DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

30-09-2021 07:01
SXEU31 DWAV 300800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 30.09.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Übergang von Ww zu SWz
Im Norden und Nordwesten zeitweise unbeständig und windig, an den Küsten heute
und am Freitag Sturmböen, bis heute Mittag und Freitagfrüh vorübergehend auch
schwere Sturmböen. Am Samstag auch an den Küsten vorübergehend kein
warnrelevanter Wind mehr.


Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... hat sich vorübergehend eine klassische winkelförmige Westlage über
Mitteleuropa eingestellt. Einem umfangreichen Höhentrog über dem mittleren
Nordatlantik mit einem zentralsteuernden und hochreichenden Tiefdruckgebiet im
Seegebiet südlich von Island steht ein breiter Höhenrücken gegenüber, der sich
vom Balkan nordwärts über den Westen Russlands bis zur Kola-Halbinsel bzw. nach
Lappland erstreckt. Zwischen diese beiden Geopotenzialgebilde reicht ein mit
negativer Achsneigung ausgestatteter Randtrog über die Nordsee bis nach
Norddeutschland, verlagert sich allmählich nordwärts und tropft im Tagesverlauf
in etwa über dem Kattegat ab. Gekoppelt an diesen Randtrog ist auch ein
kleinräumiges Sturmtief im Bodenfeld über Dänemark, das aufgrund
achsensenkrechter Exposition zum Drehzentrum des Höhentiefs den Höhepunkt seiner
Entwicklung inzwischen überschritten hat, sich bis zur kommenden Nacht
allmählich Richtung Oslo-Fjord verlagert und sich langsam auffüllt.
An dessen Südflanke hat sich über Norddeutschland ein scharfer Gradient
eingestellt, zumal sich über die Südhälfte des Landes von Frankreich her eine
recht kräftige Hochdruckbrücke - aktuell noch mit abgeschlossener
Hochdruckparzelle über Südwestdeutschland - ostwärts erstreckt und in das
umfangreiche Bodenhoch über dem Westen Russlands mündet. Vor allem vormittags
und um die Mittagszeit gibt es somit an den Küsten noch verbreitet Sturmböen aus
West, exponiert auch schwere Sturmböen, wobei sich das Hauptsturmfeld allmählich
Richtung westliche Ostsee verlagert. Im küstennahen Binnenland reicht es noch
für stürmische Böen, im Norddeutschen Tiefland im Tagesverlauf dann
vorübergehend für steife Böen.
Mit Abzug des Tiefs flaut der Wind mittags zunächst im Nordseeumfeld,
nachmittags und abends dann auch an der Ostsee ab, zumal sich auch die
Hochdruckbrücke über Süddeutschland abschwächt und ihren Schwerpunkt rasch nach
Osten verlagert.
Mit dem Trog gelangte ein Schwall höhenkalter Luft in den Norden und Nordosten
des Landes (T500 hPa zwischen -24 und -29 Grad), allerdings reicht die Labilität
nicht zuletzt aufgrund der ungünstigen Tageszeit kaum und wenn, dann vor allem
im Nordseeumfeld für einzelne Schauer. Die Labilitätsfläche reicht dort
allerdings am Mittag/Nachmittag nur bis etwa 650 hPa, da von Westen her mit
Annäherung eines flachen und kurzwelligen Höhenkeils, der abends Westdeutschland
und die Nordsee erreicht, mitteltroposphärisch kräftige WLA einsetzt, die für
Stabilisierung sorgt. Kurze Gewitter sind somit vor allem am Vormittag und
mittags nicht ausgeschlossen, erscheinen aber doch eher unwahrscheinlich und
auch die Konvektion erlaubenden Modelle haben kaum Signale dafür auf der Agenda.
Somit fallen die kräftigsten Niederschläge noch aktuell bis in den Vormittag
hinein im Bereich der um den Tiefkern herumgeholten Okklusion im Norden von
Schleswig-Holstein, klingen aber bald ab und verlagern sich Richtung Ostsee.
Auch im Bereich der Trogachse über dem Nordosten des Landes regnet es derzeit
gebietsweise schauerartig. Für Starkregen reicht es - im Gegensatz zur
vergangenen Nacht - aber wohl nirgendwo mehr.
In der Mitte und im Süden bekommt man von dem zyklonalen Geschehen weiter
nördlich kaum etwas mit. Im Einflussbereich der Hochdruckbrücke scheint dort
nach teils zögernder Auflösung von Hochnebelfeldern vielerorts die Sonne oder es
ist locker bewölkt, lediglich an den Alpen und im angrenzenden Alpenvorland
halten sich anfangs noch teils dichtere Wolkenfelder, die noch der sich
auflösenden Kaltfront des oben genannten Tiefs geschuldet sind und sich an den
Bergen stauen. Mit beginnender WLA ziehen ím Tagesverlauf allerdings von Westen
her hohe und später vor allem im Westen auch dichtere mittelhohe Wolkenfelder
auf.
Mit der Kaltfront hat sich erwärmte maritime Polarluft in weiten Teilen des
Landes breit gemacht, die Temperatur in 850 hPa ist auf Werte zwischen 1 und 4
Grad gesunken und beginnt erst am Nachmittag/Abend im äußersten Süden wieder
allmählich zu steigen. Entsprechend liegen die Höchstwerte lediglich zwischen 14
Grad im Nordosten, wo sich wohl erst am Nachmittag die Sonne ab und zu zeigt,
und 19 Grad im südlichen Oberrheingraben.

