DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-09-2021 07:30
SXEU31 DWAV 280800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 28.09.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL Ww
In der Nacht auf Mittwoch und am Mittwoch im Südosten und Osten einzelne
Gewitter und Starkregen. Am Mittwochnachmittag im Westen und Nordwesten einzelne
Gewitter mit stürmischen Böen. In der Nacht auf Donnerstag an der Nordsee
schwere Sturmlage möglich. Am Donnerstag im Norden weiter teils stürmisch.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... bewegen sich die Reste einer sich abschwächenden Kaltfront weiter
ostwärts. Diese Luftmassengrenze kann man gut in den Bodenmessfeldern erkennen.
So liegen die Taupunkte im Osten und Südosten oft noch zwischen 13 und 16 Grad.
Begleitet von Kaltluftadvektion und einer postfrontalen Absinkzone strömt
postfrontal deutlich trockenere Luft ein. So liegen die Taupunkte dann häufig im
einstelligen Bereich. Das Absinken lässt sich übrigens gut in den 00 UTC
Radiosondenaufstiegen von Ost nach West verfolgen. Während in Lindenberg noch
keine trockenen Luftmassen zu erkennen sind, liegt die Inversion mit Abtrocknung
in Meiningen bei 600 hPa und in Essen erreicht die trockene Luft den Boden.

Mit Auflockerungen durch die postfrontale Subsidenz hat sich im Westen und
Südwesten, sowie zum Teil auch im Norden Nebel gebildet, der zum Teil in
Hochnebel übergeht. Diese Nebel- und Hochnebelfelder halten sich vor allem in
den Mittelgebirgen und in den Luvgebieten der westlichen und zentralen
Mittelgebirge recht zäh und teils bis in die Nachmittagsstunden. Mit südlicher
Anströmung zeigt sich in den Leegebieten hingegen vielfach die Sonne und ein
freundlicher Tag wird erwartet.

Im äußersten Osten und im Süden verbleiben noch die Reste der feuchtmilden
Luftmasse, die am Nachmittag kaum noch vorankommen. Damit ist es vom östlichen
Vorpommern bis nach Sachsen sowie im Alpenvorland häufig stärker bewölkt und
gelegentlich fällt noch ein wenig Regen. Zum Nachmittag ist es dann auch in
diesen Regionen vielfach trocken. Die Maxima liegen im milden Bereich zwischen
16 und 21 Grad.

Warnungen werden tagsüber abgesehen von den anfänglichen Nebelwarnungen nicht
benötigt.

In der Nacht auf Mittwoch nähert sich von Frankreich die Hauptachse des
westeuropäischen Troges von Frankreich her an. Damit dreht die Höhenströmung
stärker auf Südwest. Dies führt dazu, dass eine stärkere Überströmung der Alpen
stattfindet und sich ein kleines, flaches Leetief über Ostbayern ablösen kann.
Mit weiterer Trogannäherung wird dieses schließlich durch Hebungsprozesse auf
seiner Vorderseite gestützt und bewegt sich langsam nordwärts.
Mit diesem Prozess werden auch noch die Reste der über dem Süden liegenden
feuchtwarmen Luftmasse reaktiviert. In der Höhe ergibt sich zudem vorübergehend
eine gewisse Gegenströmung mit östlichen Bodenwinden und Südwestwind darüber In
der Folge greifen ausgehend von der Schweiz und den Alpen länger andauernde
Niederschläge aus Deutschland über und ziehen über Bayern weiter in die
mittleren Landesteile.

Gerade durch die Überströmung der Alpen nehmen die Lapse Rates zu. Damit findet
auch eine gewisse Labilisierung der Luftmasse statt. Im MLCAPE lässt sich davon
nichts erkennen, schaut man aber die MUCAPE-Werte an, so lassen sich zumindest
100 bis 200 J/kg finden. Das könnte schon ausreichen, dass die Niederschläge in
der zweiten Nachthälfte über Bayern zunehmend konvektiv durchsetzt sind und auch
einzelne Gewitter auftreten können.
Die ppw-Werte erreichen bis zu 30 mm und so erscheint es nicht unrealistisch,
dass Starkregen von mehr als 15 l/m² auftreten kann. Dies wird auch vom ICON-D2
EPS gestützt, das den Schwerpunkt vor allem über Süd- und Ostbayern sieht.
Externe Modelle haben vor allem das Allgäu im Fokus, sind aber sonst eher
zurückhaltend, was die Überschreitung der Warnschwellen angeht. Ob und wie
verbreitet Starkregen auftritt kann nur im Nowcasting bestimmt werden.

Davon abgesehen muss nachts wieder mit Nebel gerechnet werden. Dies gilt vor
allem für den Osten und Nordosten, sowie die mittleren Landesteile.

Ausgangs der Nacht frischt der Südostwind an der Nordsee auf. Wenn überhaupt
treten erste Windböen aber nur über der freien See auf.

Mittwoch... greift der Höhentrog mit eigenem Drehzentrum über der südlichen
Nordsee im Tagesverlauf auf den Nordwesten über. Weitgehend achsensenkrecht
darunter befindet sich ein Bodentief. Dessen Kaltfront greift schon am Vormittag
auf den Westen und Nordwesten über und verlagert sich im Tagesverlauf über die
Mitte ostwärts. Die Kaltfront ist überlaufen von kräftiger Kaltluftadvektion und
ist zunächst recht stabil geschichtet, sodass vorerst keine Gewitter auftreten.

Vorgelagert befindet sich über dem Osten noch die feuchtlabilen Luftmassen die
aus der Nacht heraus über die mittleren Landesteile gezogen sind und am
Vormittag nun den Osten Deutschlands beeinflussen. Wie auch in der Nacht ist die
Luftmasse potentiell labil und es können konvektive Verstärkungen und einzelne
Gewitter eingelagert sein. Bei ppw-Werten um 30 mm muss weiterhin mit Starkregen
gerechnet werden. Das gilt sowohl für den stündlichen, als auch den
mehrstündigen Bereich. Letztere ist der Tatsachse geschuldet, dass die
Niederschläge und konvektiven Verstärkungen von Süd nach Nord entlang der
Luftmassengrenze ziehen. Zudem können auch einzeln kurze Gewitter eingelagert
sein.

Mit weiterer Trogannäherung wird am Nachmittag auch die Kaltfront über der Mitte
zum Teil aktiviert, sodass es auch hier und da einmal blitzen kann. Postfrontal
strömt ein Schwall Höhenkaltluft nach Deutschland. Die Werte in 500 hPa gehen
auf unter -28 Grad zurück. Der Schwerpunkt liegt dabei etwas südlicher, als
gestern noch prognostiziert, über NRW. Damit labilisiert die Luftmasse deutlich
und es muss im Westen und Nordwesten mit zahlreichen Schauern und
Kaltluftgewittern gerechnet werden. Starkregen ist damit zunächst nicht zu
erwarten. Die Höhenwinde sind mit 40 kn in 850 hPa recht kräftig, sodass es zu
Windböen und stürmischen Böen kommen kann.

Auch außerhalb der Gewitter nimmt der Wind durch den schärfer werdenden
Gradienten und die konvektive Durchmischung zu. Entsprechend muss in der
gesamten Westhälfte bis zum Abend mit einzelnen Windböen gerechnet werden, im
Bergland und an der Nordsee auch Sturmböen.

In der Nacht auf Donnerstag ziehen Boden- und Höhentief weiter in Richtung
Jütland. Deutschland wird an der Südflanke von der langsam ostwärts wandernden
scharfen Trogachse beeinflusst. Die damit in Verbindung stehende Höhenkaltluft
zieht mit Schwerpunkt über der Mitte des Landes (T500: -28 Grad) ostwärts.
Allerdings kommen zwei Faktoren zusammen, die die Schauertätigkeit dennoch in
weiten Teilen des Landes rasch zusammenfallen lassen. Da ist zum einen die
tagesgangbedingte Stabilisierung im Grenzschichtbereich und zum anderen kräftige
WLA, die trogrückseitig von Westen nachkommt. Letztere verhindert trotz
Höhenkaltluft die Schauertätigkeit. Dies kann man auch gut in den
Prognosesoundings erkennen. Dort zeigt sich die WLA zunächst in der höheren
Troposphäre und setzt sich nachfolgend in die mittlere Troposphärenschichten
fort.

Anders schaut es im Nordwesten Deutschlands aus. Dort greift die rumgeholte
Okklusion des Bodentiefs über. Die Werte der spezifischen Feuchte sind
entsprechend deutlich höher und zusammen mit der Labilität kann sich etwas CAPE
aufbauen. In Kombination mit der noch warmen Nordsee entstehen die typischen
stationären Schauerstraßen mit eingelagerten Gewitter. Entsprechend können die
Niederschlagsmengen über den ostfriesischen Inseln und von den Nordfriesen bis
nach Schleswig-Holstein recht kräftig ausfallen. Im Zeitraum 3 bis 6 h kann
entsprechend das Starkregenkriterium überschritten werden.
Ein weiteres Thema ist der Wind. Rückseitig des nach Jütland ziehenden Tiefs
nimmt der Wind durch den scharfen Bodendruckgradienten deutlich zu. ICON
berechnet zudem 925 hPa Winde bis 60 kn, die bei konvektiven Umlagerungen
gegebenenfalls auch nach unten gemischt werden könnten. Entsprechend reagiert
auch das ICON-D2 EPS mit hohen Wahrscheinlichkeiten für Sturmböen und erhöhten
Wahrscheinlichkeiten für schwere Sturmböen an der direkten Küste. Es lassen sich
auch geringe Wahrscheinlichkeiten für orkanartige Böen finden und auch der
deterministische Lauf springt darauf an. Euro4 hingegen ist deutlich schwächer.
Es bestehen also durchaus noch recht hohe Unsicherheiten sowohl in Bezug auf die
Stärke, als auch bezüglich der genauen Zugbahn der Bodentiefs. Damit ergeben
sich auch Unsicherheiten bezüglich der genauen Lage des Windmaximums.

Donnerstag... zieht das Höhentief nach Südschweden und die südwärts anschließend
Trogachse bewegt sich in den Osten Deutschlands und zieht anschließend nach
Polen ab. Dahinter kann ein flacher Rücken auf Deutschland übergreifen und sorgt
für Stabilisierung.

Über der Nordhälfte macht sich ein Feld kräftiger WLA bemerkbar, die den Rücken
überläuft. Mit der WLA wird jegliche Schaueraktivität unterdrückt. Dafür gibt es
im Norden viele Wolken und Aufgleitniederschläge. Von der Mitte bis in den Süden
kann man hingegen vom Rücken profitieren, sodass sich häufiger die Sonne zeigt
und Niederschlag nicht zu erwarten ist.

Ein Thema ist insbesondere der Wind, der im Norden lebhaft weht. Im Tagesverlauf
kommt es immer wieder zu Windböen, im Küstenumfeld und in Schleswig-Holstein
auch stürmische Böen, exponiert Sturmböen. Auf einzelnen Nordseeinseln sind auch
schwere Sturmböen nicht ausgeschlossen.

Davon abgesehen sind bei 14 bis 19 Grad tagsüber keine Wetterwarnungen zu
erwarten.

In der Nacht auf Freitag ist zunächst noch der Rücken wetterwirksam. Dieser
flacht aber immer mehr ab und die Strömung beginnt allmählich auf Südwest zu
drehen. Im Norden gibt es bei dichten Wolken weitere Aufgleitniederschläge. Von
der Mitte bis in den Süden ist es hingegen teils gering bewölkt oder klar.
Bevorzugt in den südlichen Landesteilen kann sich bei der gradientschwachen Lage
häufig Nebel bilden. Dort wird es auch recht frisch mit Tiefstwerten zwischen 5
bis 0 Grad. Verbreitet gibt es Frost in Bodennähe zwischen 0 und -4 Grad.

Im Norden ist der Wind deutlich lebhafter und im Küstenumfeld sowie im
schleswig-holsteinischen Binnenland kommt es zu Windböen, exponiert auch
stürmischen Böen. Direkt an der Nordsee sind auch weiter Sturmböen möglich.
Dafür ist es mit zweistelligen Tiefstwerten im Emsland deutlich milder.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle zeigen die Kurzfrist prinzipiell einheitlich. Es gibt aber noch
größere Unsicherheiten bezüglich der genauen Zugbahn des Bodentiefzentrums über
der Nordsee. GFS hat da eine recht nördlich Variante (nordfriesische Inseln
betroffen), ICON ist deutlich südliche (Ostfriesen). Es gibt aber auch noch
südlichere Varianten, wo eher das angrenzende Binnenland betroffen wäre. In der
Extremlösung wären nach ICON - D2 sogar Orkanböen auf den Ostfriesen denkbar.
EURO4 ist hingegen deutlich schwächer.
Es sei noch erwähnt, dass auch das ECMWF-Ensemble ein vergleichsweise großen
Spread bezüglich des Windes zeigt. Das sieht man besonders gut in den
EFI-Diagrammen, wo zwischen Min und Max bei der Windprognose noch ein ziemlich
hoher Spread zu finden ist, gerade unter Berücksichtigung des kurzen
Vorhersagehorizonts.
Es bleibt: Abwarten.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Marcus Beyer