DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

29-09-2021 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 29.09.2021 um 10.30 UTC



Im gesamten Mittelfristzeitraum unbeständig, zeitweise windig bis stürmisch und
zunächst vor allem im Südosten noch sehr mild bis warm, mit Kaltfrontpassage am
Sonntag im Westen Gewitter und Sturmböen möglich. Zu Wochenmitte eventuell
klassische Westlage.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 06.10.2021


Die Wetterentwicklung im Mittelfristzeitraum zeichnet sich zunächst durch eine
rege Tiefdruckaktivität über West- bzw. Nordwesteuropa aus (Großwetterlage für
Mitteleuropa meist SWz), über deren Weiterentwicklung bis Mitte kommender Woche
dann der aktuell westlich der Antillen als Major Hurrikan geführte Tropensturm
"SAM" ein gewaltiges Wörtchen mitzureden hat.

Am Samstag befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines mit mehreren
Drehzentren ausgestatteten Höhentiefkomplexes über dem Seegebiet zwischen Island
und Schottland unterhalb einer südwestlichen Höhenströmung. Durch einen von
Nordwesten einlaufenden Randtrog wird der Höhentrog bis zur Nacht zum Sonntag
über den Britischen Inseln regeneriert und weitet sich nach Südwesten aus.
Vorderseitig des Randtroges entwickelt sich aus einer Frontalwelle südwestlich
von Irland ein Sturmtief und zieht über die Irische See und Schottland bis
Sonntagmittag in die nordwestliche Nordsee, wo es den Höhepunkt seiner
Entwicklung erreicht (Kerndruck immerhin nahe 950 hPa).
Dabei geht die am Samstag noch über dem Osten und der Mitte Deutschlands
schleifende Kaltfront des über dem Nordmeer gelegenen und sich auffüllenden
Vorgängertiefs über in die Warmfront der Frontalwelle, die ihrerseits bis
Sonntag rasch nordwärts nach Mittelskandinavien zieht. Die Kaltfront greift am
Sonntagvormittag auf den Westen und Nordwesten Deutschlands über, gerät dort
aber innerhalb der etwas aufsteilenden Höhenströmung vorübergehend ins Schleifen
und erreicht erst Montagfrüh auch den äußersten Südosten des Landes.
Im Warmsektor stellt sich an den Alpen vor allem am Sonntag eine Föhnlage ein
mit (schweren) Sturmböen auf den Alpengipfeln und sommerlichen Temperaturen um
25 Grad im Alpenvorland, auch sonst wird es im Süden und Osten über 20 Grad
warm. Im Westen und Nordwesten kann es mit Kaltfrontpassage einzelne Gewitter
mit Sturmböen geben, letztere außerhalb der Gewitter auch im Nordseeumfeld sowie
auf den Berggipfeln. Je nach Frontalwellenentwicklung an der Kaltfront kann es
im Südwesten auch kräftig regnen.

Am Montag überquert die Kaltfront dann aber rasch die Alpen, wobei es
postfrontal innerhalb der advehierten maritimen Polarluft (1 bis 3 Grad in 850
hPa) vorübergehend bis etwa 1500 m schneien kann. Der Höhentrog folgt auf dem
Fuße und greift mit Schauern und auch kurzen Gewittern am Montagnachmittag bis
in die Nacht zum Dienstag auf Mitteleuropa über.

Nach Abzug des Höhentroges zonalisiert die Höhenströmung über Westeuropa
zusehends und erneut kann sich nach Lesart des aktuellen IFS-Laufes aus einer
Frontalwelle südwestlich von Irland bereits in der Nacht zum Dienstag ein
kleinräumiges Sturmtief entwickeln, das bis Mittwoch, 00 UTC über die mittlere
Nordsee ins Skagerrak zieht. Dessen Warmfront greift mit teils kräftigen
Regenfällen am Dienstagvormittag bereits auf Westdeutschland über und kommt
rasch nordostwärts voran, während die Kaltfront mangels Schubkomponente und
aufgrund einer weiteren Wellentiefentwicklung in der Nacht zum Mittwoch über dem
Norden und Westen Deutschlands ins Schleifen gerät. An der Südflanke des Tiefs
kann es am Dienstag im Norden und Nordwesten Deutschlands erneut Sturmböen
geben, im Süden wird es im Warmsektor dagegen nochmals sehr mild bis warm, an
den Alpen eventuell föhnig (Westföhn!).

Am Mittwoch und in der Nacht zum Donnerstag zieht das Tief weiter zur mittleren
Ostsee und füllt sich allmählich auf. Die Kaltfront bleibt strömungsparallel in
die Höhenströmung eingebettet und kommt über der Mitte Deutschlands nur langsam
nach Süden voran, wobei sie weiterhin zum Verwellen neigt. Mit Annäherung und
Passage eines flachen Höhenrückens verliert sie etwas an Wetterwirksamkeit, so
dass die Regenfälle im Frontbereich am Mittwoch etwas an Intensität verlieren,
in der Nacht zum Donnerstag intensivieren sie sich aber wieder mit Annäherung
und Passage einer flachen Frontalwelle. Nördlich der Kaltfront gibt es in
Norddeutschland im Einflussbereich erwärmter Polarluft einzelne Schauer,
Richtung Alpen kann sich dagegen bei sehr milden bis warmen Temperaturen
zeitweise die Sonne durchsetzen.

Die erweiterte Mittelfrist hat am Donnerstag einen Trogvorstoß auf den nahen
Ostatlantik westlich der Britischen Inseln auf der Agenda, am Freitag greift der
Trog dann über GB auf die Nordsee über. Vorderseitig wölbt sich ein Höhenrücken
über Mitteleuropa nordwärts auf und schwenkt rasch nach Osteuropa. Die Folge ist
erneut eine zyklonale Südwestlage, mit der sehr milde bis warme Luft
vorübergehend vor allem in den Südosten Deutschlands gesteuert wird, ehe die
Kaltfront eines über England und die mittlere Nordsee zur Norwegischen See
ziehenden Tiefs bis Freitagabend weite Teile des Vorhersagegebietes überquert.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Bis einschließlich Sonntag ähnelt der aktuelle IFS-Lauf seinen beiden
Vorgängern, wobei der gestrige 12 UTC-Lauf die Kaltfront am Sonntag geringfügig
progressiver simulierte, der gestrige 00 UTC-Lauf sie dagegen aufgrund einer
weiteren flachen Frontalwellenentwicklung über der Mitte Deutschlands
zurückhängen ließ.
Dann aber kommt Tropensturm (jetzt noch Major Hurrikan) "SAM" ins Spiel: Nach
Lesart des aktuellen IFS-Laufes zieht er zunächst fast quasistationär recht weit
südöstlich von Neufundland auf dem mittleren Nordatlantik seine Kreise und wird
vorerst nicht in die Frontalzone nicht mit einbezogen. Das ist aber in den
beiden gestrigen, vor allem im gestrigen 00 UTC-Lauf durchaus der Fall: Er
verlagert sich als außertropisches Sturm- bzw. Orkantief (im 12 UTC-Lauf sogar
mit einem Kerndruck von nahe 940 hPa am Donnerstag, 00 UTC) bis zur Nacht zum
Donnerstag ins Seegebiet südwestlich von Island, wodurch sich auf dessen
Vorderseite durch WLA ein markanter Höhenrücken über dem mittleren Nordatlantik
aufwölbt, der bis Mittwoch zu den Britischen Inseln (12 UTC-Lauf) bzw. knapp
westlich davon (gestriger 00 UTC-Lauf) schwenkt und somit stromabwärts die
Zonalisierung der Höhenströmung verhindert. Smit fehlt in beiden gestrigen
Läufen die erneute Sturmtiefentwicklung über der Nordsee am Dienstag.
Stattdessen weitet sich der im aktuellen Lauf bereits am Montag auf Mitteleuropa
übergreifende Höhentrog nach Süden aus greift nach Lesart beider gestrigen Läufe
erst in der Nacht zum (12 UTC) bzw. am Mittwoch (00 UTC) auf Mitteleuropa über.
Beide Läufe lassen ihn dann nachfolgend in etwa über Italien abtropfen und einen
Höhenrücken westnordwestlich des Vorhersagegebietes über die Nordsee
nordostwärts nach Skandinavien aufwölben.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die Sturmtiefentwicklung am Wochenende haben mit nur wenig voneinander
abweichender Zugbahn alle Modelle auf der Agenda, IFS allerdings am
intensivsten, aber gelichzeitig auch etwas weiter nördlich, so dass das
Sturmfeld das Vorhersagegebiet nicht ganz erfassen kann. Somit fällt auch die
simulierte Windentwicklung nach GFS vor allem im Nordwesten und Westen mit
Frontpassage am Vormittag ähnlich, nach ICON und GEM dagegen etwas schwächer
aus.

Danach kommt dann ebenfalls - zumindest nach Lesart von GFS, ICON und auch GEM -
im Gegensatz zum aktuellen IFS-Lauf "SAM" ins Spiel, wobei alle Modelle etwas
unterschiedliche Varianten auf der Agenda haben. Nach GFS vollzieht sich die
Umwandlung in ein außertropisches Sturmtief bereits in der Nacht zum Dienstag
östlich von Neufundland, wodurch sich ein breiter Höhenrücken über dem mittleren
Nordatlantik aufwölbt, auf dessen Vorderseite sich bis Dienstag eine
"Nordwestrutsche" über West- bzw. Südwesteuropa einstellt. Der mit dem Sturmtief
am Sonntag korrespondierende Höhentrog überquert somit am Montag bei deutlichem
Konturverlust rasch das Vorhersagegebiet nordostwärts, gefolgt vom Höhentrog
vorderseitig der "Nordwestrutsche", der am Dienstag und Mittwoch bei weiterer in
den zentralen Mittelmeerraum gerichteter Amplifizierung nur zögernd auf
Mitteleuropa übergreift und bis Mittwochmittag über Italien abtropft. Das
Sturmtief am Dienstag fehlt somit völlig und vorderseitig des Troges greift
lediglich ein Bodentrog am Dienstag mit kühler Meeresluft auf Mitteleuropa über.
Schließlich kommt der Höhenrücken bis Donnerstag nach West- bzw. ins westliche
Mitteleuropa voran, vorderseitig baut sich dann eine Hochdruckbrücke über dem
Norden und Westen Deutschlands auf.

Nach Lesart des ICON wird der Tropensturm östlich von Neufundland als
außertropische Tief bereits am Montag in die Frontalzone eingebunden und
verlagert sich als kurzwelliger Randtrog samt sich zu einer Frontalwelle
zurückentwickelnden Tiefdruckgebiet bis Mittwochmittag zur Irischen See. Der
Höhentrog am Montag ist somit noch schwächer konturiert als im GFS und überquert
Mitteleuropa rasch nordnordostwärts, gefolgt von einem recht scharf konturierten
Trog am Dienstag, dem allerdings eine deutlich schwächere Bodentiefentwicklung
als im IFS vorgeschaltet ist. Am Mittwoch folgt dann die Warmfront der auf die
Irische See übergreifende Frontalwelle.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Zwar generiert IFS im Zeitraum T+72 bis 96 Stunden drei Cluster, die sich aber
bzgl. der Wetterentwicklung über Mitteleuropa mit dem markanten Höhentrog über
Westeuropa und der südwestlichen Höhenströmung alle ähneln.

Im Zeitraum T+120 bis 168 Stunden verteilen sich die 49 Einzelmember, der Haupt-
und der Kontrolllauf ebenfalls auf drei Cluster (jeweils 22, 16 und 13 Member,
Haupt- und Kontrolllauf in Cluster 1). Auch hier spielt "SAM" das Zünglein an
der Waage: Cluster 1 beschreibt in etwa die vom Hauptlauf gezeigte Entwicklung
mit dem Übergang zu einer recht markant zyklonalen Westlage (NAO positiv). Nach
Cluster 2 und 3 dagegen - zusammengenommen immerhin die Mehrheit aller Member,
nämlich 39 - wird der Tropensturm in die Frontalzone eingebunden und kann sich
bis Mittwoch, 00 UTC als Zentraltief über dem mittleren Nordatlantik etablieren,
wobei sich bis dahin vorderseitig über dem nahen Ostatlantik, westlich der
Britischen Inseln, ein Höhenrücken aufwölbt. Auf dessen Vorderseite wiederum
kommt der Höhentrog über Westeuropa nach Mitteleuropa voran und ist vor allem in
Cluster 3 recht breit aufgestellt, nach Cluster 2 dagegen eher mit einer
kürzeren Wellenlänge ausgestattet. Beide Cluster zeigen also zum Ende hin -
ähnlich wie das GFS - ein eher meridionales Geopotenzialmuster.

Die erweiterte Mittelfrist hat dann 5 Cluster auf der Agenda: Cluster 1, 3 und
vor allem 5 (letzterer inklusive Haupt- und Kontrolllauf und wie Cluster 3 und 4
mit immerhin jeweils 8 Membern ausgestattet, Cluster 1 mit 18 Membern) schwenken
im Laufe der zweiten Hälfte der kommenden Woche wieder um Richtung zonales
Muster, wobei Cluster 3 zum Ende hin Richtung atlantischer Rücken tendiert.
Cluster 2 (9 Member) und Cluster 4 tendieren dagegen zu einer markanten Blockade
über West-, später über Mittel- und Nordeuropa, wobei der Höhenrücken nach
Lesart von Cluster 4 sehr markant aufgestellt ist.

In den Rauchfahnen verschiedener Gitterpunkte im Vorhersagegebiet ist die
Kurvenschar der 850 hPa-Temperatur der Einzelmember bis zum Wochenende noch mit
einem relativ engen Spread ausgestattet und zeigt schön den vor allem nach Süd-
und Ostdeutschland gerichteten Warmluftvorstoß (fast alle Member für München
gehen auf 15 Grad und darüber). Bereits ab Sonntagabend wird der Spread aufgrund
der unterschiedlich simulierten Kaltfrontpassage erheblich größer und das bleibt
er auch bis zum Ende des Mittelfristzeitraumes. Vor allem für Süddeutschland
ergeben sich zu Wochenmitte deutliche Unterschiede, je nachdem, ob im Höhentrog
gelegen (einige Member gehen auch in München auf 0 Grad zurück) oder im
Warmsektor der Frontalwelle, wie im Hauptlauf, der für München vorübergehend
einen Temperaturanstieg auf knapp 15 Grad in 850 hPa auf der Agenda hat.
Norddeutschland befindet sich dagegen entweder im Trogbereich oder nördlich der
Frontalwellen, so dass dort bzgl. der 850 hPa-Temperatur der Spread nicht ganz
so breit aufgestellt ist. Allerdings ergeben sich von Member zu Member auch dort
große Unterschiede bzgl. der simulierten Niederschläge.

FAZIT:
Langer Worte kurzer Sinn: Bis einschließlich zum Wochenende, vielleicht noch bis
zum Montag ist die Wetterentwicklung eigentlich ziemlich klar, danach lassen
sich noch keine genauen Aussagen treffen, außer vielleicht, dass eine stabile
Hochdrucklage zumindest bis zu Beginn der erweiterten Mittelfrist, also bis
Mitte kommender Woche, nicht in Sicht ist.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Als signifikante Wettererscheinung steht in erster Linie der Wind im Fokus. Vor
allem mit Kaltfrontpassage am Sonntagmorgen bzw. am Vormittag zeigen die
probabilistischen Verfahren auch in den Niederungen bzw. im Binnenland West- und
Norddeutschlands erhöhte Wahrscheinlichkeiten für stürmische Böen aus Süd bis
Südwest, mit vereinzelten Gewittern sind eventuell auch Sturmböen nicht
ausgeschlossen. Im Nordseeumfeld und auf einigen Berggipfeln treten dann
häufiger stürmische Böen bzw. Sturmböen auf, auf dem Brocken bzw. auf den
Alpengipfeln auch schwere Sturmböen. In einigen Föhntälern an den Alpen sind
vorübergehend stürmische Böen möglich.
Im Bereich der verwellenden Kaltfront kann es in der Nacht zum Montag vor allem
in Südwestdeutschland sowie an den Alpen vorübergehend länger anhaltende
Niederschläge geben, die Wahrscheinlichkeiten für Dauerregen sind aber nur sehr
gering.

EFI hat mit dem Föhn am Sonntag für das Alpenvorland Signale für sehr hohe
Temperaturmaxima auf der Agenda. Sommertage sind dann durchaus möglich.

Danach werden die Modellunsicherheiten so groß, dass sich keine trefflichen
Aussagen bzgl. einer eventuellen markanten Windentwicklung treffen lassen.
Sollte es, wie vom IFS und auch ICON angedeutet, zur Passage von einer oder
mehreren Frontalwellen kommen, besteht natürlich ein etwas erhöhtes Risiko für
markante Böen bzw. ergiebige Niederschläge.
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Basis für Mittelfristvorhersage
EPS, MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Winninghoff