In der Nacht zum Freitag schwenkt der flache Höhenrücken rasch über das
Vorhersagegebiet hinweg nordostwärts. Durch einen von Nordwesten her
einlaufenden markanten Randtrog weitet sich der Höhentrog über dem Nordatlantik
Richtung Irland und Biskaya aus, so dass sie Höhenströmung auf dessen
Vorderseite über Mitteleuropa auf Südwest dreht. Das zentralsteuernde Tief
südlich von Island bleibt fast quasistationär. Dessen Frontensystem greift unter
fortschreitendem Okklusionsprozess auf die Nordsee über, die Warmfront überquert
mit Regenfällen meist leichter, vorübergehend auch mäßiger Intensität (in
Nordfriesland lt. ICON-EU 10 bis 20 l/qm in 12 Stunden, sonst weniger, südlich
einer Linie mittleres Emsland-Ostholstein bleibt es trocken) den Nordwesten und
Norden Deutschlands bis Freitagvormittag ostwärts, während die Kaltfront über
der Nordsee ins Schleifen gerät.
Im Warmsektor verschärft sich der Gradient wieder deutlich, der Wind dreht auf
Süd zurück und frischt zunächst vor allem im Nordseeumfeld wieder rasch auf.
Dort gibt es im Laufe der Nacht stürmische Böen, über der offenen Nordsee und
entlang der schleswig-holsteinischen Westküste Sturmböen, auf Helgoland und in
Nordfriesland eventuell auch schwere Sturmböen. Im Ostseeumfeld reicht es
dagegen wohl nur für steife Böen, eventuell Richtung Fehmarn noch für stürmische
Böen. Auch auf dem Brocken kann es einmal mehr Sturmböen geben, ansonsten reicht
der Gradient angesichts der stabilen Schichtung im Binnenland nicht für
warnrelevante Böen.
Somit verläuft die Nacht in weiten Teilen des Landes ruhig, wobei aufgrund der
Warmluftadvektion vor allem über den Westen und Norden dichte Wolkenfelder
hinwegziehen. Im Süden und Südosten bleibt es dagegen gering bewölkt oder
wolkenlos, so dass sich dort dichte Nebelfelder ausbilden können. Während es im
Nordwesten und Norden unter den dichten Wolken mit Tiefstwerten zwischen 12 und
7 Grad verhältnismäßig mild bleibt, kühlt es ab der Mitte südwärts auf 7 bis 1
Grad ab, in einigen Mittelgebirgs- und Alpentälern kann es auch leichten Frost,
zumindest Bodenfrost geben.


Freitag... schwenkt der scharfe Randtrog über die Britischen Inseln Richtung
Nordsee, wobei die südwestliche Höhenströmung auf dessen Vorderseite etwas
aufsteilt und eine deutlich zyklonale Kontur annimmt mit markanter dynamisch
induzierter Hebung aufgrund von PVA. Ein Randtief, das sich in der Vornacht noch
knapp nordwestlich von Irland befindet, kann mit dem Trog günstig interagieren
und zieht unter mehr oder weniger deutlicher Vertiefung (auf nahe 980 hPa) bis
zum Abend Richtung Shetlands. Somit gerät das Frontensystem des Zentraltiefs
südlich von Island zunehmend in den Warmsektor des neuen Randtiefs, wobei sich
die Kaltfront über der Nordsee mehr oder weniger auflöst. Stattdessen überquert
die Kaltfront des Randtiefs die Britischen Inseln rasch ostwärts und erreicht
bereits am Abend die südwestliche und mittlere Nordsee und auch die Deutsche
Bucht, wo sie allerdings dank aufsteilender Höhenströmung selbst ins Schleifen
gerät.
Nach Abzug der Warmfront klingen die Regenfälle im Nordwesten erst einmal ab,
bevor zum Abend hin mit Annäherung der Kaltfront an der niederländischen Grenze
sowie im Nordseeumfeld erneut Regen einsetzt. Der Gradient bleibt scharf
ausgeprägt und fächert nur geringfügig auf. Dank stabiler Schichtung und
ablandigem Wind reicht es aber wohl lediglich im Nordseeumfeld und auf dem
Brocken für stürmische Böen, vereinzelt Sturmböen aus südlichen Richtungen. An
der Ostsee und im küstennahen Binnenland gibt es eventuell noch steife Böen,
vielleicht auch im Eifellee und zum Abend hin in einigen Erzgebirgstälern (dort
aus Südost; "Böhmischer Wind"), ansonsten ist der Wind aber nicht weiter
warnrelevant.
Während es im Nordwesten und äußersten Norden meist stark bewölkt bleibt, setzt
sich sonst nach teils zögernder Nebelauflösung vielerorts die Sonne durch. Im
Warmsektor gelangt dabei von Südwesten her niedertroposphärisch sehr milde Luft
ins Vorhersagegebiet, die Temperatur in 850 hPa steigt auf 7 Grad im Nordwesten
und bis 12 Grad im Alpenvorland. Bis ganz nach unten kann sich diese Luftmasse
angesichts der vorangeschrittenen Jahreszeit nicht mehr durchsetzen, dennoch
reicht es für Höchstwerte zwischen 16/17 Grad unter den dichten Wolken im
Nordwesten und 22, vielleicht sogar 23 Grad im südlichen Oberrheingraben.

In der Nacht zum Samstag schwenkt der nun die Haupttrogachse markierende
Randtrog über die Nordsee nordnordostwärts, ein weiterer kurzwelliger Randtrog
erreicht abends das Seegebiet nordwestlich von Irland. Dazwischen stellt sich
über dem Vorhersagegebiet eine relativ glatte südwestliche Höhenströmung ein,
wobei kaum mehr nennenswerte dynamische Hebungsprozesse mehr auszumachen sind.
In diesem Umfeld schwächt sich die nun mit einer etwas besseren Schubkomponente
ausgestattete und auf den Westen und Norden Deutschlands übergreifende Kaltfront
des zur Norwegischen See ziehenden Tiefs ab. In der ersten Nachthälfte kann es
vor allem in Nordfriesland noch kräftig regnen - ICON-EU simuliert dort 10 bis
15 l/qm in 6 Stunden, auf Sylt auch mehr - und mit Durchschwenken der Trogachse
ist im Nordseeumfeld vielleicht auch ein kurzes Gewitter nicht ausgeschlossen.
In der zweiten Nachthälfte kommen die Regenfälle zwar noch bis in die westlichen
und zentralen Mittelgebirge voran, verlieren aber deutlich an Intensität und
meist reicht es kaum mehr für nennenswerte Mengen. Vor allem IFS simuliert mit
dem gestrigen 12 UTC-Lauf auch im Südwesten und Süden im Vorfeld zur Front
gebietsweise etwas Regen, zumindest dichtere Wolkenfelder.
Im Laufe der zweiten Nachthälfte kann eine Frontalwelle südwestlich von Irland
mit dem oben genannten Kurzwellentrog interagieren und beginnt sich zu
vertiefen. Auf dessen Vorderseite setzt WLA ein, die auch im Westen und
Nordwesten Deutschlands wieder für Stabilisierung sorgt, so dass es auch im
Nordseeumfeld ausgangs der Nacht kaum mehr für Schauer reicht.
Mit Durchschwenken der Kaltfront fächert der Gradient weiter auf. Anfangs kann
es an der Nordsee noch stürmische Böen, auf dem Brocken Sturmböen aus Südwest,
später West geben, im Laufe der zweiten Nachthälfte sollte der Wind nicht mehr
warnrelevant sein. Mit den bis nach Süddeutschland reichenden dichteren
Wolkenfeldern verläuft die Nacht milder als die Vornächte; im Südosten kann es
nochmals auf knapp unter 5 Grad gehen, sonst liegen die Minima meist zwischen 12
und 7 Grad.

Samstag... wird der Langwellentrog über dem Ostatlantik durch den erwähnten
einlaufenden kurzwelligen Randtrog regeneriert und befindet sich abends mit
seinem Drehzentrum nördlich von Irland. Zwischen ihm und dem blockierenden
Höhenrücken über Osteuropa ändert sich nur wenig an der kräftigen südwestlichen
Höhenströmung über Mitteleuropa.
Die Frontalwelle kann sich weiter vertiefen und zieht bis zum Abend nach
Nordengland. Vorderseitig verstärkt sich die WLA über dem Vorhersagegebiet, so
dass sich die inzwischen über dem Osten und der Mitte des Landes angelangte
Kaltfront mehr oder weniger auflöst. Nennenswerte Regenfälle werden nicht mehr
simuliert.
Insgesamt dreht die Grundströmung mit Annäherung der Warmfront der Frontalwelle,
die abends Nordfrankreich und Belgien erreicht, mehr auf Südsüdwest zurück und
es setzt auch niedertroposphärisch WLA ein, bis zum Abend steigen die
Temperaturen in 850 hPa wieder auf 5 Grad ganz im Norden und bis 14 Grad im
allmählich föhnigen Alpenvorland. Dabei verschärft sich am Nachmittag und Abend
der Gradient und der Wind frischt aus Süd bis Südost auf. Angesichts der
stabilen Schichtung reicht es aber wohl lediglich über der offenen Nordsee sowie
in einigen Lee-Lagen für steife Böen, in den Gipfellagen einiger Mittelgebirge
eventuell schon für stürmische Böen, ebenso zum Abend hin mit aufkommendem Föhn
auf den Alpengipfeln (dort eventuell Sturmböen).
Während die Wolken im Westen und Norden nur vorübergehend auflockern und mit
Annäherung der Warmfront später wieder dichter werden (ganz im Westen kann es
abends eventuell auch etwas regnen), setzt sich im Osten und Süden vielerorts
die Sonne durch. Es wird erneut sehr mild, in der Südhälfte auch warm mit
Höchstwerten zwischen 16 und 20 Grad, im Süden und in der Mitte zwischen 18 und
23 Grad, am Oberrhein und mit Föhn auch im Alpenvorland vielleicht sogar bis
nahe 25 Grad.

In der Nacht zum Sonntag überquert der nun die Haupttrogachse markierende
Randtrog die Britischen Inseln und weitet sich nach Südsüdwest, Richtung Biskaya
und Galizien aus. Auf dessen Vorderseite wird aufgrund kräftiger PVA markante
Hebung simuliert und auch über dem Vorhersagegebiet nimmt die südwestliche
Höhenströmung erneut eine deutlich zyklonalere Kontur an.
Das Tief über Nordengland kann sich somit weiter vertiefen (im aktuellen
ICON-EU-Lauf auf unter 970 hPa) und zieht bis Sonntagfrüh ins Seegebiet
unmittelbar nördlich von Schottland. Die Warmfront greift mit leichten
Regenfällen auf den Westen und Norden Deutschlands über, während die Kaltfront
mangels Schubkomponente ins Schleifen gerät und morgens grade erst den
Ärmelkanal sowie die mittlere Nordsee überquert hat. Im Warmsektor verschärft
sich der Gradient auch über dem Vorhersagegebiet deutlich und der Wind legt vor
allem oberhalb der stabilen Grundschicht zu. Im Nordseeumfeld gibt es stürmische
Böen bzw. Sturmböen aus Südost bis Süd, ebenso in den Kamm- und Gipfellagen
einiger Mittelgebirge, auf dem Brocken auch schwere Sturmböen. In einigen
Lee-Lagen reicht es für steife Böen aus Südost, in günstig exponierten Tälern
eventuell auch für stürmische Böen. An den Alpen verstärkt sich der Föhn mit
teils schweren Sturmböen aus Süd auf den Gipfeln und steifen bis stürmischen
Böen in einigen Föhntälern.
Der leichte Regen kommt noch etwa bis zu einer Linie Pfalz-Westmecklenburg
voran, südöstlich davon bleibt es trocken und aufgelockert, nach Süden zu teils
gering bewölkt, vereinzelt bildet sich dort Nebel. Im Norden und Westen sowie
bei Föhndurchbruch verläuft die Nacht mit Minima zwischen 16 und 11 Grad sehr
mild, sonst wird es mit 11 bis 6 Grad etwas frischer.


Modellvergleich und -einschätzung
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Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine signifikanten
Modellunterschiede im Kurzfristzeitraum ausmachen. Auch die Entwicklung im
Detail wird von allen Modellen sehr ähnlich erfasst.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff