DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-09-2016 21:00
SXEU31 DWAV 041800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 04.09.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Norden und Nordosten und zum Teil auch in der Mitte Gewitter, teils mit
Sturmböen, rasch ostwärts ziehend. Auch abseits der Gewitter Sturmböen auf
höheren Berggipfeln.
In der Nacht zum Montag vor allem im Nordwesten und in Küstenbereich noch
weitere Gewitter. An den Alpen einsetzende Dauerregen.
Am Montag im Nordosten und im östlichen Mittelgebirgsraum Schauer und kurze
Gewitter. Dort auf höheren Berggipfeln sowie auf Alpengipfeln Sturmböen. Am
Alpenrand weiterhin Dauerregen.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... gelangt Deutschland unter einen Trog, der von der Nordsee her sich
nach Südosten ausweitet. Bis Montagfrüh hat die Achse dieses Troges bereits die
Oder überquert, wobei sich ein in diesem Trog eingelagertes Höhentief über
Nordwestpolen abzeichnet.
Das korrespondierende Bodentief verlagert sich zunächst in das deutsch-dänische
Grenzgebiet. Dessen Kaltfront (an welche die erste Gewitterlinie gekoppelt ist)
greift rasch weiter südostwärts über, hängt aber in ihrem Südteil etwas zurück,
ist aber mittlerweile von Druckanstieg überlaufen und daher im Süden
Deutschlands kaum noch aktiv. In der zweiten Nachthälfte wird dann auch dieser
Abschnitt der Front die Alpen erreichen.
Eine weitere Gewitterlinie, die mit einem aus dem o.g. Trog herauslaufenden
Kurzwellentrog korrespondiert, folgt der ersten Struktur in geringem Abstand. An
beiden Gewitterlinien spielt sich die Hauptaktivität ab. CAPE erreicht bis etwa
800 J/kg, der Gehalt an niederschlagbarem Wasser bis 30 mm. Bemerkenswert ist
die niedertroposphärische Scherung, die im untersten Kilometer bis 20 m/s
erreicht (das ist viel!). In Verbindung mit einem Oberwind (im 850 hPa-Niveau
bis 45 kt) sind in Gewitternähe Böen bis Sturmstärke möglich; auch schwere
Sturmböen können nicht ganz ausgeschlossen werden. Immerhin sprechen die Zutaten
für organisiertere Strukturen hochreichender Konvektion, wie es aktuell auch
beobachtet wird.
Starkregen sollte eine untergeordnete Rolle spielen. Hierzu verlagern sich die
Gewitter zu rasch.
Allerdings blieben die bisher beobachteten Böen weit unter den Erwartungen.
Genauso wenig war zuvor davon auszugehen, dass es im Süden Deutschlands bisher
vergleichsweise ruhig blieb. Dies ist zum einen der Entwicklung von Nordwesten
her zu verdanken (was der Luftmasse im Südosten Energie entzieht), zum anderen
auf die Abschirmung in Verbindung mit dem Regengebiet zuvor zurückzuführen.
In der Nacht zum Montag setzt über der Oderbank eine Okklusionspunktzyklogenese
ein, wodurch sich das Tief im dänisch-deutschen Grenzgebiet unter leichter
Südverlagerung auffüllt und als Bodentrog über dem Norden Deutschlands endet.
Dieser Trog liefert die erforderliche Hebung, so dass die Konvektion in
Norddeutschland und mit Unterstützung durch das warme Nord- und Ostseewasser vor
allem in Küstennähe aufrecht gehalten wird. Dasselbe gilt für den östlichen
Mittelgebirgsraum, wo der Höhentrog noch seine Wirkung entfaltet. Böen bis
Sturmstärke sollten dann aber auf exponierte Küstenlagen und höhere Berggipfeln
der östlichen Mittelgebirge und der Alpen beschränkt bleiben.
Mit dem Auftreffen der Kaltfront auf die Alpen setzt am Alpenrand Dauerregen
ein. Vorerst ist die Intensität der Niederschläge noch nicht allzu hoch, so dass
ein längerer Akkumulationszeitraum zu betrachten ist.
In den anderen Gebieten, d.h. von Westen her, sollte sich dann eine
Wetterberuhigung bemerkbar machen. Da aber der Gradient einigermaßen kräftig
bleibt, ist kaum Nebel zu erwarten.

Montag ... tropft der Trog über dem östlichen Mittleeuropa aus, das
resultierende Höhentief verlagert sich bis zum Abend zu den Beskiden. Der Weg
wird frei für einen Höhenkeil, der sich von der Biskaya über die mittlere
Nordsee im Tagesverlauf nach Südschweden ausweitet. Das korrespondierende
Bodenhoch, das sich von den Azoren bis nach Frankreich erstreckt und einen Keil
in den Südwesten Deutschlands schiebt, nimmt Verbindung mit dem Hoch über der
Norwegischen See auf, wodurch der Grundstein für eine Blockierungslage gelegt
wird. An dieser Entwicklung sind auch die Reste des Tropensturms "Gaston"
beteiligt. Dieser sorgt mit Warmluftadvektion an der Westflanke des Höhenkeils
für weiteren Geopotentialgewinn.
Derweil gelangt Deutschland von Norden und Westen her mehr und mehr in den
Einflussbereich des Bodenhochs, so dass die Stabilisierung von Absinken
begleitet wird. Zwar werden mit der steilen nordwestlichen Strömung noch teils
mehrschichtige Sc-Felder eingesteuert, aber es dürfte in Nord- und
Westdeutschland größtenteils niederschlagsfrei bleiben.
Im Osten ist dagegen noch das Cut-Off-Tief wetterwirksam, so dass sich dort
bevorzugt über dem Mittelgebirgsraum erneut Schauer und vielleicht auch noch
einmal kurze Gewitter entwickeln können. Böen bis Sturmstärke sollten dabei
jedoch auf höhere Berggipfel dieser Mittelgebirge und der Alpen beschränkt
bleiben.
Die Anströmung der Alpen sorgt für ein Fortbestehen der Dauerregenlage. Bis
Montagabend sollten die Warnschwellen für eine entsprechende Warnung bereits
überschritten werden.
Aufgrund der in Verbindung mit dem Trog eingeflossenen Höhenkaltluft ist die
Temperaturentwicklung nur verhalten. Am Nachmittag werden 17 bis 21, mit Hilfe
der Sonne bis 23 Grad erreicht. Im Dauerregen an den Alpen sind nur 11 bis 15
Grad zu erwarten.
In der Nacht zum Dienstag verlagert sich das Cut-Off-Tief nach Südeuropa, was
die Strömung über Nord auf Nord-Nordost drehen lässt. Hierdurch setzt sich dann
auch über dem nordöstlichen Mitteleuropa antizyklonaler Einfluss durch. An den
Alpen setzt sich die Dauerregenlage fort, wenngleich sich das
Niederschlagmaximum zum östlichen Alpenrand verlagert und im Allgäu, vielleicht
auch in den Bayerischen Alpen, die Warnschwellen für Dauerregen nicht mehr
erreicht werden.
Ansonsten setzt sich auch in den anderen Gebieten antizyklonaler Einfluss durch.
Da es sich hierbei um eine ausgesprochen schwachgradientige Lage handelt, kann
sich gebietsweise dichter Nebel bilden.

Dienstag ... verlagert sich das Höhentief nach Süditalien und somit etwas
südwestwärts. Dies lässt die Strömung über dem Alpenraum auf Ost drehen. Da der
zyklonale Charakter der Strömung erhalten bleibt, ist zwar die Staukomponente
nicht mehr so gegeben, aber die Niederschläge dauern am östlichen Alpenrand noch
an, werden aber schwächer. Sehr wahrscheinlich werden im späteren Tagesverlauf
auch in den Berchtesgadener Alpen keine Warnschwellen mehr erreicht.
In den anderen Gebieten hält sich Hochdruckeinfluss. Die Achse des Bodenhochs
verbleibt über Norddeutschland, woraus sich für den größten Teil des
Vorhersagegebietes eine schwache nordöstliche bis östliche bodennahe
Windkomponente ergibt.
Im Bereich des Bodenhochs macht zum einen durch Absinken, zum anderen durch
weitgehend ungehinderte Einstrahlung die Erwärmung Fortschritte. Dies lässt die
Temperatur auf 22 bis 26 Grad steigen. Im Südosten hält sich noch kühlere Luft,
die aus dem vorherigen Trog resultiert, so dass dort nur 17 bis 21 Grad, an den
Alpen im (nachlassenden) Dauerregen 12 bis 16 Grad erreicht werden.
In der Nacht zum Mittwoch bildet sich eine "High over Low"-Situation heraus. An
der Nordflanke des über dem Tyrrhenischen Meer liegenden Höhentiefs wölbt sich
mehr und mehr der Höhenrücken auf. Dieser wird von Trögen über Osteuropa und dem
nahen Ostatlantik flankiert, was der Situation eine gewisse Stabilität verleiht.

Mit der weiteren Südwestverlagerung des Höhentiefs und den sich verstärkenden
antizyklonalen Einfluss sollten dann auch die Niederschläge am östlichen
Alpenrand aufhören und die Bewölkung sich weitgehend auflösen.
Da die schwachgradientige Lage bestehen bleibt, können sich gebietsweise erneut
Nebelfelder bilden.

Mittwoch ... wandelt sich der Höhenrücken in ein abgeschlossenes Höhenhoch um,
das sich noch etwas nach Norden ausweitet. Dessen Schwerpunkt etabliert sich
über dem Nordosten Deutschlands. Das korrespondierende Bodenhoch verlagert sich
ein wenig nach Osten, so dass eine östliche bis südöstliche bodennahe
Windkomponente bestehen bleibt. Hierdurch dürfte tagsüber der Wind etwas
auffrischen, ohne dass jedoch Warnschwellen erreicht werden.
Großräumiges Absinken im Bereich des ausgedehnten Boden- und Höhenhochs lässt
keine nennenswerte Wolkenbildung zu, so dass ein weiterer Temperaturanstieg zu
erwarten ist. Am Nachmittag werden 25 bis 29 Grad erreicht. In Alpennähe und in
den Mittelgebirgen sowie bei auflandigem Wind auch an der Küste bewegen sich die
Temperaturen zwischen 20 und 24 Grad.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle zeigen eine weitgehend ähnliche Entwicklung. Anhand der
synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten Unterschiede
ableiten. An der oben beschriebenen Entwicklung sollte daher kein Zweifel
bestehen.
Diskussionsbedarf gibt es noch hinsichtlich der Dauerregenlage an den Alpen.
Konsens besteht darin, dass die Niederschläge am östlichen Alpenrand erst am
Dienstagabend nachlassen und daher das 48-std. Dauerregenkriterium zum Ansatz
kommen sollte. Betrachtet man die letzten 4 Modellläufe von COSMO-LEPS, zeigt
sich eine Reduktion der Niederschlagssummen. 100 mm Niederschlag stehen selbst
in den Berchtesgadener Alpen nicht mehr zur Debatte. Und nach dem jüngsten Lauf
würde sich nur noch eine Unwetterwarnung nur noch östlich des Inns anbieten. Ein
ähnliches Verhalten, aber mit etwas geringeren Niederschlagssummen, zeigt das
EPS des EZMW.
Auch die deterministischen Modelle verringern von Lauf zu Lauf die zu
erwartenden Niederschlagssummen. Eine lang laufende Dauerregenwarnung wäre daher
für den gesamten Alpenrand sinnvoll. Unwetterartige Summen kämen demnach, falls
überhaupt, nur in den Berchtesgadener Alpen zusammen. Dies ließe sich ggf. mit
einer Einzelfallentscheidung abfangen, so dass sich eine Unwetterwarnung vorerst
nicht aufdrängt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann