DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-08-2021 08:01
SXEU31 DWAV 290800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 29.08.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL. NEz (Nordost zyklonal)

Trauriger Abgesang des Sommers mit teils andauerndem und ergiebigem Regen,
einzelnen Gewittern und unterkühlten Temperaturen.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Sonntag... der 29. August 2021, seines Zeichens letzter Sonntag des
meteorologischen Sommers, und was kommt? Nichts, aber auch rein gar nichts, was
nur ansatzweise an so etwas wie einen Sommerendspurt erinnern könnte.
Stattdessen (tiefhängende) Wolken satt, Regen satt, Temperaturen dünn - der
Herbst lässt grüßen. Aber was hilft´s, haben wir doch gelernt, dass Wetter alles
sein kann, nur kein Wunschkonzert. Nehmen wir es also wie es kommt, und das
sieht wie folgt aus.

Protagonisten auf der großräumigen Wetterkarte sind ein umfangreicher Höhentrog
über dem östlichen Mitteleuropa mit eingelagertem, quasistationären Drehzentrum
über Österreich (300 hPa) sowie ein fetter Rücken über dem nahen Atlantik,
dessen korrespondierender Bodenschwerpunkt GAYA mit etwas über 1030 hPa zwischen
Schottland und Island zu finden ist. Beim Trog ist es mit der Korrespondenz zur
Bodendruckverteilung nicht ganz deutlich, weil dort eher eine zwar zyklonale,
sonst aber recht diffuse Verteilung bestehend aus den Spießgesellen NICK I und
II sowie dem Herrn OVE zu finden ist. Wie auch immer, das ganze Konstrukt sorgt
bei uns für eine hochreichende nördliche Grundströmung, mit der auf zyklonaler
Spur sehr feuchte, kühle (T850 meist 5 bis 9°C) und zumindest teilweise leidlich
labil geschichtete Luftmassen nach Deutschland gesteuert werden. Als
hebungsgebende Impulse fungieren wiederholt um das Drehzentrum herumgeführte
kurzwellige Troganteile, z.T. unterstützt durch mesoskalige WLA-Gebiete wie z.B.
bei dem kleinen Regengebiet, das in der vergangenen Nacht von Nordosten kommend
über die Mitte nach BW gezogen ist und in den nächsten Stunden die benachbarte
Schweiz beehren wird bzw. diese schon erreicht hat.

Doch für Nachschub ist schon gesorgt, wie der flüchtige Blick auf das
Radarkomposit verrät. Schauerartig verstärkte, durchaus aber auch mehrere
Stunden andauernde oder nur mit wenigen Unterbrechungen versehene Regenfälle
suchen heute weite Landesteile heim, wobei es freilich Intensitätsunterschiede
gibt. So dürften beispielsweise der äußerste Nordwesten, aber auch Leegebiete im
Südwesten sowie in Teilen Bayerns über den Tag hinweg eher wenig Regen
abbekommen, während Staulagen weit prominenter vertreten sind. Für einige dieser
luvseitigen Regionen (Harz, östlicher Mittelgebirgsraum, Alpen) wurden bereits
langlaufende Regenwarnungen herausgegeben, in die die genannten Regenfälle
eingepreist sind. Ein besonderes Augenmerk gilt allerdings dem Nordosten, wo
sich - angefacht durch einen der o.e. KW-Tröge - erneut ein Korridor mit
stärkeren Regenfällen etabliert, der sich in den Abendstunden bis in die
östliche Mitte und in der kommenden Nacht bis nach Bayern ausweitet. Nimmt man
ICON-D2-EPS von 03 UTC als Referenz, dann findet man von heute 12 bis 18 UTC im
nördlichen BB und dem südöstlichen Vorpommern Wahrscheinlichkeiten von 30 bis
50% für RR > 20 l/m², was von den deterministischen Modellen mit einem gewissen
Spread gestützt wird. Das Mittel der (Warn)Wahl könnte hier eine präventive, auf
7 bis 10 Stunden ausgedehnte Starkregenwarnung (20 bis 35 l/m²) sein, aber auch
eine bis Montagfrüh bzw. -mittag laufende Dauerregenwarnung mit Mengen von 35
bis 50 l/m² und den Hinweis auf wechselnde Intensitäten wäre eine zu
diskutierende Variante. Fakt ist, dass in der Osthälfte sowie im Nordwesten mit
Hilfe des Tagesgangs etwas ML-CAPE von 100 bis 250 J/kg aufgebaut wird (schmal,
aber relativ hochreichend), was einzelne Gewitter mit lokaler Starkregengefahr
(15 bis 25 l/m² innert kurzer Zeit) sowie Böen 7 Bft zur Folge hat.

Ansonsten gilt es nur noch zu konstatieren, dass der nördliche bis nordöstliche
Wind an der Nordsee ab Mittag schwächer wird (keine Böen 7 Bft mehr), dafür aber
an der vorpommerschen Küste etwas aufbrist (exponiert Böen 7 Bft). Die
Temperatur kommt in den meisten Regionen nicht über 15 bis 19°C hinaus,
lediglich zwischen SH und Emsland reicht es mal für 20 oder gar 21°C. Dafür wird
es in Gebieten mit länger andauerndem Regen schwer, die 15°C-Marke zu knacken.
Oh man...

In der Nacht zum Montag verlagert sich das Drehzentrum geringfügig nach Osten,
ansonsten ändert sich aber kaum etwas an der Großwetterlage. Insbesondere in dem
o.e., sich vom nördlichen BB über Sachsen-Anhalt und Thüringen bis nach Bayern
erstreckenden Korridor kommt es zu weiteren schauerartig verstärkten
Regenfällen, bei denen gebietsweise 10 bis 25 l/m², lokal vielleicht um 30 l/m²
innert 12 h zusammenkommen. Die Starkregensignale seitens ICON-D2-EPS werden
aber diffuser als das noch am Tag der Fall war.

In den übrigen Landesteilen lassen die anfänglich noch auftretenden
Niederschläge und Gewitter mehr und mehr nach, im Nordwesten bleibt es sogar
gänzlich trocken. Rund um das Oderhaff bleibt der Nordostwind so forsch
unterwegs, dass einzelne steife Böen 7 Bft möglich sind, was da oben aber keinen
wirklich juckt.

Montag... ändert sich wenig an der großräumigen Konstellation. Fast stoisch
schlummert das Hoch zwischen Island und Schottland vor sich hin, wobei zum Abend
hin aber eine 1035-hPa-Isobare auftaucht. Das reicht, um mit Hilfe eines
marginal von Skandinavien südwärts vorstoßenden Höhenkeils Nordwestdeutschland
einen weitgehend trockenen Wochenstart zu bescheren. Außerdem wird von oben her
(Absinken) eine allmähliche Abtrocknung der Luftmasse eingeleitet, die mit
Wolkenauflockerungen und zur Nordsee hin sowie im Norden SHs sogar mit sonnigen
Abschnitten gewürdigt wird.

Im großen Rest der Republik sieht es sonnentechnisch aber weiterhin trist bis
sehr trist aus. Zu groß ist der Wirkungsradius des Höhentiefs, auch wenn die
Tendenz, sich in Richtung Osten zu verabschieden durchaus anhält - allerdings
nur in infinitesimal kleinen Schritten. Kurzum, die Zufuhr feuchter und kühler
Luft auf zyklonalem Wege setzt sich fort, was in Verbindung mit schier
unerschöpflich auftretenden, quasi "karussellfahrenden" Randtrögen weitere
Regenfälle und insbesondere im Süden, bedingt auch in der Mitte einzelne
Gewitter (Starkregen, Böen 7 Bft) bedeutet. Lokal ist nach wie vor Starkregen
drin, teils auch mehrstündig, eine belastbare Regionalisierung ist aus heutiger
Sicht nicht möglich. Der meiste Regen scheint morgen aber im Stau von Harz und
Thüringer Wald sowie in Teilen Süddeutschlands zu fallen, wo man als
vorsichtiger Zeitgenosse zusätzlich noch über eine markante Dauerregenwarnung
auf der Schwäbischen Alb nachdenken könnte. Gebietsweise fallen 10 bis 25 l/m²,
lokal um 30 l/m², die in den laufenden Warnungen bereits eingepreist sind.

Beim Wind bleiben das Oderhaff und Usedom die Region, wo am ehesten was in
Richtung Stärke 7 Bft geht (um Nordost), was aber nicht zwingend bewarnt werden
muss, da vor allem exponierte Stellen betroffen sind. Bescheidene Lichtblicke
gibt es von der Temperaturfront zu berichten, steigt doch die Temperatur in der
Nord- und Westhälfte häufiger auf 20°C oder etwas mehr - geht doch.

In der Nacht zum Dienstag steigt der Luftdruck von Nordwesten her weiter an und
das Absinken setzt sich fort. Dabei wird die Inversion bis auf rund 850 hPa
gedrückt und die Abtrocknung von oben her macht weitere Fortschritte. Aber auch
in der Grundschicht selbst wird der Spread im Profil allmählich größer, was
Wolkenauflockerungen im Norden wie im Westen vorantreibt. Allerdings reicht die
Restfeuchte aus, bei längerem Aufklaren und mittlerweile schon recht langen
Nächten Nebel zu produzieren.

Der Süden und Osten werden nach wie vor vom sich in den Südosten Polens
zurückziehenden Höhentief beeinflusst, was weitere, wahrscheinlich aber nicht
mehr so intensive Regenfälle zur Folge hat. Der meiste Regen fällt im Stau von
Erzgebirge und Thüringer Wald sowie an den Alpen (5 bis 15, lokal um 20 l/m²).


Dienstag... nistet sich das Höhentief mit seinem Drehzentrum irgendwo im Bereich
des Dreiländerecks Polen-Weißrussland-Ukraine ein. Und noch immer verfügt es
über einen ausladenden, weit nach West-Südwest zurückhängenden Trog, der in
weiten Teilen Ost- und Süddeutschlands den Ton angibt. Gemeinsam mit der
unablässig einströmenden feuchten und kühlen (T850 bei 6/7°C) Luftmasse werden
weiterhin reichlich Wolken produziert, aus denen es etwa vom Schwarzwald über
weite Teile Bayerns und Sachsens bis hoch ins südliche BB regnet. Insbesondere
südlich der Donau sowie im Stau des Erzgebirges sollen noch mal 5 bis 15, lokal
bis zu 20 l/m² runterkommen, vereinzelte Gewitter inklusive.

Im Norden und Westen hingegen macht sich die Nähe zum weiterhin mit seinem
Zentrum nordwestlich von Schottland positionierten Hoch GAYA (> 1035 hPa)
positiv bemerkbar, zumal auch der o.e. Höhenkeil von Norden her immer dichter an
den Vorhersageraum heranrückt. Die Auflockerungstendenzen in der Wolkendecke
nehmen weiter zu und vor allem im äußersten Norden verabschiedet sich der
meteorologische Sommer zumindest einigermaßen standesgemäß mit viel Sonnenschein
und Temperaturen bis zu 23°C (Binnenland) - na immerhin. Derweil muss man sich
im wolkenverhangenen und regnerischen Südosten mit mageren 14 bis 19°C begnügen.


In der Nacht zum Mittwoch deutet sich ein Ende der über mehrere Tage andauernden
Regenlage an. Grund ist vor allem der nach Südwesten zurückhängende Trog des
Höhentiefs, der nun deutlich abgebaut respektive nach Süden abgeschoben wird.
Stattdessen nimmt die nördliche Höhenströmung immer antizyklonalere Konturen an.
Darüber hinaus bildet sich Bodendruckfeld ein kräftiger Keil ab, der ausgehend
vom Mutterhoch bis zu den Alpen gerichtet ist. So fallen an den Alpen, im
Erzgebirge sowie im Bayerischen Wald die letzten Tropfen, bevor es am Morgen
dann weitgehend trocken bleibt. Die Wolkendecke lockert von Nordwesten her mehr
und mehr auf, so dass sich in der feuchten Grundschicht gebietsweise teils
dichter Nebel bildet.


Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Was die synoptische Entwicklung angeht, liegen die Modelle ziemlich dicht
beieinander. Trotzdem treten hinsichtlich des Warnmanagements "Niederschlag" ein
paar Probleme auf. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass hinsichtlich der
bevorstehenden Regenfälle und Gewitter auf zwei Gleisen gefahren wird. Auf Gleis
1 ist das Nowcasting unterwegs, wo mit In-situ-Warnungen die einzelnen Gewitter,
aber auch möglicher ungewittriger Starkregen abgehandelt werden. Auf Gleis 2
fährt das präventive Warnen, sprich die Dauerregenwarnungen, die teils bis
Montag, teils bis Dienstagabend andauern. Sie wurden nach der Frühkonferenz
angepasst (Dauer, Hinweis auf Staulagen), wobei auf Unwetterwarnungen verzichtet
wurde - wohl wissend, dass punktuell durchaus Unwettermengen gerissen werden
können. Wegen der Modellunsicherheit wurde die Warnung in Mittelsachsen zunächst
noch stehengelassen, auch wenn ICON dort die Regenmengen deutlich
zurückgerechnet hat. Und im Nordosten wurde sich für die Variante "Dauerregen
mit wechselnder Intensität" entschieden mit der Option, die Warnung noch etwas
weiter nach Südwesten auszuweiten (abhängig von den nächsten Simulationen).


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann