DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-09-2021 08:01
SXEU31 DWAV 290800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 29.09.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Heute im Osten teils gewittriger Starkregen. Im Westen am Nachmittag einzelne
Gewitter mit Sturmböen. Nachts schwerer Sturm im Nordwesten, teils Unwetter. Am
Donnerstag im Norden, am Freitag nur noch in Richtung Nordsee stürmisch.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... greift die Achse eines Troges mit eigenständigem Zentrum über der
südlichen Nordsee auf Deutschland über. Korrespondierend dazu findet man ein
Bodentief nahezu achsensenkrecht darunter. Seine Kaltfront erreicht im Laufe des
Vormittags den Westen Deutschlands und kommt nachfolgende rasch ostwärts voran.

Ganz im Südosten und Osten liegen noch die Reste der feuchtwarmen und leicht
labil geschichteten Luftmasse der Vortage. Man erkennt diese gut anhand der
höheren Taupunkte im zweistelligen Bereich zwischen 11 und 14 Grad. Zudem hat
sich in der feuchten Luft Nebel gebildet, der sich im Osten und Nordosten im
Laufe des Vormittags langsam auflöst.
Aus den Alpen heraus haben Niederschläge auf Bayern übergegriffen. Getriggert
wurden diese durch das Überströmen der Alpen und Hebungsprozesse auf der
Vorderseite der Trogachse. Der Niederschlagsschwerpunkt verlagert sich von
Bayern und Tschechien im Tagesverlauf in den Osten von Deutschland.

Wie angesprochen ist die Luftmasse leicht labil geschichtet. Abgehoben lässt
sich in den Aufstiegen eine labile Fläche finden, die sich auch in etwas MUCAPE
ausdrückt. Insofern weißen die Niederschläge konvektive Verstärkungen auf und
vereinzelt sind auch Blitz und Donner mit dabei.
Durch die konvektiven Verstärkungen kann vor allem am Nachmittag in den
östlichen Landesteilen auch die markante Warnstufe von mehr als 15 l/m² in 1h
gerissen werden. Auch über 3 h Stunden hinweg können markante Mengen erreicht
werden, da die Niederschläge von Nord nach Süd entlang der Organisationform
ziehen. Auch das ICON-D2 EPS deutet dieses Potential an. Dort finden sich die
höchsten Wahrscheinlichkeiten für markante Mengen in Richtung vorpommersche
Ostsee.
Am späten Nachmittag ziehen die Niederschläge dann Richtung Ostsee ab.

Die von Westen übergreifende Kaltfront ist zunächst weitgehend inaktiv, kann
aber am Nachmittag mit Annäherung der Trogspitze in Teile aktiviert werden. Die
Front lässt sich gut in einem Maximum der Feuchte und einer schönen
Feuchtflusskonvergenz sehen. In Verbindung mit etwas Labilität prognostiziert
ICON6 auch etwas CAPE. Einzelne kurze Gewitter sind also nicht ausgeschlossen.

Deutlich häufiger werden Schauer und Kaltluftgewitter dann postfrontal mit dem
Übergreifen der Höhenkaltluft (T500 um -28 Grad). Dann sind bedingt durch die
erhöhten Windgeschwindigkeiten in 925 hPa (um 40 kn) Windböen und stürmische
Böen zu erwarten. EURO4 setzt sogar noch etwas drauf und prognostiziert in 925
hPa ein kleines Maximum von bis zu 65 kn am späteren Nachmittag im Emsland. Dann
müssen vereinzelt auch Sturmböen mit eingeplant werden. Beim Blick auf das
ICON-D2 EPS werden eigentlich nur stürmische Böen angedeutet, aber zumindest der
Blick auf das Maximum zeigt, dass es vereinzelte Member auch beim ICON-D2 dafür
gibt. Im neuesten Euro4 Lauf wurden beim Euro4 die Maxima wieder reduziert.

Die Basis sollten aber Windböen und stürmische Böen sein, die nicht nur in
Verbindung mit Gewittern, sondern auch mit stärkeren Schauern auftreten können.

In der Nacht auf Donnerstag zieht das Bodentief von der südlichen Nordsee weiter
in Richtung Jütland, wobei die exakte Zugbahn immer noch gewisse Unschärfen
aufweist. Diese sind aber relevant für das Warnwesen, wie man gleich noch sehen
wird.

Die Trogachse wandert derweil in den Nachtstunden über Deutschland hinweg, wobei
die höhenkälteste Luft sich über der Mitte des Landes ostwärts verlagert.
Rückseitig setzt allerdings rasch WLA und eine deutliche Stabilisierung ein. In
Verbindung mit dem Tagesgang kommt die Konvektion trotz der Höhenkaltluft rasch
zum Erliegen und es gibt kaum noch Schauer.

Interessant ist die Entwicklung im Nordwesten Deutschlands. Dort greift die um
das Tief rumgeholte Okklusion über, die sich auch schön als Feuchteschliere in
700 hPa zeigt. Damit verbunden sind bei vorhandener Labilität konvektiv
verstärkte und teils gewittrige Niederschläge, die sich von der Nordsee
landeinwärts schieben. Der Schwerpunkt schiebt sich dabei von den ostfriesischen
Inseln im Laufe der Nacht ostwärts und betrifft in der zweiten Nachthälfte
schließlich die Nordfriesen. Von den verschiedenen hochauflösenden Modellen und
auch vom ICON-D2 EPS gibt es starke Signale für Starkniederschläge. Das gilt
insbesondere für einen 3 bis 6 h Zeitraum. Es ist zu überlegen die Gebiete mit
der höchsten Wahrscheinlichkeit mit einer zeitlich gestaffelten
Starkregenwarnung vorab zu versehen.

Noch wesentlich interessanter ist aber die Windentwicklung. Mittlerweile zeigen
alle Modelle ein Maximum in den 925 hPa Winden, das im der Spitze zwischen 60
und 65 kn liegt. In Verbindung mit den konvektiven Umlagerungen in der labil
geschichteten Luftmasse ist davon auszugehen, dass diese Windgeschwindigkeiten
auch bis nach unten durchgemischt werden können. Das würde bedeuten, dass
durchaus orkanartige Böen, wenn nicht sogar einzelne Orkanböen auftreten können.

Dies findet sich auch in den Wahrscheinlichkeiten des ICON-D2 EPS wieder oder
bei den verschiedenen hochaufgelösten Modellen. Die Krux an der Sache ist, dass
die betroffene Region nur sehr klein ist und dabei kleine Verschiebungen der
Zugbahn (Nord/Süd) zu Verschiebungen bei den betroffenen Regionen führen können.
Leider sind diese Unschärfen noch immer vorhanden. Dennoch spricht die
Signifikanz der Warnlage für eine möglichst frühzeitige Ausgabe von
Unwetterwarnungen. In der Zusammenschau der verschiedenen Modelle besteht die
höchste Wahrscheinlichkeit für Unwetter entlang der Ostfriesen und später auf
den südlichen Nordfriesen. Dort sollten entsprechende Warnungen ausgegeben
werden. Die Bereiche die noch unsicher sind, können dann ggf. später
nachgeschoben werden.
Daran angrenzend sind im nahen Binnenland stürmische Böen und Sturmböen
notwendig. In Teilen Schleswig-Holsteins vereinzelt auch schwere Sturmböen
(zweite Nachthälfte).


Donnerstag... zieht das Bodentief weiter von Jütland in Richtung Südschweden.
Nachfolgend schiebt sich ein Rücken von
Westen her nach Deutschland. Dieser ist im Norden überlaufen von WLA.

Für den Tagesbeginn sind noch die rumgeholte Okklusion des Tiefs und der
kräftige Wind auf der Rückseite des Tiefs von Interesse. So gibt zu Tagesbeginn
auf den Nordfriesen und der schleswig-holsteinischen Ostsee zunächst schwere
Sturmböen und einzelne orkanartige Böen aus West. Zudem greift das Windfeld
zunehmend auch auf den Rest der Ostsee aus. Dort sind bis ins Binnenland
ausgreifend stürmische Böen zu erwarten, exponiert kann es auch Sturmböen geben.

Am Nachmittag lässt der Wind, auch bedingt durch die rückseitige Stabilisierung,
wieder nach. An der See sind dann noch stürmische Böen und exponiert Sturmböen
zu erwarten. Im gesamten Norddeutschen Binnenland kommt es zu Windböen.

Zudem fällt in den nördlichen Landesteilen im Tagesverlauf weiterer
Niederschlag. Zunächst ist dafür noch die rumgeholte Okklusion verantwortlich,
die am Vormittag in Schleswig-Holstein auch noch markanten Starkregen bringen
kann. Nach einer kurzen Pause greifen dann aus Westen neue Aufgleitniederschläge
über.

Von der Mitte bis in den Süden Deutschlands profitiert man von der
Stabilisierung durch den übergreifenden Rücken. Zwar halten sich gerade im
Mittelgebirgsumfeld noch viele tiefe Wolkenfelder, die die Sonnenausbeute
begrenzen (teils hochnebelartig), sonst wird es aber im Tagesverlauf immer
freundlicher. Der Wind spielt dann allenfalls noch in höheren Berglangen eine
Rolle. Je nach Sonne werden 13 bis 18 Grad erwartet.

In der Nacht auf Freitag liegt der flache Rücken über Deutschland, der im Norden
weiterhin von kräftiger WLA überlaufen ist. Die zugehörige Warmfront erreicht in
weiterer Folge auch den Nordwesten Deutschlands. Die Folge sind weitere
Aufgleitniederschläge vor allem von Niedersachsen bis nach Schleswig-Holstein.

Gerade nach Nordwesten ist der Gradient noch ausreichend, dass es Windböen und
stürmische Böen entlang der Nordsee gibt, auf der freien Nordsee auch noch
Sturmböen. An der Ostsee können noch Windböen auftreten.

Sonst verläuft die Nacht ruhig mit größeren Auflockerungen in der Südosthälfte.
Bei schwachgradientigen Verhältnissen kann sich von der Mitte bis in den Süden
Nebel bilden, der teils auch warnwürdig ist. Zudem wird es in diesen Regionen
ziemlich frisch mit Tiefstwerten die vor allem in Mittelgebirgstälern vereinzelt
in den Frostbereich sinken. Frost in Bodennähe bis -4 Grad gibt es recht
verbreitet.


Freitag... befindet sich der Haupttrog mit seiner Achse bei den Britischen
Inseln. Das korrespondierende Bodentief ist bei Schottland zu finden. Die davon
ausgehenden Hebungs- und Feuchtefelder beeinflussen vor allem den Nordwesten und
Norden Deutschlands. Viele Wolken und Niederschläge sind die Folge, die bis zum
Niederrhein ausgreifen können.

Von der Mitte bis in den Südosten wird hingegen nach Auflösung der teils zähen
Nebelfelder hingegen ein freundlicher Tag mit viel Sonnenschein erwartet. Mit
Sonnenunterstützung können am Oberrhein bis 21 Grad erwartet werden, während es
bei Regen im Emsland nur 16 Grad gibt.

Warnrelevant ist einzig noch der Wind. Im Nordwesten ausgreifend bis zum
Niederrhein kann es im Tagesverlauf einzelne Windböen geben. An der Nordsee sind
zudem stürmische Böen, auf der Nordsee Sturmböen und vereinzelt schwere
Sturmböen möglich. An der Ostsee gibt es nur exponiert einzelne Windböen.

In der Nacht auf Samstag sorgt eine Kaltfront von NRW bis nach
Schleswig-Holstein für dichte Wolken und Niederschläge. Die dichten Wolkenfelder
greifen in der Folge auch weiter nach Südosten aus, wo es anfangs noch gering
bewölkt ist und sich wieder teils dichte Nebelfelder bilden können. Dort wird es
mit Werten bis 4 Grad auch am kältesteten. Im Nordwesten bleibt die Temperatur
im zweistelligen Bereich. Der Wind spielt nur noch an der Nordsee eine Rolle.
Dort gibt es Windböen, auf der freien See auch stürmische Böen. In der zweiten
Nachthälfte sind dann auch dort voraussichtlich keine Warnungen mehr
erforderlich.

Modellvergleich und -einschätzung
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Es lassen sich keine signifikanten Unterschiede der verschiedenen Modelle im
Kurzfristbereich finden. Die Unschärfen in der Zugbahn des Nordseetiefs in der
Nacht auf Donnerstag wurden bereits im Haupttext diskutiert.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Marcus Beyer