DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-09-2021 08:01
SXEU31 DWAV 220800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 22.09.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Wa
Nach ruhigem Mittwoch am Donnerstag im Norden und Nordosten sowie auf einigen
Bergen Sturmlage. An der See vereinzelt schwere Sturmböen Bft 10 gering
wahrscheinlich. Ab Freitag schon wieder nachlassender Wind.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... wölbt sich vom Atlantik mit positiver Achsneigung ein Rücken auf,
der über die Britischen Inseln bis nach Skandinavien führt. Dieser Rücken wird
von zwei Trögen flankiert, wovon der östlich gelegene große Teile Osteuropas
überdeckt und bis nach Griechenland reicht. Der westliche Trog befindet sich
etwa bei Island. Darüber hinaus gibt es über der Iberischen Halbinsel und dem
nordwestlichen Afrika ein Höhentief. Am Boden spiegelt sich diese Situation mit
dem Hoch KERSTIN wider, dessen Schwerpunkt vom Nordostatlantik über die
südlichen Britischen Inseln bis nach Deutschland reicht und das zeitweise mit
bis zu drei Kernen ausgestattet ist (aktuell mit zwei Kernen, KERSTIN I westlich
der Britischen Inseln, KERSTIN II über Luxemburg). An der Nordostflanke des
Hochs wird eine Okklusion nach Südosten gesteuert, die feuchtekühle Luft in den
Osten und Südosten Deutschlands gebracht hat mit T850 hPa von 1 bis 5 Grad.
Dabei ist es gebietsweise durch tiefen Stratus dicht bewölkt und vor allem in
den südwestlichen Mittelgebirgen fällt hier und da etwas Sprühregen. Weiter nach
Westen zieht gebietsweise hohe Bewölkung durch, was die Nebelbildung in der
vergangenen Nacht erschwert hat. Außerdem erreicht den Nordwesten schon mildere
Atlantikluft mit T850 hPa von 6 bis 10 Grad.
Im Tagesverlauf kommt der Rücken ein wenig nach Osten voran, sodass sich seine
Achse abends von Nordostfrankreich über Benelux bis ins südliche Schweden
verschiebt. Dabei wird er durch die beiden Tröge allmählich zugeschüttet.
Infolge der Rückenbewegung und kräftiger WLA steigt der Druck über Deutschland
noch leicht und die feuchtkühle Luft muss im Osten und Südosten allmählich
weichen. Damit nehmen die geringen Niederschlagssignale im Osten und Südosten
weiter ab.
Bleibt also die Betrachtung der Bewölkungsverhältnisse. Die Modelle modellieren
fast unisono größere Auflockerungen, die sich nach Osten und Südosten hin
ausbreiten. Ein Blick in Richtung Nordsee zeigt dort große Wolkenlücken, sodass
die Modellergebnisse durchaus plausibel erscheinen, dichte Stratusbewölkung in
solchen Lagen aber immer einen Strich durch die Rechnung machen kann.
Mit dem steigenden Druck fließt von Westen zunehmend warme Luft ein, sodass die
T850 hPa von Ost nach West auf 5 bis 11 Grad steigen. Bodennah werden
entsprechend Höchsttemperaturen von 15 Grad im Osten bis 22 Grad im Westen
generiert. Sollte sich das Dauergrau im Osten irgendwo länger halten, könnte
auch wieder bei 13 Grad Schluss sein.
Der Wind weht schwach bis mäßig um West, in den höheren Lagen der südwestlichen
Mittelgebirge kann es lokal starke Böen um 55 km/h (Bft 7) geben. Zudem frischt
der Wind ganz im Norden langsam auf, sodass dort teils frischer Wind weht.

In der Nacht zum Donnerstag flacht der Rücken zusehends ab, wobei seine Achse
weiter nach Osten vorankommt und morgens eine Linie Südwestdeutschland - Polen -
Ostsee einnimmt. Gleichzeitig rückt uns der Trog von Island durch den
zurückweichenden Rücken auf die Pelle, weil er in die Nordsee gelangt. Das mit
ihm verbundene Nordmeertief TIM mit einem opulenten Kerndruck von 955 hPa bildet
über Skandinavien und über der Nordsee durch Randtröge und Leezyklognese zwei
Randtiefs. Die Ausläufer der Tiefs bleiben bis zum Morgen zwar noch außen vor,
allerdings nimmt der Gradient durch die Tiefannäherung schon deutlich zu.
Dadurch frischt der Südwestwind im Küstenbereich weiter auf, an der Ostsee gibt
es erste starke Böen bis 60 km/h (Bft 7), an der Nordsee lokal morgens auch
schon stürmische Böen um 65 km/h (Bft 8). Ebenso kann der Brocken schon mit
Sturmböen um 75 km/h (Bft 9) reagieren und der Fichtelberg im Erzgebirge mit
starken Böen um 55 km/h (Bft 7). Weiter im Binnenland bleibt der Wind hingegen
schwach.
Während im Norden bereits dichte Wolken auftauchen, die sich bis morgens bis zum
Mittelgebirgsrand ausdehnen und die in Schleswig-Holstein stellenweise etwas
Regen bringen, ist es sonst meist nur locker oder gering bewölkt. Damit tritt
aber der Nebel auf die Agenda, den die Modelle ziemlich verbreitet für die Mitte
und den Süden simulieren.
Die Tiefsttemperaturen liegen zwischen 15 und 8 Grad im Norden unter den Wolken,
sonst zwischen 9 und 2 Grad (unter dichtem Stratus jedoch milder). Bei solchen
Tiefstwerten ist natürlich örtlich leichter Frost in Bodennähe gut möglich, was
die (Hobby-) Gärtner unter uns alarmieren sollte.

Donnerstag... weitet sich der Trog von der Nordsee bis ins südliche Skandinavien
und bis zur Ostsee aus. Die beiden Teiltiefs verschmelzen phasenweise über
Skandinavien, wobei das neue Tief abends den Bottnischen Meerbusen ansteuert.
Die Kaltfront dieses Tiefs dringt bis zum Abend bis in die nördliche Mitte des
Landes vor und wird im Westen schon rückläufig mit der Warmfront eines weiteren
Tiefs bei Island. Mit der Kaltfront kommen im Norden und Nordosten zeitweilige
Regenfälle mit Mengen von 1 bis 10 l/qm in 12 Stunden auf. Gewitter werden
aufgrund ungünstiger Parameter (stabil) nicht simuliert, sind aber an der Ostsee
nicht völlig ausgeschlossen. Dort fällt auch der meiste Regen.
Ansonsten verstärkt sich zwischen dem Tief über dem Bottnischen Meerbusen und
weiter hohem Druck über Frankreich der Gradient im Norden und Nordosten weiter
und beschert dem Norden und Nordosten eine Sturmlage. Dabei muss bis etwa zur
Mittelgebirgsschwelle mit starken Böen um 55 km/h (Bft 7) aus Südwest gerechnet
werden. Inwieweit stürmische Böen Bft 8 bis ins Binnenland ausgreifen, da
herrscht vor allem zwischen EZMW und den deutschen Modellen Uneinigkeit. Während
die deutschen Modelle eigentlich nur küstennah die 8 simulieren, gibt es diese
bei EZMW bis auf eine Linie Elbe - Nordbrandenburg. Ein Herabmischen stärkerer
Böen bei Schauern ist angesichts der Stabilität nicht sehr wahrscheinlich. So
kann eigentlich nur der Gradient dafür herhalten, der bei Betrachtung von
Details beim EZMW tatsächlich etwas stärker ausgeprägt ist.
An der See treten Sturmböen um 85 km/h (Bft 9) auf, in Nordfriesland und vor
allem abends an der Ostsee sind einzelne schwere Sturmböen um 95 km/h (Bft 10)
nicht ausgeschlossen. Auf dem Fichtelberg gibt es ebenfalls Sturmböen um 80 km/h
(Bft 9), auf dem Brocken schwere Sturmböen um 100 km/h (Bft 10). Im Süden weht
der Wind dagegen meist nur mäßig, hier und da mit starken Böen bis etwa 50 km/h
(knappe Bft 7).
Während es im Norden also meist stark bewölkt ist, zieht es auch in der Mitte
immer weiter zu. Ganz im Süden dagegen scheint unter schwachem Hochdruckeinfluss
häufiger die Sonne.
Vor der Kaltfront steigt die T850 hPa auf 7 bis 12 Grad, postfrontal sinkt sie
auf 1 Grad ganz im Norden. So sind Höchsttemperaturen von 16 bis 21 Grad im
Norden und von 19 bis 23 Grad im Süden zu erwarten.

In der Nacht zum Freitag schwenkt der Trog über der Ostsee als Randtrog nach
Weißrussland durch. Das Bodentief (dann wieder mit zwei Kernen) verlegt seinen
Schwerpunkt zum Baltikum. Die rückläufige Kaltfront liegt folglich diagonal über
Deutschland und wird morgens etwa auf einer Linie Emsland/Nordsee - Erzgebirge
zu finden sein (EZMW mit etwas südlicherer Variante). Entlang der Front gibt es
weiterhin leichte Niederschlagssignale, mehr als 1 bis 5 mm fallen aber nicht.
Ebenso ist im Nordosten hier und da leichter Regen möglich. Die abnehmenden
Niederschlagssignale liegen an zunehmend wieder fehlenden Hebungsimpulsen der
zunehmend antizyklonalen Höhenströmung. Darüber hinaus lässt WLA den Druck
steigen.
Der Wind bleibt an der See und im Osten zunächst aber stark. Weiterhin treten
starke Böen Bft 7 bis ins Binnenland auf, an der Nordsee stürmische Böen Bft 8
bzw. exponiert Sturmböen Bft 9. An der Ostsee muss anfangs mit Sturmböen Bft 9
und vereinzelt schweren Sturmböen Bft 10 gerechnet werden. Auch der Brocken und
der Fichtelberg warten noch mit solchen Windgeschwindigkeiten auf. In der
zweiten Nachthälfte schwächt sich der Wind allgemein ab. Dann gibt es an der
Nordsee noch starke Böen Bft 7, an der Ostsee stürmische Böen Bft 8 und auf dem
Brocken und dem Fichtelberg Sturmböen Bft 9.
Südwestlich und südlich der rückläufigen Front ist der Wind meist nur schwach
(höhere Alpengipfel mit stürmischen Böen Bft 8 oder exponiert Sturmböen Bft 9
ausgenommen) und die Wolken lockern zum Teil auf. Vereinzelt bildet sich
daraufhin Nebel.
Unter den Wolken kühlt es nur auf 13 bis 9 Grad ab, bei größeren Auflockerungen
jedoch bis auf 5 Grad.

Freitag... zieht der Randtrog nach Südwestrussland ab, das zweigeteilte Tief
besitzt dann Schwerpunkte über dem Baltikum und Weißrussland. Die rückläufige
Front kommt als Warmfront in den Osten Deutschlands voran, wobei sich das zur
Warmfront gehörende Tief bei Island durch einen neuen Randtrog ins südliche
Nordmeer verlagert.
Im Norden und Osten werden im Bereich der Warmfront geringe Niederschläge
ausgelöst, mehr als 1 bis 4 mm gibt es den Modellen zufolge allerdings nicht.
Weiter im Westen und Süden bleibt es trocken mit zeitweiligem, im Süden auch
längerem Sonnenschein.
Der Gradient schwächt sich mit dem nach Osten vorankommenden Tief zwar schon ab,
an der See und auf dem Brocken sowie dem Fichtelberg gibt es aber noch starke
Böen Bft 7, exponiert stürmische Böen Bft 8.
Die Höchsttemperaturen steigen auf 16 Grad im Nordosten bis 23 Grad im
Südwesten.

In der Nacht zum Samstag gelangen wir mehr und mehr unter die antizyklonale
Höhenströmung, was vor allem der Mitte und dem Süden eine nur locker oder gering
bewölkte Nacht beschert. Erneut kann sich dann Nebel bei nur schwacher
Luftbewegung bilden.
Im Norden ist die Bewölkung dagegen meist dichter oder nimmt wieder zu. Das
liegt an dem neuen Nordmeertief, das nun seinerseits mit dem nach Osten
fortschreitenden Randtrog in diese Richtung vorankommt und Skandinavien
erreicht. Dabei zieht die ebenfalls rückläufige Kaltfront in der nordwestlichen
Strömung in den Norden Deutschlands. Örtlich wird wieder Regen prognostiziert,
wobei die Mengen kaum 1 bis 3 mm überschreiten.
Beim Wind sind an der See noch starke Böen Bft 7 zu verzeichnen, auf dem Brocken
auch stürmische Böen Bft 9.
Die Temperaturen gehen auf 16 bis 10 Grad im Norden und auf 11 bis 5 Grad sonst
zurück.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die anstehende Kurzfrist sehr ähnlich. Etwas strittig ist
das genaue Ausgreifen von stürmischen Böen Bft 8 bis ins Binnenland am morgigen
Donnerstag. Hier könnten die 12 UTC-Läufe neue Erkenntnisse liefern, sodass eine
Ausgabe der notwendigen Windwarnungen erst am Nachmittag/Abend sinnvoll
erscheint. Zeitlich ausreichend ist das allemal.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Simon Trippler