Bayern bis zur Oder bleibt es trocken.

Tagsüber spielt der Wind weiterhin das Hauptthema, denn bis zum frühen
Nachmittag dominiert im Westen der präfrontale warme Jet mit 40 bis 60 kn in 850
hPa. Auch wenn die Schichtung überwiegend als stabil bezeichnet werden kann so
fällt auf, dass besonders der östliche Bereich des Jets mit recht trockener
niedertroposphärischer Luft überlagern, sodass im Tagesverlauf mit etwas
diabatischem Input recht verbreitet kräftigere Höhenwinde angezapft werden
dürften. Bedeutet ausgangs der Nacht bis in den Nachmittag im gesamten Westen
Böen Bft 7 bis 8 aus Süd bis Südwest, in exponierten Höhenlagen und über der
Deutschen Bucht Bft 9. Einerseits mit postfrontalem Rückdrehen auf West schwächt
sich der Wind von Westen her im Tagesverlauf ab, andererseits insgesamt durch
ein deutliches Auffächern des Gradienten und ein Halbieren der
Windgeschwindigkeit u.a. im 850 hPa Niveau. Ansonsten beschränken sich die Böen
im Bereich der östlichen zentralen Mittelgebirge aus dem Gradienten heraus auf
Bft 7 bis 8 und im Umfeld der Ostsee dank ablandiger Komponente auf Bft 6 bis 7.


Der alpine Föhn gewinnt weiter an Fahrt, wird allerdings hauptsächlich durch den
Druckgradienten angetrieben, der cross-alpin auf 6 bis 8 hPa ansteigt. Ansonsten
kommt mit Blick auf die Höhenwinde wenig Unterstützung. Daher dürfte es wohl aus
heutiger Sicht nur auf exponierten Alpengipfeln für Sturmböen oder schwere
Sturmböen reichen (Bft 9 bis 10) sowie in einigen Föhnschneisen für Bft 7 bis 8
aus Süd. Zum Abend schwächt sich der Föhn mit raschem Druckanstieg im
Alpenvorland wieder ab.

In der advehierten subtropischen Luftmasse erreichen die Höchstwerte meist 19
bis 24 Grad, örtlich auch die Sommermarke von 25 Grad. Inwieweit der Föhn noch
unterstützend wirkt muss abgewartet werden. Im Westen wird es mit 17 bis 20 Grad
etwas kühler. In der Nacht zum Montag ändert sich am Temperaturniveau zu den
Vornächten wenig: 14 bis 7 Grad (Überraschungen durch den Föhn werden aus
heutiger Sicht eher nicht erwartet).

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Entwicklung des 500 hPa Geopotenzials wird die Kurzfrist über sehr homogen
gezeigt, was für eine Blockierungslage dieser Art wenig überrascht. Zum Sonntag
nehmen die Unsicherheiten im Zuge eines Abtropfprozesses über Südfrankreich
etwas zu. Auswirkungen auf die Wetterentwicklung über Deutschland hat dies
jedoch kaum eine (etwas höhere Spread beim Niederschlag entlang des
Südschwarzwaldes).

Marginal größere, wenngleich absolut überschaubare, Diskrepanzen ergeben sich
bei der Randtiefpassage von Samstag auf Sonntag, das über England in Richtung
Nordsee zieht. Die zeitliche Verlagerung über England wird homogen gezeigt, GFS
weist jedoch weiterhin einen etwas tieferen Druck auf mit einer
Wahrscheinlichkeit von über 80% im GEFS für etwas unter 990 hPa. Im IFS-EPS sind
die Druckwerte recht eng zwischen 990 und 995 hPa geclustert, sodass also in
beiden Ensembles von einer konstanten (Intensitäts-)Rechnung ausgegangen werden
kann. Zwar durchquert das Randtief den Höhnjet von seiner antizyklonalen auf die
zyklonale Seite, was grundsätzlich für Intensivierung spricht, allerdings wirkt
die Passage über Land hemmend, sodass erst vor Schottland mit einer raschen
Intensivierung auf unter 980 hPa gerechnet werden kann (zahlreiche Member bei
IFS-EPS im Bereich 970-975 hPa vor der Ostküste Schottlands um 00Z am Sonntag).
Direkte Auswirkungen auf unsere Windvorhersage hat das Gott sei Dank nicht mehr.
Zudem lässt eine weitere Welle über der südlichen Biskaya den Druckgradienten
von Süden her auffächern. Zusammenfassend wird die Zugbahn dieses Randtiefs mit
robustem Fundament auf den meisten Membern von GEFS/IFS-EPS mit hoher
Warscheinlichkeit über England in Richtung Forties erwartet, wobei es vor
Schottland zu einer rasanten Intensivierungsphase kommen kann.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy