DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-08-2021 08:01
SXEU31 DWAV 170800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 17.08.2021 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Laut hausinterner Klassifikation NWz (Nordwest zyklonal), zumindest anfangs
aber ebenso TrM (Trog Mitteleuropa) möglich.

Heute im Norden und Osten + Mitte windig bis stürmisch (LUCIANO), dazu Schauer
und einzelne Gewitter. Die nächsten Tage Beruhigung, an der See aber weiterhin
windig. Zögerlich wieder wärmer, vor allem im Süden (FRIDOLINE).

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... Keine Frage, der heutige 17. August startet in Deutschland alles
andere als sommerlich. Im Gegenteil, der Frühherbst setzt eine erste spürbare
Duftmarke. Im Norden windet oder stürmt es, begleitet von kräftigen Schauern, in
der Mitte und im Süden ist die Temperatur vielerorts unter die 10°C-Marke
gesunken. Der "Übeltäter" ist schnell gefunden, es handelt sich um das
hochreichende Tief LUCIANO, das uns gestern staffelweise polare Meeresluft
serviert hat, die nun mittlerweile auch die Alpen erreicht hat. Den heutigen
Dienstag verbringt LUCIANO über Südschweden, Kerndruck etwas unter 1000 hPa,
Tendenz noch leicht fallend, nur sehr langsam ostwärts verlagernd. Kurzum, der
Gute wird auch heute für weite Teile des Vorhersageraums der
Hauptansprechpartner sein. Unterstützt wird er dabei von einem veritablen
Höhentrog, dessen Hauptachse im Laufe des Vormittags zwar die Grenze zu Polen
und Tschechien überquert, während er aber gleichzeitig durch einen von der
Nordsee in die Rückseite einlaufenden KW-Trog regeneriert wird.

Wettertechnisch fangen wir mit der Zone an, in der heute am wenigsten passiert,
nämlich im Süden. Schon in der Nacht hat starker Druckanstieg eingesetzt, der
den Aufbau eines zonal orientierten Hochkeils (wird FRIDOLINE getauft) fördert
(zeitweise über 1020 hPa). Es handelt sich im Grunde um den verlängerten Arm
eines umfangreichen Hochs über dem nahen Atlantik, der über Süddeutschland
hinweg bis zum nördlichen Balkan reicht. Er sorgt heute in Bayern und BW für
einen weitgehend trockenen (anfangs an den Alpen noch ein paar Regenreste), aber
ziemlich wolkigen Tag. Wolkig deswegen, weil sich bei rund 800 hPa eine
Absinkinversion etabliert, an der sich aus der feuchten Grundschicht heraus
zahlreiche Kumulanten bilden, die an der Inversion breitlaufen. Entsprechend
bleibt die Einstrahlung gedämpft, was auch für die Temperatur gilt. Bei 5 bis
8°C auf 850 hPa wird es in 2 m Höhe nicht wärmer als 17 bis 22°C, mit
Oberrheinbonus um Freiburg herum vielleicht 23°C.

Turbulenter geht es definitiv weiter nördlich zu, wo man freilich auch dem Tief
näher ist. Zunächst mal zum Wind, der aus westlichen Richtungen kommend im
Norden und Osten sowie in Teilen der Mitte lebhaft und böig unterwegs ist mit
Böen 7 Bft, etwa nordöstlich der Elbe sowie an der Nordsee auch 8 Bft, direkt an
der See sowie bei kräftiger Konvektion (925-hPa-Wind z.T. bei 40/45 Kt) sogar 9
Bft. Dass der Windgeber auf dem Blocksberg im Harz bei diesen Bedingungen sogar
schwere Sturmböen 10 Bft aufzeichnet, bedarf eigentlich keiner besonderen
Erwähnung.

Beim Wetter gilt es zwei Komponenten zu betrachten. Da wäre zum einen im Norden
die höhentrog- respektive höhenkaltluftgebundene Konvektion mit zahlreichen
Schauern und kurzen Gewittern. Neben Böen 8-9 Bft ist - zumindest über mehrere
Stunden akkumuliert - auch Starkregen nicht ganz auszuschließen, da sich bei
guter LLS (teils um 15 m/s) entweder kleine Schauerstraßen bilden oder
wiederholte Treffer ein größeres Regenquantum erzeugen. Am Nachmittag könnte das
vor allem in MV der Fall sein. Auch das T-Wort Typ 2 sollte man im äußersten
Nordosten angesichts des auf unter 1000 m sinkenden HKNs bei gleichzeitig guter
LLS und einem zwar nicht überbordenden, aber doch soliden Maß an Helizität nicht
gänzlich ins Reich der Fabel verbannen.

Komponente #2 hängt mit dem o.e. KW-Trog zusammen, der nicht nur PVA, sondern
auch WLA generiert. Als Folge davon kommt es am Nachmittag im Westen und
Nordwesten zu schauerartig verstärkten Regenfällen, deren Mengen sich aber in
Grenzen halten. Ob auch ein einzelnes Gewitter eingelagert ist, ist schwer zu
sagen. Trotz Stabilisierung durch die WLA wird etwas ML-CAPE erzeugt, was
vielleicht für ein paar Blitze reichen kann und von einigen hochaufgelösten
Modellen auch im Angebot ist. Deutlich sicherer auf alle Fälle die Aussage, dass
man sich in den genannten Gebieten weder einen Sonnenbrand holt noch besonders
ins Schwitzen kommt angesichts apostrophierter Höchstwerte von 17 bis 20°C.

In der Nacht zum Mittwoch gelangen wir mehr und mehr auf die Rückseite des
Höhentroges unter eine zunächst noch zyklonal konturierte, zum Morgen hin dann
aber zunehmend glatte nordwestliche Strömung. Obwohl der Gradient gar nicht mal
so stark aufweicht, geht doch der westliche Wind im Binnenland mit Unterstützung
des Tagesgangs sowie Stabilisierung der Schichtung merklich in die Knie.
Stürmisch (Böen 8-9 Bft) bleibt es allerdings an der Ostsee und auch an der
Nordsee kann es mit Passage eines flachen Bodentrogs noch die eine oder andere
steife Böe 7 Bft geben.

Derweil überzieht WLA quasi das gesamte Land, was unterschiedliche Folgen nach
sich zieht. Grundsätzlich bleiben größere Wolkenauflockerungen die Ausnahme,
wodurch die Nacht nicht ganz so frisch wird wie die vergangene (Mitte/Süden).
Während sich der leichte Regen aus dem Westen über die Mitte hinweg in den Süden
verlagert, nimmt die Schauerwahrscheinlichkeit im Nordosten immer weiter ab.


Mittwoch... macht der Höhentrog weiter Boden nach Osten hin gut, während sich
von Westen her ein flacher Rücken annähert, der der nordwestlichen Höhenströmung
einen etwas antizyklonaleren Anstrich verleiht. Für den ganz großen
Hochdruckgenuss wird das aber bei Weitem nicht ausreichen, auch wenn im Süden
der Keil des Atlantikhochs weiterhin bemüht ist, antizyklonale Impulse zu
setzen. Für mehr als ein paar bescheidene Teilerfolge wird es aber wohl nicht
reichen. So müssen zunächst mal die Regenreste aus der Nacht das Weite suchen
und dann ist da immer noch die feuchte Grundschicht unter der auf 750 bis 700
hPa angehobenen Inversion. Kurzum, die Sonne wird es schwer haben in diesem
Umfeld, auch wenn am Nachmittag unzweifelhaft einige Auflockerungsbestrebungen
attestiert werden können. Laut MOS-Statistik kommen dabei der Alpenrand sowie
die Bodenseeregion nebst Hochrhein am besten weg. Da die 850-hPa-Temperatur auf
etwa 10°C steigt, darf auch bei den 2m-Temperaturen mit einem leichten Anstieg
gerechnet werden. Für einen Sommertag (25°C oder mehr) wird es aber noch nicht
reichen.

Diese Aussage trifft selbstverständlich auch auf den großen Rest der Republik
zu, insbesondere für den Norden, wo die einströmende Meeresluft weiterhin am
kühlsten ist (T850 z.T. nur 6/7°C), so dass schon das Erreichen der 20°C-Marke
Schwierigkeiten bereitet, insbesondere bei Wind an der Küste. Der ist aus
westlichen Richtungen kommend sowohl an der Nord- als auch an der Ostsee sowie
im küstennahen Binnenland nach wie vor sehr, sehr flott unterwegs mit Böen der
Stärke 7-8 Bft. Grund ist der weiterhin gut ausgeprägte Gradient auf der
Südflanke des vor der schwedischen Ostküste weiter gereiften LUCIANO (um 12 UTC
150 bis 200 km nördlich von Stockholm, Kerndruck unter 990 hPa). Zwar ist es
auch in der Norddeutschen Tiefebene, ja sogar bis in den zentralen
Mittelgebirgsraum ausgreifend, alles andere als windstill, warnwürdige Böen 7
Bft oder mehr sind aber die Ausnahme oder treten nur in exponierten Hochlagen
auf.

Ansonsten gilt es von einem Überangebot an Bewölkung sowie Schauern zu
berichten, die Richtung See etwas zahlreicher auftreten sollen als
beispielsweise in der Mitte. Für Gewitter dürfte die Schichtung mittlerweile
überall zu stabil sein.

In der Nacht zum Donnerstag zonalisiert die sich abschwächende Höhenströmung,
wobei sich ein flacher KW-Trog über den Vorhersageraum mogelt. Er induziert
insbesondere im Norden schauerartigen Regen, der in Verbindung mit einer von der
Nordsee und Südskandinavien übergreifenden schwachen Kaltfront als
durchbrochenes Band organisiert sein kann. Auch wenn es an der Ostsee mal etwas
stärker regnet, bleiben die Mengen wahrscheinlich unkritisch. Warnwürdig dagegen
bleibt der Wind an der See, auch wenn im Nachtverlauf von Westen her eine
Abnahme erkennbar ist. Am Morgen dürfte an der Ostsee noch die eine oder andere
steife Böe 7 Bft auftreten. Nach Süden hin sorgt der nach wie vor präsente
Hochkeil für eine weitgehend trockene, aber tendenziell wolkige Nacht ohne
besondere atmosphärische Vorkommnisse.

Donnerstag... Besondere atmosphärische Vorkommnisse hat auch der Donnerstag
nicht zu bieten. Während der Norden weiterhin vom nur langsam in Richtung
Bottnischen Meerbusen abziehenden LUCIANO - wenn auch nur peripher - beeinflusst
wird, bleibt dem Süden der alte Hochkeil treu. Und das, obwohl das Mutterhoch
über dem nahen Atlantik inzwischen von einem Tief abgelöst wurde und sich
deutlich nach Westen bzw. Südwesten zurückgezogen hat. Trotzdem nehmen die
Chancen auf längere sonnige Abschnitte im Süden gegenüber den Vortagen zu,
insbesondere am Alpenrand und im Alpenvorland. Dabei ist unter der schwachen
westlichen Höhenströmung gar nicht mal das Absinken besonders ausgeprägt.
Vielmehr ist es so, dass die Grundschicht beginnt, mehr und mehr abzutrocknen,
was Auflockerungstendenzen sehr förderlich ist. Mehr Einstrahlung bedeutet mehr
Energie, kurzum, es wird zudem etwas wärmer mit bis zu 24, vereinzelt 25°C.

Nach Norden hin bleiben solche Werte allerdings weiterhin reine Utopie
angesichts der nach wie vor von West-Nordwest einströmenden wolkenreichen
Meeresluft (T850 zwischen 5 und 8°C). Der meiste Regen fällt im Bereich der o.e.
Kaltfront, die aufgrund ihrer strömungsparallelen Exposition kaum noch
landeinwärts vorankommt und irgendwo unweit der Küste quasistationär wird
respektive schleift. Aufsummiert über 12 h können bis 5, lokal bis 10 l/m² Regen
zusammenkommen. Darüber hinaus weht vor allem an der Ostsee noch ein mäßiger bis
frischer Wind um West mit einigen steifen Böen 7 Bft, Tendenz am Nachmittag
allmählich nachlassend.

In der Nacht zum Freitag tut sich an der Gesamtkonstellation relativ wenig,
sieht man mal davon ab, dass ICON über Norddeutschland einen von der Nordsee und
Benelux hereinschwenkenden, relativ scharf geschnittenen KW-Trog simuliert.
Dieser soll etwas stärkeren Regen und auch vielleicht ein vereinzeltes Gewitter
bringen, allerdings ist die Prognose noch sehr unsicher, da die externen Modelle
den Trog weniger progressiv simulieren. Relativ sicher hingegen ist die
Vorhersage für den Süden, wo es bei leichtem Hochdruckeinfluss (es ist weiterhin
die FRIDOLINE) vielfach aufklart, einige Nebelfelder inklusive.

Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen simulieren die Modelle ähnlich. Hinsichtlich des KW-Troges
in der Nacht zum Freitag wurde die Unsicherheit bereits erwähnt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann