DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-09-2021 07:30
SXEU31 DWAV 100800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 10.09.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: SWa

Zunächst Gewitter mit Starkregen (Unwetterpotenzial), zum Sonntag
Wetterberuhigung. In den Nächten zunehmende Nebelneigung.



Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... wird besonders der Norden und Westen geprägt von einem Trog, der an
Hand der Numerik heute Vormittag mit seiner Achse über Wales - Paris liegt. Dies
wird gestützt durch die WV Animation, die einen markanten Feuchtegradienten in
eben dieser Region zeigt. Die über dem subtropischen Atlantik aufgenommene
Feuchte (MIMIX-TPW Analyse von 40 bis 50 mm) erreicht nun unter Abschwächung
auch Deutschland, wobei die Werte allgemein auf rund 30 bis 40 mm zurückgehen -
Werte, die von den 00Z Radiosondenaufstiegen in Frankreich/Benelux bestätigt
werden.
Dieser Trog zieht heute unter Abschwächung nach Nordost und dürfte abends
Benelux und die Schweiz erfassen, bevor er in der Nacht zum Samstag zögernd
weiter nach Deutschland driftet. Schaut man sich die 300-200 hPa PV Verteilung
an erkennt man, dass der Trog in diesem Zeitraum massiv nach Süden gestreckt
wird und ausgangs der kommenden Nacht auch Sardinien erfasst. Entsprechend
diffus fallen die kräftigsten Hebungszentren aus, wobei das dominante
Hebungsgebiet an den kurzwelligen Anteil über Benelux gekoppelt besonders den
Westen und Norden Deutschlands erfasst, während der Osten keine nennenswerten
synoptisch-skaligen Hebungsimpulse zu erwarten hat. Abends und nachts sorgt dann
der sich nach Osten ausdehnende Trog in Verbindung mit den Alpen ebenfalls für
eine Zunahme der Hebung über dem Süden (und da besonders über dem Südosten
Deutschlands).

Die Zutaten sehen am späten Mittag (vor konvektiver Modifikation innerhalb der
Numerik) mal wieder recht brisant aus mit Blick auf den Starkregen: Die Scherung
liegt meist bei unter 5 m/s (für alle Niveaus) und fällt nur im Grenzbereich zu
Benelux oberhalb von 6km AGL etwas kräftiger aus. Die höchste
Grenzschichtfeuchte wird im Norden und Westen mit rund 10 bis 12 g/kg erwartet
und nimmt nach Süden zu ab, während dort dank einer schwachen alpinen EML
"Fahne" die vertikale Temperaturabnahme etwas erhöht ist. Summa summarum
bedeutet das eine deutschlandweit recht homogene Verteilung von MLCAPE mit rund
500 bis 1000 J/kg, regional (und da besonders im Südosten, Nordosten und
Nordwesten) auch etwas darüber. An Hand der Numerik lässt sich für den
Nachmittag auch kein nennenswertes CIN ausmachen.

Diese Hebungs- und Parameterverteilung bedeuten Folgendes:

Im Nordwesten zieht aus der Nacht heraus im Umfeld eines breiten, jedoch schwach
konturierten Bodentroges ein Gebiet mit Schauern und Gewittern über
Niedersachsen unter tageszeitlicher Abschwächung nach Schleswig-Holstein und
Mecklenburg. Bereits gemessene stündliche Werte von 20 bis 30 l/m² deuten auf
markanten bis punktuell unwetterartigen Starkregen hin, wobei die Intensitäten
in den kommenden Stunden nachlassen sollten.

Ansonsten ziehen dank der beständig zunehmenden Hebung immer wieder Schauer und
einzelne Gewitter bis zum frühen Nachmittag in den äußersten Südwesten und
Westen Deutschlands. Ab dem frühen Nachmittag sollten sich diese (neben
Neuentwicklungen) zu kräftigen Schauern und Gewittern mausern, die nur sehr
langsam nach Nord bis Nordost driften. Besonders im Umfeld der Orografie (vor
Ausbildung eines eigenen cold pools) bleibt diese Konvektion auch für längere
Zeit quasi-stationär. Dank der diffusen Hebung reagiert das ICON-D2 EPS mit
einem Streuselkuchen an Wahrscheinlichkeiten, die jedoch bis in den (extremen)
Unwetterbereich mit Werten von bis zu 30 % für mehr als 40 l/m² vertreten sind.
Das sind natürlich nur punktuelle Ereignisse, lokale Überschwemmungen sind bei
diesen Stundensummen jedoch zu erwarten. Regional kann auch die Ausgabe einer
mehrstündigen Starkregenwarnung bei Schauer-/Gewitterstraßen sinnvoll sein.
Übrigens deutet ICON-D2 für den Süden/Osten von NRW am Nachmittag bodennah etwas
bessere Richtungsscherung an, sodass im ungünstigsten Fall dank eines sehr
niedrigen Hebungskondensationsniveaus und orografischer Modifikation des
grenzschichtnahen Windfeldes ein kurzes Tornadoereignis nicht ausgeschlossen
werden kann.

Nach Osten zu sollten sich zwar auch teils kräftige Gewitter entwickeln, diese
sind jedoch besonders in Bayern/Sachsen/Thüringen eher bevorzugt im Umfeld der
Orografie zu erwarten. In Richtung Sachsen-Anhalt und Brandenburg/Vorpommern
dürfte die erhöhte Grenzschichtfeuchte eine etwas höhere
Auslösewahrscheinlichkeit ermöglichen. Erneut steht hier der Starkregen im
Fokus, bei etwas robusteren CAPE-Werten kann jedoch auch lokal Hagel und eine
durch den Abwind generierte Sturmbö nicht ausgeschlossen werden. Zudem muss
punktuell mit Unwetter durch Starkregen gerechnet werden.

Abends mehren sich die Zeichen, dass aus dem Allgäu heraus ein Cluster mit
kräftigen Schauern und Gewittern nach Nordosten in Richtung Niederbayern zieht.

Nach einem im Westen sehr milden Tagesbeginn mit Frühwerten von 17 bis knapp 20
Grad werden dort dank der regen Niederschlagsaktivität nur Höchstwerte von 20
bis 24 Grad erwartet, während im gesamten Osten mit 24 bis 28 Grad nochmal
sommerliche Werte erreicht werden.

Abseits von Konvektionsböen weht der Südwestwind schwach bis mäßig.


In der kommenden Nacht zum Samstag ziehen vor allem über den Norden und Südosten
die ganze Nacht hindurch zahlreiche Schauer und Gewitter von Südwest nach
Nordost, zumeist markant und wenigstens anfangs noch lokal unwetterartig.
Ansonsten lässt die Niederschlagsaktivität im Verlauf der Nacht vorübergehend
von Westen nach, bevor ausgangs der Nacht im Westen die nächsten
Schauer/einzelnen Gewitter auf Deutschland übergreifen. Die Tiefstwerte liegen
im Norden zwischen 18 und 15 Grad und im Süden um 14 Grad.



Samstag... zieht der beschriebene Trog unter weiterer Abschwächung und mit etwas
mehr Schwung über Deutschland hinweg nach Osten. Dabei liegt im gesamten Osten
noch die feuchteste und eine labil geschichtete Luftmasse mit PPWs von rund 30
mm und MLCAPE Werten von 400 bis 800 J/kg. Bei einer weiterhin nur sehr geringen
Windscherung entwickeln sich von der Früh weg Schauer und einzelne Gewitter, die
sich abgesehen vom Westen/Nordwesten im Tagesverlauf erneut verstärken.
Schwerpunkte bezüglich der Zündung sind nur schwer auszumachen, wobei eine
Mischung aus Orografie, Trog und eine mit gutem Willen als Okklusion analysierte
Front für regionale Schauer- und Gewittergebiete sorgen sollten. Meist verbleibt
die Konvektion im markanten Bereich, besonders im Umfeld der Orografie kann
jedoch das Erreichen der Unwetterschwelle durch Starkregen punktuell nicht
ausgeschlossen werden. Dies wird auch von den EPS-Verfahren gestützt. Die in den
Westen eingesickerte etwas trockenere und stabil geschichtete Luftmasse
verringert die Intensität der Konvektion, sodass dort nur Schauer und einzelne
Gewitter auftreten sollten. Überall zeigt sich zwischen den Schauern/Gewittern
die Sonne für längere Zeit. Die Höchstwerte liegen zwischen 21 und 25 Grad bei
einem schwachen bis mäßigen Wind aus Südwest.

In der Nacht zum Sonntag klingen die Gewitter recht zügig ab, Schauer halten
sich jedoch besonders im Norden und am östlichen Alpenrand die gesamte Nacht
hindurch. Ansonsten lockert die dichte Wolkendecke besonders im Südwesten
stärker auf und es muss südlich der zentralen Mittelgebirge mit teils dichten
und ausgedehnten Nebelfeldern gerechnet werden. Die Tiefstwerte liegen im Norden
bei rund 15 Grad und sonst zwischen 13 und 9 Grad.


Sonntag... wölbt sich ein Keil von Südfrankreich in Richtung Süddeutschland auf
und bringt weiten Bereichen Deutschlands eine deutliche Wetterberuhigung. Die
dichte und teils hochnebelartige Bewölkung am Vormittag (inklusive teils zäher
Bodennebelfelder) lösen sich im Nachmittagsverlauf immer besser auf, sodass
besonders im Süden häufig die Sonne von einem nur locker bewölkten Himmel
scheint. Im Norden ziehen jedoch im Zuge einer Trogpassage über Schweden in
Richtung Ostsee wiederholt ausgedehnte Wolkenfelder vorüber und es entwickeln
sich immer wieder schwache Schauer. Auch am direkten Alpenrand können sich zum
späten Nachmittag einzelne, teils kräftige Schauer und Gewitter entwickeln,
lokal mit Starkregen. Die Höchstwerte liegen bei 21 bis 26 Grad mit den höchsten
Werten entlang des Oberrheins und der Wind weht im Süden schwach, im Norden
mäßig aus West. Im Umfeld der Küsten können einzelne Böen Bft 7 auftreten.

Die Nacht zum Montag verspricht zwar eine wettertechnisch ruhige zu werden, doch
abgesehen vom Norden und Osten bilden sich erneut teils ausgedehnte und dichte
Bodennebelfelder aus. Es bleibt meist trocken, einzig im Küstenumfeld können
einzelne Schauer durchziehen. Die Tiefstwerte liegen von Nord nach Süd zwischen
14 und 6 Grad.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle zeigen während der gesamten Kurzfrist übereinstimmende
Rechnungen/Lösungen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy